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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Ticbcnlch» und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Diese» Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags und kostet vierteljährlich 10 Ngr. — Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag. -^ 62. Dienstag, den 11. August 1874^ Bekanntmachung, das Fahren durch das Georgenthor betreffend. Um die vielfachen Verkehrsstörungen thunlichst zu beseitigen, welche daraus erwachsen, daß die Durchfahrt durch das Georgenthor gegenwärtig sowohl den vom Schloßplatze, als den von der Schloßstraße kommenden Fuhrwerken gestattet ist, sieht sich die unterzeichnete Königliche Polizeidirection veranlaßt, Folgendes anzuordnen: Vom 15. laufenden Monats ab ist die Benutzung der gedachten Durchfahrt in der Richtung vom Schloß, platze nach der Schloßstraße während der Stunden von früh 8 Uhr bis Abends 1V Uhr für alle Personen und Lastfuhrwerke, mit Einschluß der Handwagen und Handschlitten, Kinderwagen, Karren, Tragen und der mit klei neren Zugthicrcn bespannten Gefährte, in'gleichen sür alle Reiter und Führer von Thieren bis auf Weiteres verboten. Es bleibt sonach die Benutzung der fraglichen Durchfahrt innerhalb der vorbezeichneten Stunden nur noch den von der Schloßstraße kommenden Geschirren, einschließlich der Handwagen u. s. w., Reitern und Führern von Thieren gestattet. Zuwiderhandlungen gegen vorstehende Bestimmung werden mit Geldstrafe bis zu 20Thlrn. oder Haftstrafe bis zu 14 Tagen nach Maßgabe von 8 306, No- 10 des Strafgesetzbuchs und §8 18 f. der Bekanntmachung, den Fahr- und Reit verkehr betreffend, vom 8. Juli 1873 bestraft. Dresden, 5. August 1874. Königliche Polizeidirection. 'A. Schwaust. Dttp. Tagesgcschichte. Dem Bischof Marlin von Paderborn ist nun endlich sein sehn lichster Wunsch erfüllt worden: er ist am 4. August ans 18 Wochen in das Gefängniß abgeführt worden. Er kann da in aller Zurück gezogenheit die Maigefetze gründlich studiren. Gewundert hat er sich blos, daß die Paderborner so ruhig dabei blieben und selbst kein Hahn darnach krähte. In einem Rückblicke auf die deutschen Siege im Jahre 1870 weist die National-Zeitung auf die merkwürdige Erscheinung hin, daß Frankreich in dem Manne, den wir zweimal besiegten, bei Wörth und Sedan, seinen Retter feiert und den Degen als Shmpol der Macht verehrt, den wir in den Staub schlugen. Wenn eitle Ruhmsucht bet uns gediehe, wir könnten uns dieses Triumphes freuen. Aber nicht die Niederlage des Erbfeindes ist es, die uns das Herz höher schlagen läßt, wir feiern Spicheren und Wörth als die Grund- steine zum Bau unsers Reiches. - Die in jenen blutigen Kämpfen fielen davontrugen, haben nicht für ein Phantom der Weltherrschaft gelitten indem sie sür das Vaterland starben und bluteten, haben sie es zugleich gegründet. „Wenn je eine blutige Saat, so ist diese herrlich aufgekeimt; keinem Allexander und keinem Cäsar ist sie gereist, sondern wie den Hellenen die Aussaat von Sala mis und Platää, dem ganzen Deutschen Volke und einer neuen Aera der Welt." Das Bezirksgericht Aschaffenburg vcrurthcilte untcrm 9. Juli den Pfarrer Johann Bauer in Mainaschaff wegen Vergehens in Beziehung auf die Religion zu drei Tagen Gefängniß, wogegen derselbe Be rufung ergriff. Das Appcllalionsgericht nahm mit der ersten In stanz als erwiesen an, daß Pfarrer Bauer durch derbe Veohrseignng von acht erwachsenen Frauenspersonen während des Gottesdienstes in der Kirche zu Mainaschaff beschimpfenden Unfug verübt und sich dadurch eines Vergehens nach Z 166 des Strafgesetzbuches schuldig gemacht habe, und beließ es auch dei der vom Bezirksgericht ausge sprochenen Strafe. In der letzten Sitzung der Nationalversammlung zu Paris ging es sehr stürmisch zu. Es hätte nickt viel gefehlt, so wären die Geg ner mit Fäusten über einander hergcfallen, geballt waren ne bereits. Aus Madrid wird gemeldet, daß Briefe vom catalonischen Kriegsschauplatz« die Hinrichtung republikanischer Kriegsgefangener durch di« Carlisten bestätigen. Die Gefangenen wurden vor ibrer Erschießung mit drei Priestern in ein« Kirche eingeschloffen, und als ein Offizier einen der Priester wegen seines Verhaltens tadelte, ant wortete der letztere mit einem Bahonnetstich. Kurz daraus wurden 200 Gefangene, darunter 85 Carabiniere (Grenzsoldaten) und 12 Offiziere erschossen. Die Regierung hat die Veröffentlichung dieser Nachrichten verboten, um das gereizte Volk nicht noch mehr aufzu- rcgeu. Nach M-ldungen aus Barcelona vom I. dss. sind republi kanisch« Collonnen nach Olot abgcgangen, um dem dort von den Carlisten belagerten Brigadier Cirlot Hülfe zu bringen. Zwei An griffe der Belagerer waren abgeschagen worden. Die Hungersnoth in Kleinasien. Der Pcra'er Correspon- dent der „Allg. Ztg." berichtet über die Reise, welcher Mr. Farns worth im Auftrage einer Anzahl mildthätiger Engländer durch die von Hungersnoth heimgesuchteu Gegenden Kleinasiens machte, um Unterstützungen unter die Bewohner zu vertheilen. Farnsworth trat am 6. Juni seine Rundreise von Kaiffaris aus an und besuchte in 22 Tagen die von der HungerSnoth betroffenen Bezirke von Cappa- docicn und Galatien, Gegenden, welche zu den fruchtbarsten und gctreidereichsten Provinzen des Reichs gehören und hinreichen würden, ganz Europa mit Getreide zu versorgen, wenn nicht der absolute Mangel an brauchbaren Communikationsmitteln mit dem Meere jedcAus- fuhr verhinderte, daher die Einwohner nicht mehr Getreide bauen, alssiezur Bestreitung ihrer Bedürfnisse gebrauchen und wenn die neue Ernte eingcbracht wird, genöthigt sind, die Reste der vorjährigen Ernte iu'S Wasser zu werfen, um für die neue Ernte Platz zu gewinnen. Di« erste Beobachtung, die sich dem Mr. Farnsworth auf dieser Reise ausdrängtc, war die allgemeine Entvölkerung des Landes. So lange die Leute noch einen kupfernen Kessel, ein Bett, eine Decke, ein Schaf oder eine Ziege hatten, verkauften sie diese Gegenstände, um sich Brod dafür zu kaufen. War endlich Alles erschöpft, so rissen sie ihre Häu ser nieder, um das in ihnen befindlich« Bauholz in diesen bolzarmen Strecken zu verkaufen und sich damit das nöthige Geld zur Aus wanderung zu verschaffen. Die zurückgebliebenen Bewohner ver brannten alles Holz, das sich in den verlassenen Wohnungen fand, um sich gegen die Külte zu schützen; Aecker und Weinberge wurden vernachlässigt und preisgegeben. Der Strom der Auswanderung rich tete sich nach Sivas, Kaissaris und Tarsus, wo sie für die dortige Bevölkerung eine fürchterliche Last wurden. Wenn später die unglück lichen Auswanderer nach ihren heimathlichen Bezirken zurückkcbren, werden sie nicht einmal ihre Häuser mehr vorsindcn, denn der harte