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Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Sievenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags und kostet vierteljährlich 1V Ngr. — Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag. ä« 86. Dienstag, den 3. November m 1874. Die deutsche Hausfrau und ihr Beruf. Der Character der Zeit wird vornehmlich durch das männliche Geschlecht bestimmt. Ich sage vornehmlich; denn auch das weib liche Geschlecht hat an den Aufgaben der Zeit einen hervorragenden Antheil. Seine Hauptaufgabe, die in der Gegenwart nicht nachdrück lich genug hervorgchoben werden kann, ist die Pflege des Idealis mus. Dieser ist ein Erbgut der deutschen Nation. Die Genien un serer Dichter und Denker, der Enthusiasmus, mit welchem ihre Er zeugnisse ausgenommen wurden, unser Culturleben der Vergangenheit überhaupt zeugen dafür. Der Gegenwart aber mangelt das Streben Nach idealen Gütern, sie krankt an der Sucht nach materiellen Ge nüssen. Das Gefühlsleben tritt zurück und muß der VerstanveScultur Weichen. Ihr zur Seite herrschen die Sinne aus den höheren und niederen Lebensstnfen. Kann dem die deutsche Hausfrau abhelfen Und der Zeit einen andern Stempel aufdrückcn? Nein, aber soweit ihre Kraft reicht, sollte sic das Ihre thun und damit wäre schon viel geschehen. Sie als Trägerin des Gemüthslebens, die für das Schöne und Gute ein verständiges und empfängliches Auge hat, sic ist be rufen, das Schöne in dem Menschen, an ihm und durch ihn zur Er scheinung zu bringen. Die Frau der Eiuaneipativn ist nicht die Vertreterin der echten Weiblichkeit. Sie reißt auseinander und löst statt zu binden und zu sammenzuhalten; sie bricht mit den sittlichen Ordnungen des gesell schaftlichen Lebens, arbeitet dem Materialismus in die Hände und emancipirt sich vom Idealen; sie verkennt, daß in der Verschiedenheit der Rechte und Pflichten des Mannes und der ihrigen der geheimniß- vollc Reiz der gegenseitigen Ergänzung, die nothwcndige Bedingung gedeihlicher Wechselwirkung liegt. Was den Mann erheben kann — die völlige Hingabe ihres ganzen Jchs an ihn und an den Familien kreis, in dein sie lebt, der Zauber der Anmuth, die sauste Würde, die Schönheit und Holdseligkeit ihrer Erscheinung, die nicht zu verwech seln ist mit dem absurden Entfalten äußerer Reize, das Alles gewährt die Emancipationssüchtige nicht. DaS Bild einer deutschen Hausfrau ist ein anderes. Die Frau hat bei den Germanen und Christen entgegen den Völkern des Alterthums eine ehrenvolle Geschichte. Ihr Einfluß und ihr Werth haben ihr eine Stellung nicht unter, sondern neben dem Manne verschafft. Sie wird die Seele des Hanfes genannt. Wie unvergleichlich und herrlich besingt sie in diesem Sinne Schiller. Was erwartet der Mann von dieser Seele des Hauses? Die Be förderung seines inneren und äußeren Glückes. Ihre beste Thätig- keit liegt innerhalb des Familienkreises. Da hat sie dem Mann ein trautes Heim zu bereiten, und was sie ihrer Arbeit und Freude im Hauswesen entfremdet, das ist zu meiden. Mit hingcbender Liebe, in Sanflmuth und Milde, in Demuth und Bescheidenheit und mit wahr haft mütterlicher Fürsorge widmet sie sich dem Wohle des Hauses. Opferwillig theill sie mit dem Manne die Lasten des Lebens, die Ar beit um's Dasein und verdoppelt seine Freuden durch ungehcuchelte Thcilnahme. Mit wachsamem, umsichtigen Auge und mit kundiger Hand regiert sie das Hauswesen, welches überall die Spuren von Ordnungssinn, Fleiß, Pünktlichkeit und Wohlanständigkcit u. s. w. Da gicbts keine Unsaubcrhcit in Ecken und Winkeln, keine mir auf den Schein berechnete oberflächliche Arbeit an Kleidung und Wäsche, kein aufregendes und entwürdigendes Gellen mit Dienstboten u. s. w. „Sie mehrt den Gewinn mit ordnendem Sinn", stellt keine unerfüll baren Anforderungen an die Kasse des Mannes, um übermäßigem LuxnS zu fröhncu, sondern sucht in weiser Sparsamkeit dem Wohl stände des Hauses aufzuhelfen und in emsiger Thätigkeit, in prunk losem Auftreten ihren weiblichen Schmuck und ihre Zierde. Und wie sie selbst das Bild von Einfachheit, Zucht und Sitte darstellt, so hält sie darauf, daß ihre Umgebung die gleichen Eigenschaften zieren. Wer die Stätte ihres Schaffens betritt, hastet mit wohlgefälligem Blicke zuerst auf ihr; ihr Bild ist das des ganzen Hauses, wie um gekehrt das Hauswesen das Abbild der Hausfrau liefert und beredtes Zeugniß von ihrem Thun und Treiben giebt. Mit feinem Tact, mit würdevollem Ernst und ungekünstelter Freundlichkeit begegnet sie des Hauses Gästen, sicheren Blickes erkundet sie, was des Hauses Glück und Wohlstand mehrt, wie sie nicht minder scharfblickend ist im Er kenne» dessen, was ihr und den Ihrigen Unheil bringt. Welch' herrliche Aufgabe hat der Hausfrau als Mutter der Schöpfer angewiesen! Hast Du Dich, lieber Leser, einmal an dem Bilde schlafender Kinder geweidet, über denen das Mutterauge wacht? Was sind die Kinder für die Mutter? Ihr höchster Schmuck und ihre höchste Zierde. Das bekannte stolz jene edle Römerin Cornelia, welche ihre Knaben als die kostbarsten Perlen, die sie besitze, pries. Die höchste Aufgabe der deutschen Hausfrau ist, solche Perlen heran« zubildcn. Sie muß wissen, daß „von der Kinderstube aus die Welt regiert wird" und daß sie es ist, welche die Kinderstube zu leiten hat und daß Niemand sie ersetzen kann. Sie sei am häuslichen Herde auch in unserer Zeit die Hüterin der Ideale. Ist sie es? (H Dfz. Lagesgeschlchte. Berlin. Die Eröffnung des zum 29. v. M. einberufenen Reichs tages sand an diesem Tage nm 1 Uhr Nachmittags im Weißen Saale des königlichen Schlosses statt. Znvor wurde ein Gottesdienst, und zwar für die Mitglieder der evangelischen Kirche in der Schloßcapelle nm 12 Uhr, für die Mitglieder der katholischen Kirche, in der St. Hcdwigkirchc um 12^ Uhr abgehalten. Fürst Bismarck, welcher am Dienstag Abend völlig gekräftigt zu den Geschäften von Varzin hier her zurückgekehrt, wohnte der Eröffnungsfeier des Reichstags bei. Die Mehrzahl der Pariser Journale druckt die deutsche Reichs- tagsthronrcde ohne Kommentar ab, die übrigen nehmen Act von ihren friedlichen Erklärungen. Das „Journal de Paris" hebt deren Wichtigkeit hervor und sagt: Europa könne unzweifelhaft auf dauer haften Flieden rechnen, wenn Deutschland entschlossen sei, nur zur eigenen Verthcidigung Krieg zu sichren. Die „Times" bespricht die Thronrede des deutschen Kaisers. Der Artikel hebt hervor, daß das Gestirn Deutschlands jetzt sichtlich im Steigen begriffen sei, nachdem der auswärtige Feind besiegt, die Gegner im Innern überwältigt und die Macht des Clerus gebrochen sei. Die friedlichen Versicherungen der Thronrede seien geeignet, allen kriegerischen Gerüchten ein Ende zu machen. Auch die große Anzabl der dem Reichstage vorgclegten gesetzgeberischen Arbeiten lassen den Frieden als nothwcndig erscheinen. Eine Nation, welche so be schäftigt sei, könne nicht den Wunsch hegen, andere Völker mit Krieg zu überziehen. Die am 27. Octobcr erfolgte Entlassung des Grasen Arnim aus der Untersuchungshaft deutet darauf hin, daß der Abschuß der Voruntersuchung nahe ist. Die Bestellung einer Caution von 100,000 Thalern läßt keineswegs lediglich auf einen Fluchtverdacht gegen den Angeschuldigten schließen, der kaum jemals bestanden haben wird, sondern dient dem Gerichte ebensowohl zur Führung gegen etwaige Versuche des Grafen, nach erlangter Freiheit dem Gange der Unter suchung Schwierigkeiten zu bereiten. Die Ausstellung der Anklage seitens der Staatsanwaltschaft wird wegen des umfassenden Materials vermuthlich einige Zeit in Anspruch nehmen. Erst wenn dies geschehen, befindet das Gericht über die definitive Versetzung in den Anklage stand. Der Gerichtshof zu Würzburg erkannte gegen Knllmann am 30. Octobcr 14 Jahre Zuchthaus und 10 Jahre Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht. Dcr Staatsanwalt hatte 15 Jahre beantragt. Aus Prag, das jetzt in rascher Folge die düstersten Beiträge zur Verbrecher-Chronik liefert, tclcgraphirt man dcr Presse: In einem Hause der Klcinseitcner Todtcngasse hat Nachts dcr Modelltischler Joseph Mischkowsky ans Eifersucht sein Weib crdröMt nnd sich dann selbst mit Schwefelsäure zu vergiften versucht. Er wurde noch lebend ins Spital übertragen.