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carlistisch gefärbt angesehen, indem nicht anzunchmen sei, daß der Kaiser zur Zeit aus seiner den verschidenen spanischen Parteien gegen über eingenommenen abwartenden Haltung heraustrete» werde. --- Das Brüsseler Blatt „Le Nord" schreibt über den angeblichen Brief des Kaisers von Rußland an Don Carlos, wenn ein solches Schreiben überhaupt existire, enthalte dasselbe sicherlich keine Aeußerungen, aus denen entnommen werden könnte, daß der Kaiser der carlistischen Sache zugethan sei. Aus Santander, 18. September wird gemeldet: Den Offizieren der deutschen Kriegsschiffe „Albatroß" und „Nautilius" ist von den Bewohnern Bilbans am dortigen Bahnhofe ein Banquet gegeben worden, welchem auch die Offiziere des englischen Kanonenboots „Fly" beiwohnten. Die deutschen Kanonenboote haben sich nach Portugalete begeben. Einen humoristischen Beitrag zur Tagesgeschichte liefern die Re solutionen, die von der Freiheits- und Friedensliga in Genf ange nommen worden sind. Es ist erstaunlich, sagt die „Schw. Grenzpost" die Mittheilung jener Resolution, zu welchen schönen Theorien sich die Einbildungskraft einiger wohlmeinender Phantasten aufzuschwingen weiß, denn in der diesmaligen Sitzung der Gesellschaft wurden kurz und gut die Vereinigten Staaten von Europa decredirt. „Der Friede", so wird die Resolution eingeleitet, „kann nur durch das Gleichgewicht der Nationen und die Errichtung der Vereinigten Staaten in Europa aufrecht erhalten werden. 2. Die Existenz dieser Vereinigten Staaten setzt die Souveränetät und Unabhängigkeit oder Autonomie jedes Staates voraus, und die nationale Autonomie der menschlichen Per son, welche den Gegenstand und die Grundlage jedes Rechts bildet. 3. Jede Nation, ob groß oder klein, kann einen Theil der Ver einigten Staaten Europas bilden, vorausgesetzt, daß sie an ihrer Spitze eine nationale, von jedem fremden Einflüsse unabhängige Re gierung habe und daß sie im ungeschmälerten Besitz ihres Terri toriums sich befindet. 4. Die Vereinigten Staaten von Europa können als conitituirt betrachtet werden durch die Bereinigung von wenigstens drei Staaten, welche eine genügende Kraft Widerstandes leisten, und der Beitritt zur Union wird den übrigen Staaten immer offen bleiben sobald sie sich mit den Grundsätzen derselben einverstanden erklärt haben u. s. w. u. f. w." Die Liga ist in diesem Jahre so schwach besucht und so wenig beachtet, daß die diesjährigen Verhandlungen allgemein als ihr Schwanengesang betrachtet werden. Inhalt und Melodie dieses Vertrages können auch eine Fortsetzung in der That nicht sehr wünschenswerth erscheinen lassen. Für bas Amüsement der öffentlichen Meinung kann auf anderen Wegen gewiß noch zweckent sprechender gesorgt werden. Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Wilsdruff, am 21. September 1874. Aus Breitenbrunn und Glashütte mit ihren Hunderten obdach loser Einwohner kommt die Mahnung, in der Sorge um die unglück lichen Brüder in Meiningen auch ihrer nicht zu vergessen. Wir haben schon seit Wochen erwartet, daß auch von Seiten unserer Stadt etwas für die Unglücklichen zunächst für Breitenbrunn geschehe; viel leicht bedarf es nur dieser Anregung, um eine Sammlung für die Abgebrannten aller drei obengenannten Orte zu veranlassen, fällt die Sammlung auch nicht groß aus, so hilft sie doch immerhin dazu beitragen, daß die Noth von Tausenden gemildert wird. Am Sonnabend in den Nachmittagsstunden entstand im benach barten Kesselsdorf im sogenannten Pfütznerschen Beigute auf bis jetzt unbekannte Weise Feuer und legte dasselbe bis auf die Um fassungsmauern in Asche; wie uns mitgetheilt wird, ist leider eine be deutende Quantität Getreide mit verbrannt. — In der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag brannte in Alttanneberg die Scheune des Mühlenbesitzers Bretschneider total ab und gingen dabei bedauerlicher Weise die sämmtlichen Erntevor- räche zu Grunde. — In der vergangenen Nacht soll, wie uns mitgetheilt wird, in Döhlen der in der Nähe des Königlichen Gerichtsamts stehende Gasthof abgebrannt sein. In Luppa bei Königswartha brannten am 16. September fünf Gehöfte ab. Außer dem Vieh konnte nur wenig gerettet werden. Von den Betroffenen hat keiner versichert und es sind dieselben in sehr trauriger Lage, da sie weder Futter für das Vieh, noch Saat getreide haben. Am 19. d. früh ist in der Scheune des Nahrungsbcsitzers Joh. Pfuhl in Waditz bei Bautzen Feuer ausgebrochen und in Folge dessen das gesammte Pfuhlsche Gehöfte, Wohnhaus, Scheune, Schuppen, Pferde- und Kuhstall, niedergebrannt. Auch 2 Pferde, 6 Stück Gänse, ebensoviel Hühner, sowie ein Kettenhund sind mit verbrannt. Crimmitschau, 17. Sept. Advokat Schraps hat am ver gangenen Dienstag seine ihm von der Polizeibehörde zu Meerane zuerkannte und vom Ministerium des Innern in letzter Instanz be stätigte vierwöchentliche Gefänguißstrafe angetreten. Bekanntlich hatte der Verurthcilte bei einer Versammlung der Steuerzahler im „Bay rischen Hof" zu Meerane dem Verlangen des Chefs der Polizeibe hörde daselbst, das Local zu verlassen, keine Folge geleistet, indem er dem neben ihm stehenden Stadtverordnetenvorsteher Meister den Rath ertheilte, es auf die Auflösung der Versammlung aukommen zu lassen und sich nach der dann wirklich erfolgten Auflösung dem Herrn Chef der Polizeibehörde unter bestem Danke empfohlen. Nach einer Mittheilung des „Dr. Anz." treten mit dem nächsten Monat, für welchen bekanntlich die Einsetzung der neuen Verwaltungs behörden bestimmt ist, Geheimrath Vr. Hübel, die Amtshauptleuie v. Egidy in Meißen und von Vieth und Golsenau in Dresden, sowie der Chef des Sportelfiscalats im Justizministerium, Commifionrach Münz — insgesammt langjährige Staatsdiener — in den wohlver dienten Ruhestand. Die von den drei Letzteren innegehablen Aenner sind bereits anderweit besetzt. Die Stelle des zuletzt Genannten, eines unter den Sportel- und Cassenbeamten des Landes wohlbekannten Herrn, ist einem im Cassensach sehr bewanderten Sportclbeamten aus Leipzig mit dem Titel „Generalrevisor" übertragen worden. Die Entlassung der Reservisten und zur Disposition zu Beur laubenden erfolgt in der allernächsten Zeit, so daß die Entlassungen in der zweiten Hälfte dieses Monats beendet sein werden. Der Ein tritt der Necruten der Infanterie ist bis gegen Mitte December d. 3> hinausgeschoben und findet in der Mehrzahl der Fälle neun Tage später als im vorigen Jahr statt, wie denn auch seit 1871 die Ein- tritlsfristen regelmäßig verlängert worden sind, so daß chatsächlich von einer dreijährigen Dienstzeit eigentlich keine Rede mehr ist. Aus Dresden vom 16. September berichtet das „Dr. I."' In der Nacht vom Sonntag zum Montag ist in der Nähe von Pill nitz der daselbst stationirte Gensdarm von mehreren Männern meuch lings überfallen worden, und sind ihm hierbei mehrere Stichwunde" beigcbracht worden. Derselbe wurde bald darauf in besinnungsloses Zustande auf der Straße liegend aufgefunden und in seine Wohnung nach Pillnitz gebracht. Am 13. September d. I. versammelten sich im Bergschlößche" bei Zwickau die vereinigten Stellmacher Zwickaus nnd Umgegend, haben dabei den Preis - Courant, welcher am 3. Stellmacherläg i" Glauchau von 67 Vertretern Sachsens für den Zwickauer Kreisdirec- tionsbezirk festgestellt worden ist, einstimmig angenommen und sich verpflichtet, nur nach diesem Preiscourant zu arbeiten. Pirna, 15. September. Am Donnerstag Nachmittag ist in Hirschmühle bei Schandau der Steuermann Köhnel dadurch verun glückt, daß er beim Abstößen von der Zille mit dem Staken auf eine» großen Stein stieß, abrutschte und in die Elbe stürzte, wobei er nach mehrmaligen Hilferufen seinen Tod sand. Der Verunglückte ist 35 Jahr all und hinterläßt eine Frau und 5 Kinder. Der bejahrte Va ter Kühnels, sowie dessen älteste Tochter mußten vom Lande aus das schreckliche Schauspiel mit ansehen. Wie der „Pirn. Anz." berichtet, ist am 15. September von Mit tag 12 Uhr an die Kirche nebst Thurm in Berggießhübel total niedergebrannt. Die Entstehungsursache des Feuers ist unbekannt. In Arnoldsgrün bei Schöneck starb am 15. September die Ehefrau des Gutsbesitzers und Kirchcnrcchnungsführers Schwager aU Verblutung. Ein Ochse hatte sie in den Unterleib gestoßen und ^die große Schlagader getroffen. In verschiedenen Gegenden des Voigtlandes wird von den Bäckern gerühmt, daß sie das Weißbrod in einer den Preisen des Getreides entsprechenden Größe und Güte liefern und nicht erst eine Pression abwarten, wie manche Fleischer. Hertasgrün. Einem Bauer widerfuhr das Unglück, daß, als er auf einen Hasen geschossen hatte, der Papierpfopfen im Walde einen Brand entzündete, so daß der unglückliche Jäger dem Besitzer eine Entschädigung von 25 Thlr. zahlen mußte. UeberdieS hatte ec bei dem Versuche, das Feuer zu unterdrücken, seine Stieseln voll ständig aufgeopfert, der Hase aber war mit ziemlich heiler Haut ent kommen. n In Paris. Novelle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Agathe hatte sich in einen Winkel des Zimmers zurückgezogen und sich bis dahin ganz still verhalten. Die widerstreitend sten Em pfindungen bewegten ihre Brust. Wohl liebte sie ihren Verlobten in diesem Augenblicke so tief und innig wie immer, aber es schmerzte sie, daß er so rücksichtslos ihr gegenüber seiner Freude Ausdruck ver liehen. Ja, ihr war cs vorgekommen, als sei selbst sein Gefühl für sie schwächer geworden durch die feurige Theilnahme an dem Glück seiner Nation. Er halte sich bisher so ruhig und vorurtheilsfrei gezeigt, diesen von dem heimtückischen Usurpator frivol hinaufbeschworenen Krieg als ein schändliches Verbrechen an der ganzen Menschheit hart vcr- urthcill nnd jetzt riß ihn der erste Erfolg mit fort und raubte auch ihm die ruhige Besinnung. Das hatte sie von ihm nimmermehr er wartet. Die Festigkeit, die Gleichmuth seines groß angelegten Charakters hatte sie zuerst angezogen, ihre Bewunderung abgezwungen, er war so ganz anders, wie sie Alle und nun! — Sie fühlte ein namenloses Weh, und die Ahnung, daß ihr noch schwere, verhängnißvolle Herzens- kümpse bevorstanden, zog durch ihre Brust. Die begeisterten Worte Georgs rissen sie aus ihrem schmerzliche» Hinbrüten. Wie war ihr Vetter Plötzlich verwandelt, dessen Schwer fälligkeit ihre jnnge feurige Seele stets sehr streng beurtheilt hatte- Wäre er nicht dabei so gutmüthig gewesen, sie würde ihn frühes arg verspottet haben; so aber hatte sie ihn mit der Freundlichkeit» die man einem Verwandten schuldig, behandelt, nur auf ihr Herz konnte er niemals Eindrnck machen und ein solch' pflegmatischer