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Wochenblatt Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Gievenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Dieser Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstag« und Freitags und kostet vierteljährlich 10 Ngr. — Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag. 34. Freitag, den 1. Mai 1874. c Tagesgeschichte. Der deutsche Reichstag wurde am 26. April Mittags von dem Kaiser Wilhelm mit folgen der Thronrede geschlossen: „Geehrte Herren! Die Session, an deren Abschluß sie stehen, reiht sich durch die durchgreifende Wichtigkeit ihrer gesetzgeberischen Ergeb nisse den bedeutsamsten Sessionen der früheren Reichstage an. Das hervorragendste unter Ihrer Mitwirkung zu Stande gekommene Ge setz soll, nach den Absichten der verbündeten deutschen Regierungen, dem deutschen ^eere diejenige Organisation dauernd sichern, in wel cher die Gewähr für den Schutz unseres Vaterlandes und für den Frieden Europas beruht. Um die Stetigkeit der Entwickelung unserer Verfassung sicher zu stellen und um für die Fortbildung unserer neu gewonnenen nationalen Einrichtungen die Grundlage allseitigen Ver ständnisses zn gewinnen, haben die verbündeten Regierungen einge willigt, die von ihnen vorgeschlagcne und nach ihrer Ueberzeugung nothwendige definitive gesetzliche Regelung der Friedensstärke des Heeres der Zukunft vorzubehalten. Sie haben dieses Zugeständniß in der festen Zuversicht machen können, es werde die regelmäßige Be- rathung des Militär-Etats und die fortschreitende Entwickelung des Verfassungslebens dem Lande und den künftigen Reichstagen die Ueber zeugung gewähren, daß die Sicherstellung der nachhaltigen gleich mäßigen Ausbildung der nationalen Wehrkraft und die Herstellung einer gesetzlichen Unterlage für die jährlichen Budgctbcrathungen noth wendig sei, um dem deutschen Heere eine seiner Bedeutung für das Reich entsprechende Festigkeit der Gestaltung zu sichern. Mit patrio tischer Bereitwilligkeit hahcn Sie Ihre Mitwirkung geliehen zur Be seitigung der in der Erfahrung hervorgctretcncn Mängel der gesetz lichen Bestimmungen über die Versorgung der Invaliden des Reichs- hecres und der Marine. Ich sage Ihnen meinen Dank für die Für sorge, welche Sie von Neuem für die Interessen derer bethätigten, die im Waffendienst für das Vaterland Kraft und Gesundheit geop fert haben. Die Regelung des Papiergeld-Umlaufs in Deutschland fand große Schwierigkeiten in dem von der Vergangenheit überkom menen Ergebniß einer vielgestaltigen Entwickelung. Unter Ihrer Mit wirkung ist es gelungen, durch bundesfrcundliche Ausgleichung der Verschiedenheiten eine Regelung herbeizuführcn, welche durch Herstell- n»g eines einheitlichen Papiergeldes innerhalb der durch die Rücksich ten strengster Vorsicht gebotenen Grenzen, sowie durch Beseitigung der mit der Natur des Landespapiergeldes verbundenen Hemmnngen allen ^-rkehrskreisen zur Befriedigung gereichen wird. Auch auf an deren Gebieten Sie, im Verein mit dem Bundesrathe, die Ge setzgebung und die Institutionen des Reiches weiter ausgebildet. Die Förderung und Unterstützung, welche die von Mir in Gemeinschaft verbündeten Negierungen befolgte Politik in Ihren letzten Beschlüßen gesunden hat, .befestigen in Mir die Ueberzeugung, daß das deutsche Vaterland unter dem Schutze der gemeinsamen Jnstitu- tionen einer gedeihliche Zukunft cMgcgengehe und daß Europa in welche die geistlichen, sittlichen und materiellen 7, finden, ein Pfand des Friedens und der gesicher- ten Forlbudung seiner Cultur erblicken werde. Ich entlasse Sic, ge ehrte " st Gott, dessen Gnade Mir gestattet hat, nach ernster Krankheit S.c heute um Mich zu versammeln." Die Mitglieder > "^tags mären zur Schließung der Session in den weißen saat e- t. schlossen entboten worden und waren in großer Mehrzahl erschienen, nur die utiramontauen glänzten durch ihre Abwesenheit, man sah nur Majunke mit einigen seiner Getreu sten, die Forlschrlttsparlet war ebenfalls schwach vertreten. Das Bild der Versammlung war ein anderes als im Reichstage, glänzende Uniformen überwogen weit den schwarzen Frack, die Tribünen waren überfüllt. Kurz nach 1 Uhr erschien Kaiser Wilhelm in Begleitung des Kronprinzen mit glänzendem Gesolgc, nachdem vorher schon die st.Mitglieder des Bundesraths sich M Seite des Thrones aufgestellt ^hatten. Der Kaiser, bei dessen Eintritt die Versammlung in das dreifache vom Präsidenten v. Forkenbcck ausgebrachte Hoch begeistert einstimmte, begrüßte zunächst Vie Versammlung durch eine Verbeug ung, bedeckte hierauf das Haupt mit dem Helm und verlas dann mit deutlicher, aber offenbar angegriffener Stimme die ihm von Delbrück überreichte Thronrede (s. o.) Der greise Kaiser, dessen Gestalt etwas vorgebcugt erschien, war ebenso wie die Versammlung von der Weihe des Augenblickes tief ergriffen. Bei den beiden Stellen, in welchen er der getroffenen Fürsorge für die Invaliden und des Umstandes gedachte, daß ihm Gott die Gnade gegeben habe, von schwerer Krank heit zu genesen und den Reichstag in Person schließen zu können, ver mochte er seine Rührung nur schwer zu unterdrücken; der zur Rechten des Kaisers stehende Kronprinz hing mit augenscheinlich besorgten Blicken an der Gestalt des kaiserlichen Vaters. Manches Auge wurde feucht und die aufrichtigsten Segenswünsche der Versammelten be gleiteten in der Form eines nochmaligen dreimaligen Hochs, welches der bayerische Justizministcr Fäustle ausbrachte, den Kaiser beim Ver lassen des Saales. Die Franzosen sind außer sich, daß der Abgeordnete von Nizza, Piccon, in italienischer Sprache eine Rede gehalten hat, welche die Rückkehr von Nizza an Italien in Aussicht stellt. „Ich habe das feste Vertrauen, sagte er, daß in nicht ferner Zeit dieses schöne Nizza, diese hcldenmüthige Jphignie, welche als Opfer für die Unabhängig keit Italiens dargebracht worden ist, zum wahren Vaterlande zurück kehrt. Für dieses wäre ich bereit, alle meine Interessen, ja selbst meine Familie aufzuopfcrn. Wenn ich auch jenen schönen Tag nicht erleben sollte, um die Rückkehr Nizzas zum Vaterland zu begrüßen, so Wird doch meine galvanisirte Asche aufcrstehen, um mir zu gestat ten, an dem gemeinsamen Feste thcilznnehmcn." Piccon soll für diese Rede aus der Nationalversammlung gestoßen und obendrein noch ge richtlich belangt und bestraft werden. Da sind die Deutschen dock toleranter, denn das, was der Abgeordnete Teutsch aus dem Elsaß gesagt hat, ist ungleich stärker und strafbarer gewesen und im Reichs tage hat Niemand ein Wort darüber verloren. Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Die königl. Lotterie-Dircclion erließ folgende, bei der künftigen Sonnabend zu Ende gehenden Ziehung 5. Elaste doppelt interessante Bckanntmachnng: „Die Lotterie-Dircclion findet sich auf Grund jüngst gemachter Wahrnehmungen veranlaßt, hiermit öffentlich darauf hin- zuweiscn, daß den Collecteuren der Süchs. Langeslolterie streng un tersagt ist, bei Gewinnauszahlungen außer den planmäßigen Gebüh ren noch ein besonderes Gratial oder Duceur für sich oder ihr Per sonal in Anspruch zu nehmen und überhaupt durch Begehrlichkeit ir gend welcher Art den Spielern lästig zu werden; oder auch für zei tigere Auszahlung von Gewinnen sich in Form eines Diskonts oder sonst wie eine Entschädigung zu bedingen. Ersteres ist unwürdig und letzteres ein ungerechtfertigtes Verlangen, da zu dergleichen zeitigeren Auszahlungen auf Antrag der bethciligten Hauptcollecteure die Lottcrie- casse ohnehin, soweit deren Bestände es zulasten und der Auszahlung sonst kein planmäßiges Bedenken entgegensteht, gegen Aushändigung der Gewinnlose jederzeit selbst die erforderlichen Mittel gewährt; Bei des aber geeignet, die Lotterievcrwaltung herabzusetzen und das Publi kum gegen das Institut einzunehmcn. Es ist sehr zu wünschen, daß alle Ausschreitungen dieser Art bei der Direction sofort zur Anzeige gebracht werden. Das k. Ministerium des Innern macht Folgendes bekannt: Nach dem für die, zn einer politischen Gemeinde bereits vereinigten Orte Barnitz und Meschwitz im Amtsbezirke Meißen die gemeinschaftliche ! Namensbezeichnung „Barnitz" genehmigt worden ist, so wird dies hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Es ist möglich, daß die Chemnitz-Aue-Adorfer Bahn durch den Staat übernommen wird. ES sind Verhandlungen mit der Staats- Negierung wegen Uebernahme der Bahn und freiwilliger Liquidation der Gesellschaft auf Grund eines mit dem Staate abzuschließenden Vertrages eingclcitct und im Gange.