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Publikum sagen, daß Girod lediglich seiner derangirten finanziellen Verhältnisse halber, worüber sein Musikchor selbst an zuständiger Stelle Beschwerde erhoben, den Abschied nehmen mußte und das; die Nachricht bezüglich Trenklers eine rein aus der Luft gegriffene Lüge ist. Wir halten es für eine Pflicht jedes anständigen Preßorgans, derartigen Entstellungen, lediglich auf eine Verdächtigung hiesiger Verhältnisse berechnet, die Larve abzureißcn. Wie kann die Presse Glaubwürdigkeit beim Publikum beanspruchen, wenn sie selbst so we nig Wahrheitsliebe kund giebt? Am 23. August wurde in Dresden das Denkmal, daß auf dem Neustädter Kirchhofe zum Andenken an die 1870 und 71 ver wundeten und später in den Lazarethen verstorbenen Krieger errichtet ist, von Seiten des Evmitos feierlich an die Vertreter der Kirche übergeben. Das „Dresd. Journ." berichtet: „Aus Anlaß der Feier des 2. September wird an diesem Tage die Kanzlei des Ministeriums des Innern Nachmittags geschlossen bleiben, und es ist den Kreisdirec- lioncn anheimgcgeben worden, ihrerseits eine gleiche Anordnung zu treffen." Riesa, 25. August. Am gestrigen Tage fand in der festlich ge schmückten Stadt Riesa der Congreß der sächsischen Gewerbe- und Handwcrkervereine statt. Als Vorsitzender fungirte Kaufmann Walter aus Dresden. Das Referat über die gestellten Anträge hatte Handels- kammersecretär Du. Roscher-Zittau übernommen. In ausgezeichneter Weise schilderte der bewährte Freund des Gcwerbestandes die un günstigen socialen Verhältnisse der Kleingcwerbtreibenden, beleuchtete die Ursache derselben und besprach sodann die Mittel, durch welche dem Kleingewerbe Hilfe verschafft werden kann. Schließlich beleuchtet der Referent die Stellung der Gcwerbevereine zur Socialdcmokraüe. Er verlangte größere Rührigkeit bei Wahlen und in Vereinen, be tonte, daß die Gegensätze zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ge mildert werden möchten und legte die Pflege der Ideale, Vaterlands liebe, Religiosität rc. dringend ans Herz. Der Congreß erklärte sich nach gründlicher Verathung für gesetzliche Einführung der Arbeits bücher, Gestattung der Lohnbeschlagnahme, Bestrafung des Eontract- bruches und Einführung gewerblicher Schiedsgerichte. Weiter Winde die Lehrlings- und Fortbildungsschulfrage, die schwindelhaften Aus verkäufe und die Errichtung einer Ccntralstelle für Muster, Modelle für Handel und Gewerbe besprochen. Anträge, die Abschaffung des Hausirhandels, Einführung der Lehrlingsprüfungcn, Eulnchlung von Abgaben seitens der AuSvcrkäufer an die Stadtcassen wurden'abgc- lchnt. Schließlich wurden die Gcwerbevereine zur Prüfung der Steuer-Vorlagen uud zur regen Vcthciligung an der im Sommer 187S zu Dresden stattsindendcn Industrieausstellung aufgcfordert, wobei der Präsident Walter seine Ideen über derartige Ausstellungen mitthcilte. Die Beschlüsse sollen dem Ministerium des Innern und dem Reichs tage unterbreitet werden. Als Vorort wurde Dresden gewählt.^ Wodurch muß sich denn nur der hochachtbare Kaufmann stand und die Lehrthätigkeit der Professoren, wovon gerade Leipzig her vorragende Beispiele aufzuweisen hat, das Mißfallen des sozialde mokratischen „Leipziger VvlkstaatS" zugezogen haben? Derselbe hält sich zu folgenden harten Aussprüchen berechtigt: „Das Bischen Be rechnen, Herumschnüffeln, Uebcrlisten u. s. w., was das ganze Wesen des Kaufmanns ausmacht, Wird man doch nicht für eine geistige Leistung ausgeben wollen? — Das gesammte Kaufmannsthum ist nur ein höheres Packträgerthum, wobei unter dem „höheren" nur das Feinleinenoberhemd zu verstehen ist, das jenes vom eigentlichen sogenannten Packträgcr trennt. — Das Aushorchen, Uebcrreden, Ueberlistcu Anderer ist das ganze geistige Handwerkszeug des Kauf manns." — „So wenig eine Schwalbe einen Sommer macht, so we nig kann die wahrhaftige Wissenschaftlichkeit eines Professors den Makel abwaschen, der die Spccies befleckt. — Die Wissenschaft eines Professors unterscheidet sich von der Kenntniß eines Handlangers, wie sich ein Malter Hülienfrüchte von einem Viertel Erbsen unter- scheioel". — ES ist sonach die höchste Zeit, daß der Volksstaat mit reformatorischen Plänen hervortritt, damit der Handel und die Uni versität Leipzig nicht elend zu Grunde gehen. Aus Schwarzenberg schreibt man: Ein Unglück kommt selten allein! In Breitenbrunn, dem kürzlich durch Brandunglück heimge- fuchtcn Orte, ist unter den Kindern, namentlich unter denen der Ab gebrannten, eine Masern-Epidemie ausgebrochcn, die mit rapider Ge schwindigkeit um sich greift und fast täglich ihre Opfer fordert. Die Wohnungen der Abgebrannten — hölzerne Baraken — sind Brut stätten der Krankheit. Die Kinder, an eine kräftige Kost nicht ge wöhnt, sind nach dem Zeugniß des Medicinalrath körperlich so wenig geeignet, die Krankheit mit günstigem Erfolg zu bestehen, daß erst künstliche Reizmittel — Cognac, Rvthwein — angewandt werden müssen. Die Schulen sind geschlossen. Hilfe thut hier doppelt und schnell noth! Am Nachmittag des 22. August in der 4. Stunde ist in der Brauerei zu Glashütte Feuer ausgebrochcn und hat schnell eine solche Ausdehnung gewonnen, daß binnen Kurzem 7 Wohnhäuser nieder brannten. Auch die Schule war in großer Gefahr, da sie hart an die Brauerei anstößt. ' In Paris. Novelle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) „Ich glaube," sagte llr. Aubert ruhig, „daß unser Charlatan auf dem Thron die neue spanische Frage nur erfunden hat, um die bereits wieder sehr unruhig gewordenen Gemüther ein wenig zu be schäftigen." „Aber Ihre Landsleute fordern beständig eine Revanche für Sadowa", warf Leonhard ein, „und Ihr Kaiser wird am Ende die Gelegenheit benutzen, um einen Streit vom Zaune zu brechen." „Ich hoffe, daß sich dieser ewig brütende Mephisto die Sache doch zweimal überlegen dürfte", erwiedcrte Aubert, „die beiden großen Nationen haben Besseres zu thun, als sich gegenseitig durch einen blutigen Krieg zu vernichten. Wir Republikaner besonders sehnen uns wahrhaftig nicht, die deutsche Nation zu bekämpfen, die so viel Hohes und Schönes hervorgcbracht; unsere Aufgabe ist eine weit andere." Seine leuchtenden Augen ruhten dabei auf Agathens, die seinen Worten mit klopfendem Herzen lauschte. Hatte er nicht ihr diese unbefangene Auffassung deutscher Verhältnisse zu verdanken? Als sie noch ungestört mit einander plaudern konnten, hatte Agathe mit großer Lebhaftigkeit ihm deutsches Leben und deutsche Gesinnung geschildert und damit manche Vorurtheile bei ihm beseitigt. „Ah, Sie meinen, daß Sie den Usurpator zu beseitigen haben?" fragte Leonhard lebhaft. „Das wäre freilich die glücklichste Lösung und sicherte am besten Len Frieden Europas; aber geben Sie sich keinen trügerischen Hoffnungen hin; wie ich die Dinge hier aus eigener An schauung beurtheilen gelernt, glaube ich nicht an den Erfolg irgend eines Äufstandcs." „Vielleicht haben Sie Recht," entgegnete Or. Aubert artig, weil Sie die Sache als Fremder ruhiger und unbefangener beobachten, aber gönnen Sie uns wenigstens die Hoffnung, daß es uns endlich doch gelingen wird, das Joch abzuschüttelu, das dieser Abendteurcr auf uns gelegt hat und deshalb erwarten wir, daß er jetzt Geister hcraufbcschwören wird, die er dann felbst nicht mehr zu bannen vermag." „Ja, ich weiß, Ihre Partei drängt hauptsächlich deshalb so eifrig zum Kriege, um Louis Napoleon zu stürzen." „Wir wünschen nicht den Krieg, diese furchtbare Geißel der Völ ker, und der alle Tyrann ist viel zu feig, um alles Ernstes einen Krieg mit Deutschland zu beginnen, er will mit dieser neuen Frage unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, nichts weiter, nur fürchte ich, daß seine kleinen Mittelche», mit denen er bisher so viel Erfolg gehabt, nicht mehr verfangen. In Wahrheit ist cs ihm gar kein Ernst mit dem Kriege und doch können ihn die Dinge weiter treiben, als er ahnt, und wenn er wirklich noch zurückwcichcn wollte, nachdem er einmal die nationalen Leidenschaften entfacht, ist es zu spät; dann muß er vorwärts oder sein Thron fliegt in die Luft." Leonhard schwieg. Er hatte gehofft, daß sich I)r. Aubert als Schwärmer erweisen, der gloire-trunkcn schon von französischen Siegen träumen Würde und nun zeigte er auch in politischen Dingen eine Ruhe und Besonnenheit, die ans Agathe gewiss den allergünstigsteil Eindruck machte; denn trotz ihrer großen Jugend war ihr scharfer Verstand allem Excentrischen abgeneigt. Was war zu thun? Alle Versuche Leonhard's dem jungen Arzt eine Blöße nbzulockcn, waren gescheitert. Armer Georg! Wie herzlich er ihm auch zugcthan war, mußte er's doch aufgeben, den glücklichen Nebenbuhler in eine un günstigere Beleuchtung zu rücken. Und jetzt ruhten die Augen Agathens förmlich kalt und fremd anf dem Bender. Sie schien es herauszu- sühlen, daß Leonhard bemüht war, den Charakter des seltenen Mannes zu verdunkeln. Warum sollte cr sich länger in einem solch' gchässigtcn Lickte zeigen, da cs dem Freunde doch nichts half? Er stand rasch entschlossen auf, empfahl sich heut freundlicher als gewöhn lich dem Doctor, nickte Agathen lächelnd zu und wünschte seinem Vater herzlich einen guten Morgen, der kühl und trocken wie immer, den Gruß crwicdcrte. Agathe athmete auf, sie konnten wieder einmal noch einige Minuten alleiit plaudern und diese Augenblicke waren ihr jetzt so kostbar. Es war Beiden, als seien sie von eincm Bann erlöst. Nun erst fühlten sie, was sie entbehrt, und gerade diese vorübergehende Stockung ihres Ideenaustausches führte die Seelen näher aneinander, als je zuvor. Jetzt wurden sie cs sich bewußt, wie viel sie sich noch mitzutheilen halten und wie belebend das Glück war, das ihnen aus ihrer Unterhaltung entgegenblühte. . . . Leonhard fand sich auch am andern Tage nicht wieder ein; seine Aufmerksamkeit wurde plötzlich nach einer andern Seite hingelenkt. Die Großmutter Blanche's war erkrankt; die Geliebte mußte zur Pflege der alten Frau zu Hause bleiben und nun fand cs Leonhard weit angenehmer, mit vor dem Bette der Kranken zu sitzen, und da bei die Zärtlichkeit und Aufopferung Blanche's zu bewundern, als mit Ur. Aubert zu streiten. Wie liebenswürdig, wie herzensgut erschien ihm Blanche auch unter den neuen Verhältnissen bei der Pflege einer alten kranken Frau, die jetzt, seitdem sie ans Bett gefesselt worden, all' ihre gute Laune verloren und mit der ganzen Reizbarkeit und Ungeduld eines Neulings im Kranksein, die Geduld ihrer Enkelin durch tausend Klagen und Nörgeleien auf eine sehr harte Probe setzte. Aber Blanche zeigte jetzt erst den edlen Kern ihres Wesens, sie war unermüdlich, die sich oft widersprechenden Wünsche der Großmutter zu erfüllen, und doch blieb ihr immer noch Zeit, mit dem Geliebten ein Wort, einen Händedruck auszutauschen, der wie in einemZauberbann, stundenlang in dem kleinen engen Krankenzimmer verharren konnte, nur um Blanche zu sehen, all' ihre Bewegungen, ihr geschäftiges Trei ben zu beobachten. Bei jeder Gelegenheit kam die Tiefe ihres Ge- müthes zur Erscheinung; nirgend verrietst sie jene Schwächen und Fehler, die man gewöhnlich ihren Landsmänninnen zum Vorwurf macht, sie war ein einfaches, unverdorbenes Kind des Volkes, das sich noch