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für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sievenlehn und die Umgegenden. Wmtsölatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 4. Dienstag, den 14. Januar 1873. Sternschnuppen und Kometen. „Das ist's ja, was den Menschen zieret, Und dazu hat er den Verstand, Daß er in seinem Innern spüret, Was er da schafft mit eigner Hand!" Es Wird dem denkenden Leser nicht unwillkommen sein, wenn wir einmal ans dem Gewühle des politischen Alltagslebens heraustreten und einen bescheidenen Theil aus derjenigen Wissenschaft herausneh- men, die sich mit Erforschung der Himmelskörper und ihrer Eigen- thümlichkeiten beschäftigt und unter dem Namen Astronomie bekannt ist. Ist es doch unumstößlich nvthwendig, daß neben der Darbring ung von Speisen und Getränken für den Körper, auch der Geist in gleichem Maße mit Nahrung versehen werde, damit er nicht durch Verwahrlosung verkümmere, sondern die ihm von Gott verliehenen Fähigkeiten und Kräfte zu seinem und der Menschen Besten nützlich vcrwcrthe. Nach der von dem Mailänder Astronomen Schiaparelli aufge stellten Theorie findet der engste Zusammenhang zwischen Stern schnuppen und Lometen statt; für manche der nur mit Hülfe desTe- leskopes sichtbaren Kometen von verhältnißmätzig kurzer Umlaufszeit ist sogar die Identität mit periodischen Slrrnschnuppenschwärmen nachgewiesen. Die Entwicklungsgeschichte eines solchen Metevrschwar- mes ist nach unseren heutigen Anschauungen und in kurzen Umrissen etwa die folgende. Eine der zahlreich im Wrltcnraume zerstreuten sphärischen Massen (kosmischen Wolken) gelangt auf ihrer Bahn im Raume in den AuziehungSbcreich unserer Sonne, sie wird durch diese Anziehung in eine äußerst gestreckte elliptische Bahn gezwungen, in Welcher sie sich der Sonne mit zunehmender Geschwindigkeit nähert. Ist sie nun der Sonne so nahe gekommen, daß die Anziehungskraft derselben auf die nächsten Theile der meteorischen Wolke merklich ver schieden ist von der auf die entferntesten, so wird sich die Masse, die wir uns als Conglomerat getrennter, dunkler Elcmentarmasseu vor stellen, in der Bahnlinie auseinanderzichen; es werden vor der Haupt masse Theile vorhereilen, andere ihr nachziehem Trifft die Bahn der Erde mit der Bahn einer solchen meteorischen Wolke an einem Punkte zusammen und befindet sich zugleich die Erde selbst, wie die kosmische Masse nahe an diesem Kreuzzngspunkte, so werden in Folge der An ziehungskraft der Erde Theile der Meteorwolke aus ihrer Bahn heraus gelenkt, nach der Erde gezogen und können nun entweder die oberen Schichten der. Erdatmosphäre passiren und dann weiter im Raume gehen, oder direct nach der Erdoberfläche zu fallen und sind die so äbgelassenen Theile fester oder flüssiger Art, so werden sie sich durch den Widerstand, den sie in der Atmosphäre finden, erhitzen, selbst- leuchtend werden und bei günstigen Bedingungen vollständig ver dampfen oder verbrennen. Auf diese Art werden sie dem Beobachter als leuchtende, rasch sich bewegende, sternartige Punkte, d. h. als Sternschnuppen Erscheinen. Zwischen solchen fallenden Sternen (tztoUa eaäönäo, wie der Italiener sie passend nennt), den Feuer kugeln und den Meteorsteinen besteht nun ein Unterschied. Die Sternschnuppen sind von geringerer Dichtigkeit und Größe und zwar wahrscheinlich kleine getrorue Flüssigkeit-massen, wofür der Umstand spricht, daß sie sich vollständig in der Erdatmosphäre auflöscn (ver dampfen); die Feuerkugeln (Meteorsteine) sind dagegen bedeutend schwerer und größer; übrigens erscheinen letztere nur ganz vereinzelt und ihre Bahnen sind von denen der Metevrkometen (Sternschnuppcn- schwärme) wesentlich verschieden. Feuerkugeln werden unmittel bar zu Meteorsteinen, sobald sie auf die Erde fallen und die chemische Untersuchung der letzteren hat gezeigt, daß sie aus Elementen bestehen, die sämmtlich auch auf der Erde vorkommen (hauptsächlich aus Kieselsäure, Eisen, Magnesia, Olivia). Verfolgen wir die Hauptmasse der Meteorwolke in ihrer Bahn um die Sonne Weiler. Da diese Bahn eine äußerst langgestreckte Ellipse ist, so würde der Hauptschwarm erst nach Jahrtausenden oder Jahrmillionen zur Sonne und Erde zurückkehrcn; es ist »un aber möglich, daß, wenn derselbe auf seinem Wege einem der großen Planeten (etwa dem Jupiter) nahe kommt, die Bahn dergestalt durch die Anziehung einer so beträchtlichen Masse vermindert wird, daß eine Ellipse von relativ kurzer Umlaufszeit entsteht. Ein solcher Meteor- schwarm wird dann also dauernd dem Sonnensystem üngehören und wir werden ihn bei jeder Wiederkehr in die Sonnennähe wahruchmen können, so lange die Zerstreuung der Theile der Hauptmasse eine un bedeutende ist. Durch die oben erwähnte starke Anziehung der Körper unseres Sonnensystems (zunächst der Sonne selbst) Wird nun aber die ganze Bahn des Schwarmes mit einzelnen Theilchen erfüllt wer den, die Hauptmasse dadurch sich vermindern und schließlich ganz in einzelne Theile zerstreuen, die nun, wenn einer der Planeten, z. B. die Erde, in hinreichende Nähe kommt, als Sternschnuppen sichtbar werden. Der innige Zusammenhang von Kometen und Sternschnuppen besteht, kurz gesagt, darin, daß die Meteorwolke, sobald sie in grö ßerer Entfernung von Sonne und Erde sich befindet, (etwa 5 bis 80 Millionen Meilen) in Folge der Beleuchtung der einzelnen zusammen- gedrängtcn an und für sich dunklen Theile durch die Sonne uns als Komet und zwar mit Hülfe des Teleskops sichtbarer Komet erscheint; sobald sie der Erde sehr nahe kommt, dagegen die einzelnen getrennten Theile des Meteor-Kometen der Erde mächtig angezogen werden, in und durch die Atmosphäre stürzen, sich dabei bis zur Gluthitze er wärmen und als sogenannte Sternschnuppen sichtbar werden. — ; Eine solche Bewandtniß hat es z. B. mit den bekannten jähr lich wiederkehrenden Mctcorschwä vom 10.—12. August und vom 13.—14. November. Die Bahn des ersten Sternschnuppenschwarmes ist dieselbe mit der des 3. Kometen von 1862, der 124 Jahre Um laufszeit hat; die Bahn des zweiten fällt zusammen mit der Bahn des ersten Kometen von 1866.—WaS speciell den letzten betrifft, so hat derselbe eine Umlaufszeit um die Sonne von etwa 33Jahr. Am 13. bis14. Nov. jeden Jahres steht die Erde seiner Bahn so nahe, daß die längs derselben zerstreuten Theile des Meteor-Kometen beträchtlich mehr von der Erde als von der Sonne angezogen werden, auf diese Weise in die Atmosphäre gcrathcn und als Sternschnuppen erscheinen! Dagegen kommt der Hauptschwarm, die ursprünglich kosmische Wolke, an diesen Punkt der Bahn nur aller 33 Jahre und es wird hierdurch erklärlich, wie die auffallend großen Novemberfällc nur in solchen längeren Zeiträumen stattsiuden können; die drei letzten ereigneten sich 1799, 1833 und 1866—68. Zugleich werden wir auch nur aller 33 Jahre etwa diesen Hauptschwarm als Kometen wahrnehmen können, da er dann nur der Erde hinreichend nahe und von der Sonne hin reichend beleuchtet ist, um als solcher sichtbar zu werden. — Der am 27. November v. I. stattgefundene außergewöhnlich be deutende Sternschnuppenfall steht mit dem eben erwähnten in keiner Verbindung; er ist aber auf das Innigste verknüpft mit einem anderen bekannten periodischen Kometen. Die von verschiedenen Seiten angestellten Rechnungen haben nämlich ergeben, daß dieser große Meteorschwarm identisch sei mit dem Biela'schen Kometen. Der Bicla'sche Komet, von 6—7 Jahren Umlaufszeit, hatte schon bei der drittletzten und vorletzten Erscheinung (1846 und 1852) das merk würdige Phänomen einer Theilung in zwei Kometen, die in mäßiger Entfernung (etwa 300,000 Meilen) von einander liefen, geboten; 1859 konnte er wegen der Lage seiner Bahn nicht beobachtet werden; 1866, wo die Sichtbarkeitsverhältniffe sehr günstige wären, konnte er trotz eifrigen Suchens nicht aufgefundcn werden ; zuletzt wurde er im November v. I. wieder erwartet. Er ist nun gekommen; aber nicht als Komet, sondern — und möglicherweise zum letzten Male — als Sternschnuppenregen. Man darf annehmen, daß sowohl die 1846 zuerst beobachtete Theilung, wie das Ausbleiben 1866 durch die Ein wirkung der Erde auf seine Bcstandtheile verursacht WM sind;