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WsHenNM für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Sicbculehn und die Umgegenden. Amisölatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. ^7 3. Tagesgeschichte. Wilsdruff, am 9. Januar 1873. (Musikalisches.) Von hiesigen Musikfreunden aufgefordert, beab sichtigt der in der musikalischen Welt hinlänglich als Capazität be kannte Herr Stadtmusikdirector Hartmann aus Meißen allhier in der nächsten Zeit zwei Extra-Conzerte zu geben und zwar im Gast hof zum goldenen Löwen, infolge dessen Herr Gastwirth Krocke in den nächsten Tagen eine Snbscriptionsliste circulircn lassen wird, durch welche vorläufig das erste Conzert sowohl für Herrn Director Hartmann, als auch für Herrn Krocke gesichert werden soll. Wenn wir nun bedenken, welche Opfer es einem fremden Chore kostet, hier zu spielen, und ferner betrachten, daß von vielen Seiten der Wunsch nach einem gediegenen musikalischen Genuß oft geäußert wird, so müssen wir im Voraus der Zeichnungsliste einen außer ordentlichen Erfolg versprechen — und wollen es im Interesse Aller auch hoffen. — Anläßlich des goldenen Ehejubiläums Ihrer Majestäten hat die Vaterländische Lehrerschaft auf Anregung des Vorstandes des sächsischen Pestalozzivereins die Erinnerung an dies freudige Fest dadurch zu einer bleibenden zu machen gesucht, daß sie eine König-Johann-und Königin-Amalien-Stiftung im sächsischen Pestalozzivcrein aus eigenen Mitteln gründete. Die dazu ausgebrachte Summe betrug am 31. Decembcr 1872 schon 2106 Thl. 12 Ngr. 5 Pf. Die Zinsen sollen Theils zu Stipendien für verwaiste Lehrersöhne, theils zu Aus stattungen verwaister Lehrertöchter verwendet werden. In Dresden sind im Jahre 1872 an neuen Wohngebäuden 349 (105 mehr als 1871) ausgcsührt worden. Welch riesige Ausdehnung der Zwickauer Kohlen-Dergbau erlangt hat, geht deutlich aus der vom königl. sächsischen Finanz-Ministerium veröffentlichten statistischen Uebersicht über den Betrieb der sächsischen Staatsbahnen im Jahre 1871 hervor. Das Gcsammtausbringen an Steinkohlen betrug darnach in Sachsen in dem genannten Jahre 56,616,390 Centncr. ' Davon entfielen auf die Werke bei Dresden (Plauenscher Grund) 12,133,212 Centner, auf die Werke bei Zwickau 40,151,673 Centner, auf die Werke bei Lugau 4,331,495 Centner. Nach der Station Leipzig für den dortigen Localverbrauch wurden versandt von den Werken bei Zwickau 3,843,400 Centner, aus den Werken bei Lugau 55,000 Centner. Chemnitz empfing aus den Werken bei Zwickau 2,219,000 Centner, aus den Werken bei Lugau 1,527,500 Centner, aus den Werken im Plaucnschen Grunde 38,700 Centner, im Ganzen 3,785,300 Centner. Am 2. Jan. d. I. Vormittags trug sich in Glashütte folgender sehr bedauerlicher und erschütternder Unglückssall zu. Eine Frau, Wöchnerin, trug ein kleines Gesäß mit Wasser aus der Stube in den Hof, um es in die Düngergrube, welche mit Bietern bedeckt ist, zu gießen. Als sie mit dem einen Fuß auf die Brelcr tritt, geben diese nach, weichen zurück, die Frau kommt zum Fallen und zwar so, daß sie mit dem einen Bein in der Grube liegt. Sie erhebt sich zwar wieder, vermag auch noch in's Haus herein zu gehen, war aber in Folge des starken Blutverlustes nach '/» Stunde eine Leiche. Neun verwaiste Kinder trauern mit dem niedergeschlagenen Vater um die gute Mutter. Am 6. Nachmittag ward die selig Entschlafene, ihr dreiwöchentliches Kind, welches der treuen Mutter am 5. Jan. im Tode nachgefolgt war, im Arme ruhend, unter großer Theilnahme und Vieler Thränen dem kühlen Schooß der Erde übergeben. Wie von zuverlässiger Seite mitgetheill wird, hat sich in dem Dorfe Langenau bei Freiberg das Scharlachfieber unter den Kindern so eingenistet, daß von heule ab die Schulklassen geschlossen werden müssen. Berlin, 7. Januar. Wie dem „Börs.-Cour." von gut unter richteter Seite mitgctheilt wird, hat der Kaiser von Oesterreich ans Anlaß der jüngsten Gramont'schcn Enthüllungen ein Schreiben an " -" -^'lbelm gerichtet, welches bestimmt sein soll, eine Trübung 1873. der guten Beziehungen der Cabinette von Wien und Berlin, wie sie in Folge jener Enthüllungen möglich wäre, zu vermeiden. Der österreichische Botschafter, Graf Carvlyi, hat sich seines Auftrages, den Brief persönlich zu übereichen, bereits entledigt. Man hört aus Berlin, was man nicht zu hören erwartete und wird milder in seinem Urtheile über römische Dinge. Der evange lische Prediger vr. Sydow ist durch das Urtheil des Consistoriums wirklich seines Amtes entsetzt worden und bereits desselben enthoben. Dieses Urtheil wurde mit 5 gegen 4 Stimmen gefällt. Ueber das Urtheil ist kein Wort zu verlieren. Daß ein Alaun, der seit mehr als 50 Jahren zu den gebildetsten und geacktetsten Geistlichen Ber lins zählte, dem seine Gemeinde bis zu dem heutigen Tage auf das Wärmste anhängt und der heute dasselbe lehrt, was er vor 50 Jah ren gelehrt hat, am Abend seines Lebens seines Amtes verlustig er klärt werden kann, — das ist ein arger Rückfall in die Mühlersche Zeit. Dem abgesetzten Prediger Sydow ist von einem Ungenannten, sofort nach Bekanntwerden seiner Amtsenthebung die Summe von 15,000 Thlrn.! zugesendet worden. Herr Prediger Sydow Will, so lange er lebt, die Zinsen des Capitals annehmen, nach sei nem Tode sich aber Vorbehalten, über das Capital zu Gunsten milder Stiftungen zu verfügen. Die Hutmacher in Berlin sind mit dem neuen Polizeipräsidenten v. Madai nicht zufrieden. Es gehörte bisher zu den berechtigten Eigcnlhümlichkeitcn der Sylvesternacht, daß der süße Pöbel allen, die sich auf der Straße, namentlich unter den Linden, sehen ließen, den Hut auf den Hals schlugen und andern oft sehr bedenklichen Unfug trieben. Diesesmal aber hat's nicht einen eingetriebcnen Hut und nicht einen Verwundeten und Verhafteten gegeben, denn dec Polizeipräsident hatte die energischsten Polizeimaßregeln gegen den Unfug getroffen und sogar Aerzte und Verbandstellen für die Ver wundeten bestellt und, was die Hauptsache war, öffentlich bekannt gemacht. Unfehlbar und doch verblendet. Die Anrede, welche am 23. Dec. der Papst an das Consistorium der Cardinälc und Priester gehalten hat, enthält nach scharfen und boshaften Ausfällen auf die italienische Negierung auch ein Kapitel über Deutschland von so feindseliger und verletzender Art, daß es nicht möglich ist, die (lateinisch gesprochenen) Worte deutsch wieder zu geben, und mehrere deutsche Zeitungen, die das wagten, sind con- fiscirt worden. Man fragt sich verwundert, wie auf einmal der Papst in einen so heftigen, maßlosen Zorn gegen Deutschland gera- then ist, der ihn sogar alle Regeln des Anstandes und der Schicklich keit unserm Kaiser gegenüber vergesse» und überschreiten läßt. Die Beziehungen zwischen dem deutschen Reich und der römischen Kirche sind ja längst durch Verträge fcstgestelll; nur da, wo von Nom aus diese Verträge überschritten worden sind oder wo die Gefahr vorlag, sie könnten überschritten werden, da haben die neuen Reichsgesetze eine feste Schranke gegen alle Anmaßungen von jener Seite her ge zogen. Das allein würde schwerlich ein Anlaß für den Papst ge wesen sein, in einer Weise ausfällig gegen die deutsche Reichsregier- uug zu werden, die allen diplomatischen Beziehungen ein Ende macht; es müssen andere Gründe vorwalten, um einen so tief einge- sressenen und so bitter kund gegebenen Ingrimm zu erklären. Zu allerest dürfen wir nicht vergessen, daß hinter dem Papste die Jesuiten stecken; das stimmt zwar nicht sehr mit der Unfehlbar keit, aber es ist doch wahr. Und damit ist sehr viel, wenn nicht Alles erklärt. Die Jesuiten haben, sei es im guten Glauben, sei es aus Berechnung, seinerzeit dem Papste Hoffnung gemacht, die deutsche Reichsregiernng werde ihm wieder zu feinem Kirchenstaat verhelfen, diese Hoffnung ward sebr getäuscht und die psychologische Erfahrung, daß der Mensch nichts so wenig verzeiht und nichts so schwer vergißt, als getäuschte Hoffnungen, erfüllte sich an dem Papste sehr bald. Freitag, den 10. Januar