Volltext Seite (XML)
Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sievenleyn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Dieser Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstagrund Freitags und kostet vierteljährlich IO Ngr. — Jnseratenannahme bi« Montag resp. Donnerstag Mittag. ^64. Dienstag, den 18. August 1874 Verordnung, die Einschärfung der für das Maaß- und Gewichtswesen bestehenden Vorschriften und die Bestrafung von Zuwiderhandlungen betreffend. Obschon die Maaß- und Gew'chtsordnung des deutschen Reichs bereits seit dem 1. Januar 1872 vollständig in Kraft getreten, ist doch mehrfach wahrzunehmen gewesen, daß den Vorschriften derselben nicht allenthalben gehörig nachgegangen wird. Insbesondere werden noch öfter Waaren nach altem, dem angezogenen Gesetz nicht entsprechendem Maaß und Gewicht angeboten oder gesucht, und läßt sich hier nach annehmen, daß auch beim Verkaufe dieser Waaren noch unzulässige Meß- und Wäge-Instrumente angewendet werden. Das Ministerium des Innern sieht sich hierdurch veranlaßt, auf die Vorschrift in Artikel 10 der Maaß - und Gewichtsordnung, nach welcher zum Zumessen und Zuwägen im öffentlichen Verkehr nur in Gemäßheit dieses Gesetzes gehörig gestempelte Maaße, Gewichte und Waagen angewendet werden dürfen, sowie aus die Bestimmung in H 369 Abs. 2 des Strafgesetzbuchs für das deutsche Reich, welche Gewerbtreibendch bei denen ein zum Gebrauche in ihrem Gewerbe geeignetes, mit dem Stempel eines Eichungsamtes nicht Versehenes Maaß oder Gewicht, oder eine unrichtige Waage vorgefunden wird, oder welche sich einer anderen Verletzung der Vorschriften über die Maaß- und Gewichts-Polizei schuldig machen, mit Geldstrafe bis zu 30 Thlr. oder mit Haft bis zu vier Wochen bedroht, hierdurch nochmals hinzuweisen. , Alle Wohlsahrtspolizelbehörden aber werden angewiesen, über die genaue Beobachtung der für das Maaß- und Gewichtswesen geltenden Bestimmungen pflichtmäßig Obsicht zu führen und Zuwiderhandlungen zur gesetzmäßigen Ahndung zu bringen. Dresden, am 31. Juli 1874. Ministerium des Innern. von Nostitz-Wallwitz. Fromm. > .. v Tagesqeschichte. München. (Sang er fest.) Zweiter Festtag, Sonntag. Trotz des grauen Himmels und der zeitweisen Regengüsse bewegten sich schon um 6 Uhr Morgens zahlreiche Mcnschcnmaffen durch die Stra ßen. Um 7 Uhr nahmen 50 Feuerwehrmänner und ebcnsoviele Tur ner Aufstellung vor dem Nachhause, in dessen Saale die Fahnenträger zur Abholung ihrer Fahnen sich einfanden. Um 7 Uhr marschirte der Fahnenzug vom Nathhause ab. Vier Musikchors und die Mün chener Sänger geleiteten die 400 Fahnen, von denen eine schöner war als die andere, durch die Stadt in den Glashalasi. Dort wur den die Fahnen entsprechend aufgestellt; darauf entwickelte sich ein buntes Leben und Treiben im Glaspalast. Um 9 Uhr begann die Hauptprobe kür die erste Festproduclion. Das Sängerpodium, so riesig groß es auch ist, war dicht besetzt von Sängern. Auch zahl reiches Publikum hatte sich cingefunden. Nach der Probe wurde zu einer Ovalion für die Componisten und Dirigenten F. Lachner, Fr. Wülluer und Dr. Faißt angestimmt. Diese drei hielten, obwohl die Probe volle 4 Stunden währte, wacker auS. Um 3 UhrNach- ^^'Üproduction. Von den höchsten Herrschaf- kk. HH. die Prinzen Ludwig, Leopold ^'.'.uessinncn Ludwig und Gisela. Das Sanger-Podium und ^He Raume der Festhalle waren dicht gefüllt; es mögen wohl cnca 16000 Personen zugegen gewesen sein. Zum Beginne der Produktion brauste ein vicltausendstimmiger Chor, der von dem Vorstande des Festausschußes Dr. E. Fentsch gedichtete und Fr. Schmidt componirte Festspruch: „Vaterland, unser Hort, Hell das Lied, Frei das Wort, Kühn die That, Gicb Gott uns die Gnad" durch die Halle. Hierauf hielt der Vorstand des Festausschusses die Festrede. Nach der Festrede begann das Concert; unter der sichern und strammen Leitung dor Herren Prof. I. Faißt aus Stuttgart, der in der ersten Abtheilung den Dirigcntenstab führte und Hof-Kapellmeister Wüllner von München, der in der zweiten Abtheilung dirigirte, brachte der vieltausendstimmige Chor sämmtliche Nummern des Programms zur glücklichsten Durchführung. Die Musikbegleitung wurde durch ein in der Mitte des Podiums aufgestelltes und aus den hiesigen Regi- vtentsmusiken gebildetes Bläsercorps von 160 Mann executrrt. Das Concert war zu Ende, der Glaspalast wurde gänzlich ge räumt. Aber schon eine Stunde später zogen die Sänger wieder zur Festhalle, um hier zu kneipen, da der Festzug zur Bavaria auf Mon tag verschoben wurde. In der Festhalle spielte ein großes Musikcorps. Der Tempel war förmlich überfüllt; da das Hofbräuhausbier vor trefflich mundete, so war die allgemeine Fröhlichkeit eine hochgradige Seworden, als gegen 9 Nbr der Reichstags-Abgeordnete Justizrath Dr. Maher aus Thorn dem König von Bayern eine Ovation durch eine zündende Ansprache bereitete, welche mit einem Hoch auf den König fchloß. Dasselbe wurde mit begeistertem Jubel ausgenommen. Dr. Gerstner aus Regensburg bestieg nun ebenfalls die Tribüne und brachte als „Bayer" ein Hoch auf den Bayeruköuig aus. Es folgten dann Toaste auf die deutschen Dichter und der Vorstand des Sänger bundes der Oberlausitz schlug vor, das „Brüder, reicht die Hand zum Bunde" zu singen, welcher Vorschlag mit Jubel ausgenommen wurde. Verschiedene Sängerbündnisse hielten vom Podium herab Einzelvor träge; einen wahren Niesensturm des Beifalls rief das unübertreff liche Jodeln der Tyroler und eine darauf von ihrem Vorsitzenden ge haltene Rede hervor. Um 1 Uhr Nachts wurde die Festhalle geräumt und nur ungern trennten sich die Sänger aus den finstern Räumen um ihre Quartiere aufzusnchen. Dritter Festtag (Montag). Der erwünschte heitere Himmel lockte die Sänger schon in den frühesten Morgenstunden aus ihren Quartieren. Schaarcnweise begleiteten sie die Mustkkorps, welche um 6 Uhr Morgens zur Tagreveille die Stadt durchzogen. Das Ge wühl in den Straßen hat eher zu- als abgenommcn. Um 9'/s Uhr begann im Glaspalaste die Probe für die zweite Festproduktion, wo zu sich die Sänger viel spärlicher cingefunden hatten, als in der ersten. (Dem Publikum war auch zu dieser Probe der Zutritt gegen Entree gestaltet.) Die Componisten einzelner Gesangswerke, Fr. Gernsheim, Vincenz Lachner, I. Faißt, I. Herbeck und Jos. Bram bach, wurden von den Sängern mit lauten Zurufen begrüßt. In der Festhalle waren bereits mehrere Photographen mit der Abnahme dkL hervorragendsten Theile befchäftigt. Um 3 Uhr Nachmittags be gann vor einer eben so zahlreichen Hörerschaft wie Tags voher (unter welcher sich die Bürgermeister und Gemeindccollegien von München und viele musikalische Celebritäten befanden) das zweite Concert mit dem „Kaisermarsch" von Richard Wagner, vortrefflich ausgeführt. Nach dem Kaisern'arsch betrat der zweite Bürgermeister der Stadt München, I)r. Widenmayer, die Tribüne und hielt mit gewaltiger Stimme eine von Patriotismus begeisterte Rede, die mit einem Hoch auf den deutschen Kaiser und das deutsche Vaterland schloß. Hierauf wurde ein Telegramm verkündet, in welchem S. M. der König den in München versammelten Sängern für die gestern dargebrachtc Ovation huldvollst dankte und wurde diese Nachricht mit stürmischem Jubel ausgenommen. Sodann folgten die weiteren Piecen des Cou- certes, darunter Solovorträge der Berliner und-Dresdener Sänger vereine. Einen gewaltigen Eindruck machten die Chöre mitOrchester „die Allmacht" von Vincenz Lachner und „Siegespsalm" von Faißt. Beide Componisten dirigirlen ihre Werke selbst. Ebenso Herbeck seinen herrlichen Waldgesang mit Hörncrbegleitung, der auf stürmisches Verlangen wiederholt werden mußte. Als der Bundesmeister des