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Dns wichtigste. * Der Reichstag erledigte am Sonnabend in dritter Lesung den Re st der neuen Steuern, wodurch dem Reiche 300 Millionen Mark Mchreinkünfte gesichert sein sotten. Von der Regierung und von den Parteien wurden grundsätzliche Erklärnngen ab- gegeben. sS. Leitart. u. Reichstagsber.) * Der Rat der Stadt Leipzig beauftragte das Hochbauamt mit Ausarbeitung des Projekts für eine Ausstellungshalle. sS. Lpzg. Ang.) * Zum Rektor der Universität Leipzig für das Studienjahr 1909/10 wurde Geh. Hofrat Prof. Dr. jur. Hölder gewählt. sS. Lpzg. Ang.) * Der verstorbene Buchhändler Julius Hermann Meyer in Leip zig stiftete den Betrag von einer Million Mark zur Erbauung billiger Wohnungen. sS. Lpzg. Ang.) * Der Deutsch-venezolanische Handelsvertrag ist vom Senat in Caracas, wie vor dort telegraphiert wird, in den erforderlichen drei Lesungen angenommen worden, ebenso in erster Lesung von der Deputiertenkammer; die beiden weiteren Lesun gen in der Deputiertenkammer werden voraussichtlich in den nächsten Tagen stattfinden. * Der Aktionsausschuß der schottischen Bergleute beschloß, wie uns aus London telegraphiert wird, die Grubenbe sitzer zur Rücknahme der für den 26. Juli angekündigten Lohnreduk tion auszufordern, anderenfalls am 1. August der Generalstreik erfolgt. sS. Ausl.) — * In Melilla hat sich ein schweres Gefecht zwischen den spanischen Truppen und den Kabylen ereignet. sS. Ausl.) * Marquis Ripon, der frühere Vizekönigvon Indien, ist nach einem Telegramm aus London gestorben. Zwei Reden. Im Reichstage haben am Sonnabend zwei Redner ihre Ent schuldigungen vorgebracht. Als Vertreter des Reichskanzlers und der verbündeten Negierungen der Staatssekretär des Innern v. Bethmann - Hollweg und als Führer der Konservativen der Abgeordnete von Hcydebrand und der Lass, der endlich auf das Versteckenspielen Verzicht leistete, um der realen Verantwortung auch die formelle zu gesellen. Herrn v. Bethmann für seine Erklärung etwa persönlich verantwortlich machen zu wollen, wäre natürlich ungerecht. Er ist nichts als der Exekutionssunktionar des Bundesrats, hatte sich an die ihm vorgeschriebene Marschroute streng zu halten, und vielleicht war ihm sogar der Wortlaut der Rede diktiert worden. Was also zu dieser Erklärung zu sagen ist, trifft nicht ihn, sondern die Körperschaft, die man Bundes rat nennt. Es nützt nicht viel, mit dem BundeSrat, der Vertretung der tatsäch lich finanziell arg bedrängten Einzelstaaten, zu rechten. Ihm standen die rein materiellen und finanziellen Erwägungen über den sonstigen politischen, und manchen Regierungen, in denen das Zentrum auch nach den Wahlen von 1907 nicht aufgehört hat Trumpf zu sein, wird die neue Konstellation einen Stein vom Herzen g.wälzt haben. Der BundeSrat hat die ihm von den verbündeten Konservativen, Zentrums leuten und Polen bewilligten Steuern einstimmig angenommen. Er ist also über Bülows Leiche zur Befriedigung seiner Nöte gelangt. Da nun einmal die Entschlußkraft zur Auflösung des Parlaments nicht auSreichte und Fürst Bülow sich selbst zu opfern, der Not gehorchend, bereit war, kann man das immerhin verstehen. Ater es kommt da eine Stelle vor, die uns über das notwendige Maß hinauszugehen scheint, die ein Urteil in eigener Sache abgibt und zugleich auf die Zukunft ein Licht wirft. Es heißt da: „Die verbündeten Regierungen leisten in Gemeinschaft mit dem Reichstage dem Vaterland einen Dienst, den ihnen die Verantwortung für das Wohl des Landes auferlegt.* Auf die innere Unschlüssigkeit dieser Redewendung einzugehen, können wir unS versagen, ebenso wie auf den Mangel an Logik, der eine Tat zu preisen unternimmt, die von der Notwendigkeit diktiert sein soll. Aber ter Versuch, dem Reichstage, in Wirklichkeit also der neuen Mehrheit, einen Lorbeerkranz sür seine Taten zu überreichen, muß doch festgenagelt werden, und sei es nur wegen der Tatsache, daß dieses Lob den Slürzern des Kanzlers und BundeSratSpräsidenten erteilt wird. Nach dieser Erklärung wurde eS dem Abgeordneten von Hcydebrand und der Lass nicht schwer, die Rolle des Triumphators zu agieren, und gleich die Einleitung seiner sehr bemerkenswerten und für die nächste parlamentarische Zukunft grundlegenden Rede hallt ja wider von dem Jubel des Siegers. „Wir freuen uns" bildet die Einleitnng der ersten drei Sätze deS Redners, der ruhig noch ein viertes Mal sich gefreut haben könnte, nämlich über die Abschüttelung der Liberalen und die Wiedervereinigung mit dem Zentrum. Die wichtigsten Orientierungspunkte der Heydebrandschen Rede sind die: Die Konser vativen wollen Besitzsteuern Überhaupt nicht dem auS gleichen, direkten und geheimen Wahlen hervorgegangenen Reichstag zur Beschließung geben, da sie ihm nicht traue». Die Konservativen wollen das Zentrum nicht ausgeschaltet wissen. Sie wollen einer Aenderung deS Wahlrechts in Preußen keine unbedingte Feindschaft ansagen. Sie wollen auch den Liberalen ein Plätzchen an der Sonne gönne». So sagte Herr v. Heydebrand u. d. Lass, der Herr ist über alles politische Geschehen in Preußen wie (momentan) im Reiche. Die ersten beiden Offen barungen der konservativen Seele über ihre Schätzung des Reichstags wie des Zentrums sind unzweifelhaft der Ausdruck innerer Ueberzeugung. Bei den beiden letzteren, den Bekennlniffeu über preußisches Wahlrecht und Dulvung der Liberalen, darf man, um höflich zu bleiben, zum mindesten von einer schweren Ueberwindung tiefer Antipathien sprechen. Für die Zukunft das Wichtigste ist das offene Bekenntnis des konser vativen Führers, daß er die Verschiedenartigkeit konscroa'iver und liberaler Weltanschauung sür unübeiwindbar erklärt, daß er ferner den alten Block für eine unnatürliche Verbindung hält, daß er also aus seiner herzlichen Abneigung gegen die Liberalen kein Hehl gemacht hat. Damit ist wobl auch für die Zukunft neuen konservativ liberalen Kartellgedanlen der Boden entzogen, denn nach dieser Er klärung aufs neue eine Blockgrünoung im Sinne der Ianuarwahleu von 1907 zu versuchen, müßte Wohl zu den Utopien gerechnet Werren. Wir bedauern das nicht. Denn nach dieser Erklärung, die man doch in ihrem prinzipiellen Tnl als authentische Interpreiaiion konservativen Wollens und Denkens ansehen muß, waren die Konservativen überhaupt nur mit halbem Herzen bei der Blvcksache, und eine solche Verbindung kann keinen Bestand haben. Uns will es sogar scheinen, als wäre es bess.r gewesen, wenn schon damals, als wegen der Zentrums-Tyrannis der Reichstag ausgelöst wurde, die Konservativen erklärt hätten, sie machten eine Politik ohne das Zentrum nicht mit. Es wären unS manche Wirren erspart geblieben, und die Konservativen hätten sich einer Politik in gerader Linie rühmen können. Herr von H ydebrand will den Liberalen ein Plätzchen an der Sonne gönnen. Nicht einen Platz, sondern ein Plätzchen. Und wir glauben, ohne weiteres an die Berechtigung deS Diminutivs, daß nämlich dieses Plätzchen von Heydebrands Gnaden keine übertrieben großen Abmessungen zeigen wird. Er will sogar innerhalb der bürgerlichen Parteien allen Personen den Zutritt zu Amt und Würden offen lassen. Das ist überaus erfreulich. Wir erwarten nunnuhr, daß demnächst der erste liberale Landrat in Amt und Würden sitzt und dem erstaunten Volke gezeigt wird. Wir erwarten die Verteilung der Gardcoffiziere auf die Grenzregimenter und ihre Ersetzung durch Bürgerliche. Wir erwarten die Ent sendung des ersten Herrn Schulze als Botschafter, und wir erwarten noch so vieles andere, daß Herrn von Heydebrand u. d. Lasa über unsere Erwartungen die Augen übergehen würden. Mit dieser Redewendung hatte Herr von Heydebrand das Gebiet des Komischen glücklich erobert und damit den Uebergang gesunden zu seiner Abschiedsrede an den Kanzler. Dieser Teil der Rede strotzt geradezu von Komik, und Herr von Heydebrand hätte ruhig den bekannten Taler für den Gläubigen ausietzen dürfen, der das alles für bare Münze zu nehmen geneigt wäre. Herr von Heydebrand ist so gütig, dem Reichskanzler seine Stellung in der Erbansall-Steuer- srage zu verzeihen. Triumphatoren sind meistens in gnädiger Laune. Aber er dankt ihm auch sür die wirtschaftlichen Hilfen, und er nimmt ihm nicht einmal seine Absichten auf eine Aenderung deS Wahlrechts in Preußen übel. Soweit ist das alles noch humoristisch. Wenn er aber sagt: „Meine Freunde sind dem Kanzler zu Dank verpflichtet sür die männliche und feste Art, in der er so oft sür die Person deS Königs einge- treten ist...", so kann auch der loyalste Leser nichts anders als die bitterste Sottise und blutigen Hohn daraus lesen. Denn es ist nur allzubekannt, daß die Konservativen in der Haltung des Kanzlers aus jener Zeit, als die Novemberstürme das Land durchtobten, ein schweres Ver gehen gegen die Krone abkeiteten, und daß sie nur unter der Vor aussetzung, daß diese Haltung dem Fürsten Bülow auch höheren Ortes nicht vergessen sei, zum Stürzen des Kanzlers den Mut fanden. W r hätten im Interesse auch der Konservativen diesen Dank des Herrn von Heydebrand gern gemißt, denn große Parteien haben erst recht als regierende Parteien die Pflicht zur Einfachheit und Offenheit. Der kitzligste Punkt der konservativen Stellung ist und bleibt die Polensrage. Die Polen sollen nach dem konservativen Zeugnis aus rein sachlichen Gesichtspunkten dem Reiche die 500 Millionen bewilligt haben. Hierin liegt eine so ungeheuerliche Zumutung an die Harmlosigkeit aller Politiker, daß man sich schon in der Stellung eines Diltators befinden muß, um sie zu wagen. Und es traf sich gut, daß ein Pole in der Debatte die Gelegenheit be nutzte, um sofort ein Stück der polnischen Rechnung zu präsentieren. Den Konservativen muß doch ein Frösteln gekommen sein, als sie so prompt die Illustration zu der Selbstlosigkeit der polnischen Stimm abgabe vor sich sahen. Die Konservativen haben ihre Politik für die nächste Zukunst sestgelegt. Auch beim besten Willen werden sie sich den Zentrums- unv den Polenforderungen nicht entziehen können, und eS ist bezeichnend genug, daß sogar der kluge Herr von Heydebrand ein Zusammengehen mit den Liberalen nur in wirtschaftlichen Fragen gegebenenfalls in Aussicht gestellt bat. Damit wissen wir, daß unS eine Aera konservativ-klerikalen Geistes in Reiche beschieden sein wird, und wir haben die Hoffnung, daß diese Zeit dem deutschen Volke in aller Deutlichkeit seine große Aufgabe zeigen wird, nämlich die Befreiung von dieser neuen Koalition, deren Herrschaft unnatürlich und unheilvoll sein muß. Jur Ttrisis. Zum Kanzlerwechsel. Für den Fall der Ernennung des Staatssekretärs v. Betbmann- Hollweg zum Reichskanzler soll, wie die „Nat.-Ztg." hört, der jetzige Handelsminister Delbrück das Reichsamt des Innern übernehmen und seinerseits durch den Unterstaatssekretär v. Wermuth ersetzt werden. Graf Wedel in Berlin. Graf Wedel, der Statthalter von Elsaß-Lothringen, der am Freitag früh in Begleitung seiner Gemahlin in Berlin eingetrossen ist, machte, wie wir hören, vormittags Besuche bei Freunden und Bekannten, emp fing später im Hotel Bristol den elsaß-lothringischen Vertreter im Bun desrat Geheimrat Dr. Sieveking, frühstückte in seiner Gesellschaft und hatte hierauf mit Dr. Sieveking noch eine längere Unterredung. Den Nest des Nachmittags verbrachte der Graf im Hotel und erledigte Korre spondenzen. In den Abendstunden gab das gräfliche Paar an mehreren befreundeten Stellen neuerlich seine Karten ab und zog sich schon früh zeitig zur Ruhe zurück. Wie bestimmt verlautet, hat der Statthalter sonst mit keiner offiziellen politischen Persönlichkeit gesprochen. Graf Wedel hat am Sonnabend früh l^9 Uhr Berlin verlassen und sich über Warnemünde nach dem schwedischen Schloß Sturasundbi in Sederman- land, dem Stammschloß der Familie seiner Frau, einer geborenen Gräfin Hamilton, begeben. Er gedenkt sich dort sechs Wochen zu seiner Er holung auf Grund eines ihm vom Kaiser bewilligten Urlaubes aufzu halten. Nach Versicherung von bestunterrichteter Seite steht die Kandi datur des Grafen Wedel sür den Reichskanzlerposten nicht in Frage. Zur gefälligen Nnchnchtung. Der regierungsosfiziösen „Leipz. Ztg.", den parteioffiziösen konser vativen „Sächs. pol. Nachr." und allen anderen, die es angehr sein zur Be lehrung und zur Beherzigung folgende Ausführungen der binow-ofsiziöscn „Südd. Reichs-Korr." über die w a h r e n G r ü nd e des Rücktritts des Reichskanzlers abgedruckt, die sich inhaltlich mit den von uns gestern wiederholten früheren Auslassungen der gleichen Korrespondenz völlig decken: „In der konservativen Presse sucht man jetzt über die Nolle der Konservativen beim Rücktritt des Reichskanzlers mit Vorwürfen gegen den Fürsten Bülow Hinwegzukommen. Er gebe, so heißt es, das üble Beispiel, daß er sich durch parlamentarische Abstimmung in einer Einzelfrage aus dem Amt "drängen lasse. Es ist aber nicht die Mstim- mung an sich, das Nein der konservativen Partei in der Erbansallsteucr- frage, was dem Fürsten das Verbleiben unmöglich macht, es ist die durch dieseAbstimmungbesiegelte fundamentale Um wälzung in den Mehrheitsverhältnissen des Reichs tages. Freilich kann bei der Zerklüftung unseres Parteiwesens der Reichskanzler im allgemeinen die Freiheit für sich in Anspruch nehmen, mit wechselnden Mehrheiten die Geschäfte zu führen und die erforderliche Stimmenzahl von Fall zu Fall zu sammeln. Für den Fürsten Bülow aber mußte, nach seiner politischen Vergangenheit, unter den an sich möglichen Kombinationen eine Mehrheit unannehmbar sein, in der das Zentrum den Ausschlag gibt. Von einer solchen Mehrheit bat der Fürst sich und das Reich unter der Billigung und Mitwirkung aller na tional Gesinnten, voran der Konservativen, durch die Neichstagsauf- lösuny vom Dezember 1906 befreit, und gerade eine solche Mehrheit ist es wieder, die ihm unter Zurück st oßung der Liberalen durch das konservative Votum in der Erbschaftsstcuerfrage von neuem auf- gezwungen wurde. Diesem Zwange sich zu fügen, verbot dem Fürsten seine politische Ueberzeugung und seine persönliche Ehre. Es ist nicht richtig, wenn in diesem Zusammenhang behauptet wird, Fürst Bülow habe sich den Liberalen verkauft. Allerdings aber hat er sein Schicksal mit einem Zusammenarbeiten von Konser vativen und Liberalen an den parlamentarischen Aufgaben ver knüpft. Eine andere Grundlage für die Führung der Geschäfte mit dem Reichstage hatte Fürst Bülow nicht mebr. Das wußten die Konser vativen: sie wußten auch, daß, wer dem Reichskanzler diesen Boden unter den Füßen fortzog, ihn felbst zu Fall bringen mußte. Sie wußten es nicht bloß, wie hier schon einmal gesagt worden ist, aus ihrer Kenntnis der pvlitischen Lage, sie wußten es, yie heute hinzugesügt sein mag, auch durch ausdrückliche an sie gerichtete Mitteilungen des Kanzlers. Bereits imAprild. I. hat Fürst Bülow denFührernder Konservati ven auf das nachdrücklichste erklärt, daß er zurücktreten werde, wenn sie bei ihrer ablehnenden Haltung gegen die Erbfchaftssteuer beharren und dadurch eine für ibn un annehmbare politische Konstellation herbeiführen würden. Auch in der seitdem verflossenen Zeit hat es an deutlichen Hin weisen auf den Kanzlerwechsel als Folge einer Zertrümmerung des Blocks in der Frage der Ncichsfinanzreform nicht gefehlt. Die lebten Worte des Fürsten im Reichstage waren nicht mißznverstehen. D i e Konservativen konnten nicht überrascht sein. Sie durften von einem ehrliebenlden Staatsmann nicht denken: er hat zwar gesagt, er geht; aber er geht doch nicht." Eine Ueberficht über die neuen Steuern. gibt die „Neue pol. Korr". Die einzelnen Posten setzen sich, wie folgt, zusammen: 1) Neue Verbranchsstenern: Bier 100 Millionen Branntwein und Spiritus .... 80 „ Tabak - . 48 Kaffee und Tee 37 „ Zündhölzer ......... 25 „ Beleuchtungskörper 20 „ Schaumwein .<«,«« . . - 5 „ Sa. 310 Millionen Sie treffen mit Ausnahme der 5 Millionen aus Schaumwein die breiteren Massen. 2) Alte Stenern, die bestehen bleiben, während sie forifalleu sollten: Zuckersteuer 35 Millionen Fahrkartensteuer .... . ... 20 „ Sa. 55 Millionen 3) Stenern, die den Besitz treffen sollen: Aus Grundstücksübertragungen « « 49 Millionen Talonsteuer - , . 27^ „ Effekten- und Emissionsstempel . « 22Va „ Scheck- und Quittungsstempel . . . 12^ „ Wechselstempel .... . . . 7V2 „ Sa. 110 Millionen 4) Matrikularbeiträge 25 Millionen Rekapitulation: Verbrauchssteuern 310 Millionen Alte Steuern 55 „ Sog. Äesitzsteuern 110 „ Matrikularbeiträge , , , , , . . 25 „ Sa. 500 Millionen G Die auf 40 Millionen Erträgnis angcsrüwchene Grund stücks- übertragungsteuerfälltzukünftigfort. Nach der „Neuen pol. Korr." haben die verbündeten Regierungen sich bereit erklärt, bis zum Jahre 1912 eine Wertzuwachs st euer einzubringen, nach deren Emanierung 20 Millionen aus der Grundstücksübertragungssteuer sortfallen sollen, während die restlichen 20 Millionen pnri mit dem zunehmenden Ertrage der Wertsuwochssteuer fallen würden.