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S) Chemnitz, 22. Juli. Heuie Abend kurz nach 8 Uhr entstand in der Fabrik des Chemnitzer Maschicnenbauvercins vorm. Schellen berg hier Feuer und brannte der zwischen dem Hauptgebäude und Zschopauerstraße gelegene Theil der Fabrik, in welchem sich Werk stätten und Modellager befanden, bis auf die Umfassungsmauer» nieder. Das Feuer wülhete mit solcher Macht, daß es den Feuer wehren große Anstrengungen verursachte, dasselbe auf dieses Gebäude zu beschränken. Durch unvorsichtiges Gebühren Vorübergehender mit Cigarren oder Zündhölzchen ist in diesen Tagen bei Cölln ein Stück Korn, cL ein halbes Schock Garben, in Flammen aufgegangen. Aus Zittau wird über die zunehmende Dürre und Versiechung der Quellen berichtet. Namentlich liefert auch die König-Johanns- Quelle für die Zittauer Wasserleitung ein stets sich minderndes Quantum, so daß die größte Sparsamkeit mit dem Leitungswasser geboten iß und jede Verschwendung zum größten Nachtheil für die Stadt und ihre Bewohner werden kann. In Paris. Novelle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) „Mein Name ist Aubert und ich habe mir eigentlich durch meine Intervention mir in's Fleisch geschnitten/' sagte der Fremde mit heiterem Auflachen, „denn ich bin Arzt, und wenn ich den Kampfl hätte sich entwickeln lassen, wäre mir gewiß auch ein Verwundetet zugefallcn." Der etwas leichtfertige Ton dieser Antwort war nickt nach denli Geschmack Leonhards, aber er war dem Manne zu Dank verpflichtet' i und er entgegnete deshalb: „Sie haben uns einen großen Dienst ge-i ' geleistet, der nicht nur Ihrem Herzen, sondern auch Ihrer Kühnheit alle Ehre macht, denn gewöhnlich richtet sich gerade der Zorn von Rauflustigen gegen denjenigen, der ihnen den Spaß verderben will/ „Das ist wohl war/' erwiederte vr. Aubert, „aber ich muß den noch das mir gesendete Lob ablehnen. Als junger, unbekannter Arzt erstreckt sich meine Praxis fast nur auf die Ärbeiterkrcise hier ! am Montmartre herum und weil ich noch dazu in ihren Vereinen - ab und zu Vorträge halte, so kennen mich diese Leute und ich ver- ? mag etwas über sie." „Und da Sie ihnen gleich eine solche Kraftprobe zeigten, die ick aufrichtig bewundere, so glaube ich schon, daß sie Vernunft annehmen mußten," bemerkte Georg lackend. Ur. Aubert stimmte in das Gelächter ein. Es lag eine große Heiterkeit, ein sorgloses Sichgehenlassen in seinem ganzen Wesen und wenn er auch die guten Manieren eines gebildeten Mannes zeigte, so Vierrieih doch das Benehmen des jungen Arztes, daß er viel und fast ausschließlich nm den niederen Ständen zu verkehren hatte; er zeigte eine Nachlässigkeit, die viellcickt mehr angenommen als natürlich wär. Das feine, geistreiche Gesicht, die scharf geschnittenen Lippen, die vor nehme sichere Haltung, das alles vcrrielh nicht die natürliche Neigung zur schlichten Unterhaltung mit schlichten Leuten. Vielleicht hätte es der junge Arzt vorgczogen in der guten Gesellschaft zu glänzen, an statt durch derbe Späße in Albeilcrkreisen große Heiterkeit zu erregen. In diesen war Ur. Aubert wegen seines Humors, seiner Leutseligkeit freilich sehr beliebt. Wohlfeile Lorbeern, die einer ehrgeizigen Seele — und die durfte man dun jungen Manne zutranen — nicht genügen konnten. — Man ging plaudernd, scherzend neben einander her und erst an der Ptvrte des Elysee empfahl sick der Ur. von Neuem. „Es ist wirklich windstill geworden, Sie haben nichts mehr zu fürchten," sagte er, nachdem er sich mit seinen klugen Augen noch einmal umgeblickt. Georg zog beim Abschiede seine Karte heraus, und bat den Ur., ihm recht bald die Ehre seines Besuches zu schenken, damit ihre unter so seltsamen Umständen gescklossene Bekanntschaft sich festigen möge. „Und ich kann zu gleicher Zeit ihren ärztlichen Nath einholen," setzte er verbindlich hinzu. Sichtlich hatte Georg an dem heitern, lebens- z lustigen Fremden Gefallen gefunden und obwohl Leonhard nicht ganz seine Meinung theille, blieb auch diesem sonst nichts übrig, als dem Beispiel seines Verwandten zu folgen. vr. Aubert hatte kaum einen flüchtigen Blick auf die Karte ge worfen, da rief er lebhaft aus: „Ah, sind Sie ein Verwandter des Braucreibesitzcrs Peltzer?" „Das ist mein Vater," entgegnete Leonhard etwas verwundert. „Meine Frage wird Ihnen weniger seltsam Vorkommen," bemerkte sogleich der Andere, „wenn ich Ihnen sage, daß ich in der Nähe ? Ihres Herrn Vaters wohne und schon manchmal sein Bier gekostet habe, ich finde es ganz ausgezeichnet." „Dann hoffe ich um so eher auf Ihren freundlichen Besuch," ent- gegnete Leonhard. „Ich werde cs nicht versäumen." vr. Aubert grüßte noch einmal äußerst höflich und ging dann ins Elysee zurück, ein eka8on vor sich her summend. Er schien mit sich und dem Erfolge dieses Tages sehr zufrieden. Die kleine Gesellschaft halte nicht allzuweit zu wandern; in der Rue Niquet zeigte Blanche aus eins jener thurmhohcn Häuser, in denen die Arwuth eingepfercht ist. „Dort wohnen meine Großeltern und nun lebe wohl, Leonhard." Sie reichte ihm die Hand, er preßte sie an seine Lippen, dann nickte sie Georg freundlich zu und im nächsten Augenblick war sie verschwunden. Georg blickte seinen Freund nur verwundert an. Er war lang- Die „Nord. Allg. Ztg." bespricht die fortwährende Unterstützung der Carlisten Seilens Frankreichs und erinnert daran, daß 1870 Frankreich wegen nicht vorhandener nur vermeintlicher Einmischung Preußens in spanische Angelegenheiten den Krieg begann. Dieselbe Zeitung vernimmt, das bei der Insel Wight staliönirende deutsche Ge schwader werde die Bestimmung erhalten, einige Zeit an der spanischen Nordküste zu kreuzen. Der Bürgerkrieg in Spanien wird jetzt von Seiten der Car listen so grausam und blutdürstig, so wider alles Völkerrecht geführt, daß unter den Großmächten der Gedanke Wurzel geschlagen hat, dip lomatisch einzuschreiten. Sogar die französische Negirung, welche die Carlisten im Stillen erfolgreich unterstützt, soll sich in guten Stunden zu schämen aufangen. ES könnte freilich ein Machtspruch sämmt- licher Regierungen helfen und zu solchem werden sie sich schwerlich einigen; der Protest einzelner Negierungeu könnte eher schaden. Rach einer Mittheilung der „Allg. Deutschen Ztg. für Brasilien" besteht die Sclavenbcvölkerung Brasiliens nach den neuesten Zählungen aus 1,002,240 Seelen. Afrika. Daß trotz aller Bemühungen der Engländer derSclaven- handel am Rothen Meere noch üppig fortbesteht, geht aus einem Schreiben hervor, welches ein Correspondent aus Jeddah an den Secretär der Anti-Sclavereigesellschaft in England gerichtet. Die Häfen deS rolhen Meeres sind voll Menschenfleisch, das zum Verkauf ausgeboten wird. Abessinier sind meist begehrte Waare und werden allen übrigen Aufrikanern vorgczogen. Auf diese Weise werden Tausende derselben von brutalen arabischen Sclavenjägern zum Mohamme- danismus bekehrt, und es giebt in einein einzigen Jahre mehr Con- vertiten zum Islam, als christliche Missionäre während der letzten sumilg Jahre dem Christenthume gewonnen habem Trotz der strengen Verbote deS Khcdive finden an der Westküste des Rothen Meeres fortgesetzte Slcaveneinschiffungen Statt. Wenn daher England wirk lich gesonnen ist, dem Handel ein Ende zu machen, so darf es sich nicht mehr auf die Ohnmacht papierner Verträge verlassen, sondern muß am Rothen Meere vier Lonsulen-Agenturen einrichlen und durch dieselben in Begleitung eines Kanonenbootes die Schlupfwinkel und Echmuggrlhäfen von Zeit zu Zeit untersuchen lassen. Abgesehen da von, gewinnt das Rothe Meer von Jahr zu Jahr mehr Bedeutung in cvmmercieller Beziehung; es ist ein kleines Mittelländisches Meer geworden; alljährlich verunglücken an den Klippen britische Dampfer, ohne daß irgend ein Consular-Agent zur Stelle wäre, den Schiff brüchigen Hilfe zu leisten. Ocrtliche und sächsische Angelegenheiten. Wilsdruff, am 27. Juli 1874. Wie wir auS einem Inserat in hcmiger Nummer ersehen, wird -für nächsten Freitag in dem so hübsch gelegenen und gepflegten Gar ten des Herrn Restaurateur Traugott Fritzsche eine italienische Nacht mit musikalischer Unterhaltung vorbereitet, wobei es die Arrangeurs gewiß an einem guten Töpfchen Bier und andern Ge tränken nickt werden fehlen lassen. Wünschen wir daher, daß der Ganeu an diesem Abend reckt zahlreich besucht werde, zumal es unS Wilsdruffern so selten vergönnt ist, inmitten der Stadt in einem Garten bei musikalischer Unterhaltung einige angenehme Stunden zu verleben. Der „DreSd. Anz." schreibt: Aus Hamburg und Bremen erhal ten Geschäfts- und Privatleute seit Jahren Zusendungen unter Kreuz band von Jnterimsloosen liebst Gewinnlisten der Hamburger und Braunschweiger Lotterien, welche sich säst jede Woche wiederholen und daher aus aller Gewohnheit oft ungelesen in den Parpierkorb wandern. Die Vernichtung dieser Papiere ist unbedenklich, dagegen ! empfängt man in neuerer Zeil auch Originallose und warnen wir bei diesen vor oben beschriebener Beseitigung, indem durch beiliegendes > Schreiben Adressat um Einsendung des Betrags oder umgehende Rück sendung deS Betrags gebeten wird. Thut man dies nun nicht, so können allerhand Verdrießlichkeiten und Differenzen die Folge sein. Man sehe sich also vor und sende das Loos unsrankirt sofort zurück, da bekommen es die Herren nach wiederholtem vergeblichen Versuch am ersten satt. In Leipzig wurde am 22. Juli auf der Zeitzer Straße ein kleiner Straßenräuber in der Person eines erst 10jährigcn Knaben festgenommen, als er eben einem andern kleinen Knaben, der mit S Ngr. auSgeschickt worden war, um etwas einzukausen, das Geld aus der Hand entrissen hatte. Ein Schriftsetzer, welcher den Raub be merkte, eilte dem Jungen sofort nach, ergriff ihn noch rechtzeitig und überlieferte ihn der Polizei. Dort ergab fick, daß das Bürschchen vor etwa 8 Tagen aus der elterlichen Behausung in Altenburg ent laufen war, um alsbald nach seinem Eintreffen in Leipzig das End ziel seiner Lagabundenreise zu erreichen. Während des vorige Woche in Chemnitz abgehaltencn Jahr marktes war die Personenfrequenz auf dem Bahnhofe daselbst eine colossale; das Tageblatt berechnet die Zahl der angekommenen, ab gegangenen und durchgefahrencn Personen am Sonntag, Montag, Dienstag und Mittwoch auf zusammen 105,500 Personen; am Mon tag, als dem Ha Ptmarkttage, sind allein mindestens 15000 Menschen angekommen. Natürlich reichten zur Bewältigung solcher Massen die gewöhnlichen Personenzüge, 82 an der Zahl täglich, nicht aus. An Transportmitteln, welche an diesen Tagen in Gebrauch zu nehmen waren, kommen ans den Tag durchschnittlich 929 Wagen mit 3489 Coupes.