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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebentel)» und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags und kostet vierteljährlich 10 Ngr. — Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag. 85. Freitag, den 30. Oktober 1874. Tagesgeschichte. Dem Reichstage wird auch eine Petition der Gast- undSchank- virthe aus allen Theilen Deutschlands überreicht werden, welche ritten, das Gastwirlhsgewerbe von dem Drucke einer beengenden lautlichen Bevormundung zu befreien, die zu dem freisinnigen und gerechten Geiste, von dem unser modernes Slaatsleben mehr und wehr beherrscht wird, im Widerspruche steht. Die Petition legt ihren Grundlou auf 3 Punkte: 1) Wegfall der Polizeistunde; 2) gleich mäßige Handhabung der Tanzpolizei und Aufhebung der willkür lichen Beschränkungen des Rechtes, Tan.zvergnügungcn zu veranstalten; 3) eine genaue Bestimmung derjenigen Spiele zu treffen, welche in öffentlichen Localen nicht gespielt werden dürfen. Einer Uebcrsicht der Etatsstärkc des deutschen Heeres auf das Jahr 1875 fei Folgendes entnommen: Die Infanterie zählt 148 Re gimenter, davon Preußen 115 Garde- und Linieninfanterieregimenter, > zu 2 Bataillonen, inclusive 5 Unteroffificrscbulen und eine Mckilär- schicßscbule; Sachsen 9 Garde- und Liuieninfanterieregimenter und I luterosfizicrschulc; Würtemberg 8 Garde- undLinieninfanterieregimcnter und 1 Unteroffiziersschule; Baiern 16 Garde- und Linicninfantcrie- regimeuter und 1 Militärschießfchule. Dazu kommen 26 Jägerbatail- lone N'.il je 14, 2 und lo ans Preußen, Baiern und Sachsen mit 275 Landwehrbezirkscommandos; 93 Cavallericrcgimenter, davon auf Preußen 73, Sachsen 6, Wütleinberg 4, Baiern 10. Artillerie: 36 F.std-Ärüllerieregimenter, Preußen 28, Sachsen 2, Würtemberg 2, Baiern 4; 14 Fnß-ArtiUerierregimcntcr, Preußen 10, Sachsen und Würtemberg je 1, Baiern 2. Pionniere: 18 Bataillone; Preußen 14, Sachsen und Würtemberg je I und Baiern 2. Ebenso 14 Train- bataillonc bei gleicher Vertheckung, 1 Eisenbahnbataillon in Preußen, 1 Eisenbahncompagnie in Baiern und eine Anzahl nicktrcgimentirter Offiziere. Das gesummte deutsche Heer zählt I722I Ossiziere, 48086 Unteroffiziere, 741 Zahlmeister-Aspiranten, 5139 Sviellenle, dazu 7178 Gemeine, 327898 Gefreite und Gemeine, 3183 Lazarcthgehülfen, 9434 Ockonomichandwerker, in Summa 401659 Mann. Dazu 1673 Aerzte, 746 Zahlmeister, 612 Nvßärzle, 619 Büchsenmacher, 93 Sattler. Engländer haben rin Gerücht in die Welt gesetzt, das wie junge Kinder ein gewaltiges Geschrei macht. Bismarck, sagen sie, wolle die Schweizer und die Belgier auis Gewissen fragen, ob sie sich in bösen Zeiten getrauen, für ihre Unabhängigkeit selbst und allein einzusiehen. Wir glauben nicht an d.e Wahrscheinlichkeit des Gerüchts, obwohl die Frage wichtig ist. Die Neutralität der Belgier und Schweizer ist bekanntlich unter den Schutz der Großmächte gestellt; wenn aber ein paar benachbarte Großmächte selbst an einander geralhcn, wer beschuht dann die Neutralität der ZU einen? Etwa die Belgier die Festungen und die Schwenzer ihre Berge? Es lassen sich alle Fälle denken, in welchen die Belgier und die Schweizer wie zwischen die Puffer zweier Locomoliven geralben könnten. Der Telegraph bringt aus Indien die Nachricht, daß Nena Sahib gefangen und den Engländern wahrscheinlich schon ansge liefert sei. Wer ist Nena Sahib? werden die jüngeren Zeitgenossen fragen; was Hal er geihan, daß ihm die Ehre einer überseeischen Depesche zu Theil wird? — Nun, dieser Mann, der Sohn eines in dischen Fürsten, hat vor 17 Jahren so Furchtbares gethan, daß sein Name unter Flüchen und Verwünschungen durch die Welt flog. Im wilden Sepoy-Kriege halten ihm die Engländer, deren Sprache er sprach, deren Sitten er angenommen und denen er ganz ergeben war, den Schutz der kleinen Veste Cawnporc anverlrant. In dieser Veste war der englische Schatz und es lag in ihr eine kleine Be satzung von Engländern, 1900 Köpfe stark, mit Weib und Kind und Indiern im englischen Sold. Nena Sahib wurde plötzlich zum Ver- räthcr und belagerte die Veste, die er schützen sollte und zwang die Engländer zur Capitulation. Sic sollten freien Abzug haben mit Frauen und Kindern und Schätzen. Kaum aber waren sie heraus, so ließ er sie zusammcnschicßen; daun sammelte er den kleinen Nest, ließ die Männer Mann für Mann ermorden im freien Feld und Weiber und Kinder in eine dunkle Marterhöhle sperren ohne Luft und Licht, ohne Speise und Trank, sie sollten ersticken. Als ihm das zu langsam ging, schickte er fünf Henker zu ihnen hinein, die ihre Arbeit thatcn, kein Mensch hat jemals erfahren wie. Der Schlächter von Cawnpore entfloh vor dem nahenden englischen Heere, er wurde unstät und ruhelos, die Engländer und die Furien seines Gewissens ließen ihm keine Ruhe; endlich war er verschollen. Da taucht nach 17 Jahren sein Name auf als der eines Gefangenen, ein neues Zeugniß, daß Gottes Mühlen zwar langsam, aber sicher mahlen. Aus Kalkutta in Ostindien wird untcrm 25. October gemeldet: Bei einem jüngst stattgehabten heftigen Orkane haben in Midnapur gegen 2000 Personen das Leben eingebüßt. Ocrtliche und sächsische Angelegenheiten. Wilsdruff, 29. Oclober 1874. Der hiesige Bürgergerverein hat sich in der gestern Abend statt- gefundeucn Generalversamlung in eine» Gewerbevercin umgestaltet, wird jedoch die meisten Paragraphen feines Statuts in Geltung lassen. Der Hauptgrund zur Umgestaltung wurde darin gesucht und gesunden, daß unter der Firma Gewerbevercin dem Verein hin und wieder mehr belehrender Stoff zur Unterhaltung geboten und wohl auch mehr Per sönlichkeiten außerhalb des Vereins sich finden ließen, welche Vor träge hielten und dadurch dem Verein noch mehr Mitglieder zugeführt würden. — Der hiesige Gewerbevercin hat die vom Dresdner Gc- werbeverein an das sächsische Ministerium des Innern gerichtete Pe tition, durch welches dieses ersucht wird, im Bundesrathe, sowie im Reichstage auf eine Abänderung des neuen Bankgesetzcnt- wurfs hinzuwirken, mit unterzeichnet. Dresden. Am 8. d. M. ist eine Vorlage zum mündlichen Be richt der 3. Deputation der Zweiten Kammer bei letzterer eingegangen und zwar über die von einer Mehrheit des Kirchenvorstandcs in Schöneck an die Ständeversammlnng gerichtete Beschwerde, die Oeffentlicbkeit der Kirchenvorstands-Sitzungen und eine deshalb ergangene Verordnung des königl. Ministerium des Cultus und öffent lichen Unterrichts betreffend. Referent ist der Abg. Kretschmar. Wir werden auf die interessante Vorlage noch zurückkommcn und be merken heute nur, daß die erwähnte Beschwerde nach dem Gutachten der Deputation der Regierung zur Berücksichtigung zu überweisen ist. (Wir Wilsdruffer wären schon zufrieden, wenn wir von Zeit zu Zeit ein Referat über die Kirchcnvorstandssitzungen erhielten! Wir vermissen aber nicht allein diese gänzlich, sondern bekommen auch schon seit Monaten kein Referat aus den Verhandlungen unserer politischen Gemeinde mehr zu lesen, woran doch jeder Bürger großes Interesse hat. So hätten z. B. viele Bürger gern gewußt, welches der Ertrag der Sammlung für die abgebrannten Orte Breitenbrunn rc. gewesen und wie viel an jeden Ort abgeliescrt worden. Und so könnten wirsehr viele Punkte erwähnen, wo cs wünschenswerth wäre, daß die geehrten Behörden ihren Mitbürgern durch Veröffentlichung der stattgehabten Verhandlungen einen Einblick in ebengcdachte Ver handlungen gönnten. Vielleicht vermögen diese wenigen Worte, etwas beizutragen, daß das, was wir früher gehabt, uns wieder gegeben wird. Stillschweigen ist sonst Gold, in vorliegenden Fällen wäre es aber ein Rückschritt in unserer Gemeinde! D. N.) DaS Ministerium des Cultus und ösfenilichen Unterrichts hat die Vorschrift, wonach auf den Quiltungsformularcn über die halb jährigen PensionSbcträge aus der Schullchrer-Wittwen- und Waisen- Pensionscasse die Fortdauer des Willwcnstandes dehPercipientin von dem Ortsgcistlichen oder Superintendenten zu bescheinigen war, dahin abgcändert, daß diese Bescheinigung in Zukunft von einer jeden in einem öffentlichen Amte stehenden Person unter Bcidrückung des Amtssiegels erfolgen kann. Das Ministerium des Innern hat zu der Vcrloosung von Equipagen, Pferden und Reit- und Fahrutensilien, welche das Co- mitü für eine im nächsten Jahre in Dresden abzuhaltcnde Pferdeaus-