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Bei Gelegenheit eines Berichts über das glänzende Ergebniß der diesjährigen Weinerndte in Frankreich stellt die englische „Times" folgende gesunde Betrachtungen über die bisherige auswärtige Politik der Franzosen an: „Was für ein Land ist dies! Man denke nur, sieben Millionen Personen sind allein mit dem Einbringen einer Erndte beschäftigt, Lie vortheilhafter ist, als die irgend eines anderen menschlichen Nahrungsmittels, und die überall in der Welt einen willigen Markt findet. Und doch ist der Besitz der herrlichsten Weindistricte in der Welt nur eine von vielen ähnlichen Quellen des Neichlhums, welche Frankreich besitzt. Trotz des großen Flächen raumes, den die Weinberge einnehmen, producirt Frankreich mehr Kor», als wir, und obenein von besserer Qualität. Es ist in dieser Beziehung fast ganz unabhängig, während wir im vorigen Jahre die Hälfte unseres Bedarfes aus allen Enden der Welt zusammenholen mußten. Dazu kommen noch Oel, Seide und Zucker, die überall in der Welt gesucht sind. Wegen dieser Naturgaben allein schon hat Frankreich die ganze Menschheit zum Kunden, die noch mehr durch die Kunst und der Kunstindustrie seiner Bürger ihm zuströmen. Da kann man wohl fragen: Warum sollte Frankreich nicht zufrieden sein m t dem, was es ist und was es hat, zumal jetzt, wo es die Folgen seines maßlosen Ehrgeizes so schmerzlich empfindet? Wenn die Sub stanz so werthvoll ist, warum nach dein Schatten greifen? Daß eine große Nation darnach streben sollte, etwas mehr, als nur ein reiches Volk zu fein, ist ganz in der Ordnung, allein dieses Streben wird erniedrigt, wenn eS zu bloßer Länderausdchnung ausartet. Größe und Ausdehnung sind zwei verschiedene und oft sehr unvereinbare Dinge, und Frankreich hat das Unglück gehabt, das niederigere Stre ben dem erhabeneren vorzuziehcn. Es versuchte mehr als Frankreich zu sein, anstatt das bestehende Frankreich in moralischer und po litischer Hinsicht zu heben. Was kann Frankreich wünschen, was es nicht bereits hätte, außer etwa mehr Erde? Wahrlich, der Hunger danach ist die schlimmste aller Hungersnölhe bei Völkern sowohl, als bei einzelnen Personen. Frankreich hat gehungert, es hat zugegrisfen und verloren. Ist dies nicht vielleicht das Beste, was ihm wider fahren konnte? Es hat jetzt keinen Beweggrund, über seine Grenze zu schauen und in zweifelhaften Unternehmungen die Hülfsmittel zu vergcuten, welche für die Entwickelung des eigenen Landes nöthig sind. Es hat alle Ursache, ernstlich über die Politik nachzudenken, welche seine inner» und äußern Verhältnisse während der letzten zwei Jahrhunderte und länger geleitet hat." Aus Bombey wird unterm 30. Octobcr Folgendes telegraphirt: Der Zustand der Baumwollenerntc in der hiesigen Präsidentschaft ist ein ganz ausgezeichneter und verspricht einen kaum dagewesenen Ertrag. Die Ernte wird in etwa 14 Tagen ihren Anfang nehmen. Im Distrikte Omrawutte hat die Ernte bereits begonnen, dieselbe- ist gleichfalls vorzüglich. Ocrtliche und sächsische Angelegenheiten. Wilsdruff, 2. November 1874. Wie schwer zuweilen eine Familie heimgesucht werden kann, ist uns in den harten Schlägen bewiesen worden, welche die Familie unseres Mitbürgers Herrn August Wehner betroffen. Erst brachte ihn ein nächtlicher Einbruchsdiebstahl um die bedeutende Summe von gegen 600 Thlrn., dann erkrankten ihm mehrere Kinder am Scharlachfieber, von denen ihm zwei durch den Tod entrissen wurden; in Folge der gedachten ansteckenden Krankheit blieben ihm aber auch selbst die besten Kunden fern. In heutiger Nr. unseres Blattes macht Herr Wehner nun bekannt, daß die Krankheit beseitigt und bittet Freunde und Gönner, ihn für gehabte» GeschäftSjchaden durch zahlreichen Besuch im Geschäft zu entschädigen. Wir schließen uns dieser Bitte hiermit an; möge das P u b l i k u m von Stadt und Land unsern Mitbürger für seinen großen Geschäftsverlust durch Einkäufe bei ihm zu erfreuen suchen. Am 30. Oclober beging der Landtagsabgeordnete Oehmichen auf seinem Schlosse in Chore» die Feier seiner 25jäh-igen land- ständischen Thätigkeit. Vom frühen Morgen an bis Mittag kamen Gratulanten, glückwünschende Deputationen, Briese und Telegramme in großer Menge an. Von letzteren erwähnen wir nur zwei; eines von Oehmichens politischen Freunden, von Mitgliedern der deutschen Fortschrittspartei im Reichstage in Berlin: Ausfeld, F. Duncker, von Hovcrbeck, Herz, vr. Löwe, vr. Minckwitz, E. Richter, Wiggers; und das andere vom deutschen Forlschritlsvereine in Dresden. Aus der großen Anzahl von Beglückwünschungsdeputationen heben wir nur die der Mitglieder der zweiten Kammer (Schaffrath, Streit, Starke- Mittweida, Grahl, Oe. Heine, von Ehrenstein, Starke-Schmölln, Schmidt, Klopfer, Walter, Gebert), deren Sprecher v. Ehrenstcin war, und die der Stadt Döbeln, welche Oehmichen das Ehrenbürgerrccht überbrachte, hervor, ferner brachten Abends Schulgemeinden dem Ju bilar einen Fackelzug. Die Gemeinden Großburgk, Kleinburgk und Zschiedge im Plauenschen Grunde haben sich zu einem Schulverbande vereinigt und in Burgk ein stattliches Schulhaus für 6 gleichzeitig zu unter richtende Classen erbaut. Baron von Burgk hat 21,000 Thlr. zum Baue geschenkt unter der Bedingung, daß Kinder seiner Beamten, die einem anderen Schulverbande angehörcn, in dieser Schule auch Aufnahme finden können. Zum Dircctor dieser Anstalt ist Winkler, Lehrer am Clauß'schen Institute und der Gewerbeschule in Dresden, gewählt worden. Bei einer am 28. October in Wurzen vorgenommencn Butter revision wurden 112 Stückchen Butter weggenommen. Am 25. October brach in dem Scheunengebäude des Gutsbesitzers Reppe in Bischheim bei Kamenz, unweit der Kirche, während der Besitzer mit seiner Frau bei einer Hochzeit und das Gesinde in der nahegelegenen Wirthschast zum Tanz war, Feuer aus und wurden sämmtliche Gebäude des Gutes sammt den reichen Erntevorräthen gänzlich vernichtet. Vor mehreren Wochen wurde die 12 Jahre alte Tochter eines Gutsbesitzers in Seifersdorf bei Geithain auf dem Wege von Wickenhain von einem ihr unbekannten jungen Menschen überfallen und zu Boden geworfen, worauf der Uebelthäter versuchte, ihr Ge walt anzuthun. Auf das Schreien deS Mädchens ist derselbe indessen, ohne seine Absicht erreicht zu habe», geflüchtet. Die Gendarmerie hat jetzt den Verbrecher in der Person des 13 Jahre alten, bereits bestraften Handarbeilersohnes Langschädel aus Geithain ermittelt. Ein eigenthümlichcr Fall passirte am 29. October in Lenge feld. Eine alte Frau aus dem zu dem kirchlichen Bezirk Lengefeld gehörigen Dorfe Reifland, für die erst ani vergangenen Sonntag von der versammelten Gemeinde in der Kirche zur Erlösung von ihren körperlichen Leiden gebetet worden war, brachte die eingepfarrte Gemeine, um sie nach üblicher Weise feierlich dem Schooße der Erde zu übergeben. Allein zu diesem Zwecke hatte sie ihre empfangenden Hände nicht geöffnet, denn dem Todenbettmeistcr war keine Anzeige geworden, daß ein neuer Bürger seinem unheimlichen unterirdischen Bereiche einverleibt werden solle. Die Begräbnißfeierlichkeiten muß ten unterbleiben und der Leichnam in der Todtenhalle bis zur Her stellung der kunstgerechten Grube warte», um von der Reise in diesem irdischen Jammerthalc auszuruhen. Bautzen, 29. Octobcr. Leider sind hier die Menscheiiblattern aufgetreten, und es sind dieser Krankheit bereits einige Personen er legen. Aus Lunzenau vom 28. October wird berichtet: Auf Veran lassung der bevorstehenden Neichstagswahl entstanden unter den sich gegenüberstehenden Parteien Streitigkeiten, welche dermaßen aus arteten, daß dieselbe» nur mit Hülfe der Bürgerschützen und nach Arretirung der hervorragendsten Tumultuanten beigelegt werden tonnten. In der Wohnung des Polizeidiencrs begann man mit dem Einwerfen der Fensterscheiben; auch fehlte es nicht an Drohungen, wle z. B.: „Heute Nacht bricht die Socialdcmokralte durch!" u. si w. Die Gewerkschaft zu Unverhofft Glück Erbstollcn bei Höcken dorf, welche schon vor 12 Jahren einmal so glücklich war, ein Erz- ausbriugen von über 50000 Thlrn. zu habe», ist vorige Woche durch einen neuen, ziemlich reichen Silbererzanbruch auf dem Sancl-Gcvrg- Gange erfreut worden. Ueber 400 Meter unter Tage hat die geringe nur vier Mann betragende Belegung nach elfjährigem angestrengten Flrißc in harter Gestcinsarbeil zii ihrer großen Freude neue Erzmil- tel aufgcsundcn. Durch die von Zeit zu Zeit erlangten Aufschlusse bestätigt cs sich immer aufs Neue, daß die unterirdische» Silberscbätzc der Umgegend von Höckendorf, wo einst die Ritter Theeler so reichen Silbcrbcrgbau trieben, noch tange nicht erschöpft sind. Oybin. Am 27. Oclober verstürben hier zwei 76jährige Ehe« leute; dec Gedingehäusler Steudtner folgte gegen 9 Uhr Abends feiner am Morgen vorausgegangcncn Ehefrau geb. Müller, nachdem beide treu vereint 53 Jahre 4 Tage im Ehestände Freud und Leid gehabt. Bis wenige Tage vor dem Tode konnten sie am Webstuhle ihr Brod verdienen. In Paris. Novelle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) „Nein, die Pariser sind zu gute Patrioten, sie trinken kein Bier mehr und wir haben Wein die Fülle, daß ist nun das einzige Getränk für französische Kehlen." „Ah vortrefflich! Aber kann Dein Vater nicht auch den Mund aufthun!" „Sie müssen ihn schon entschuldige», er ist beinah taub und des halb muß ich ihn stets begleiten und für ihn sprechen." „Um so besser, er kann keinen schöneren Vormund haben," lachte der Wachthabende. Blanche zeigte ihm mit kokettem Lächeln noch einmal ihre blendend weißen Zähne und der Wagen rollte weiter. Der alte Peltzer alhmete auf und wollte zurückblicken, um zu sehen, ob seine Kinder eben so glücklich durchgekommen, aber Blanche hielt ihn davon zurück: „Warten wir noch, das Unbedeutendste kann uns vernichten." Der zweite Wagen kam und passirte mit noch weniger Schwierig keit die Linie». Leonhard hatte sich nachlässig in die Ecke des ele ganten Gefährtes gedrückt und rauchte behaglich seine Cigarre. Agathe saß mit vornehmer, ruhiger Haltung da. Der Wachtposten ließ den Wagen ruhig vorüber, nicht der leiseste Verdacht dämmerte in ihm auf, daß ihm da deutsche Flüchtlinge entschlüpfte». Wie hatte ihr Herz geschlagen, als sie in einiger Entfernung den Wagen des Vaters vor dem Wachtposten halten sahen und jede Secunde Zögerung dünkte ihnen eine Ewigkeit. Wenn er nun doch «»gehalten, die Fässer näher untersucht wurden! — Endlich setzte sich das Gc- fähr wieder in Bewegung, der arme Vater war wenigstens gerettet, und bald waren auch sie es. Nun lag die Enceinte von Paris hinter ihnen und wie Berges last fiel es von ihren Herzen. Es hatte aller Anspannung ihrer Kräfte bedurft, um zu lächeln und ruhig zu scheinen, wo das Ge ringfügigste zu ihrem Verderben ausschlagen konnte.