Volltext Seite (XML)
Wochenblatt Wilsdruff, Tharandt, Neffen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. ^Dieses Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags und kostet vierteljährlich 10 Ngr. — Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag. 71. Freitag, den 11. September 1874. Der hiesige Lumpenbändler Johann Gottfried Lützner, welcher sich am 24. vor. Monates mit einem Handwagen von hier entfernt hat, wird seitdem vermißt. Man befürchtet, daß ihm ein Unglück zugestoßen sei und ersucht deshalb um Mittheilung aller Wahrnehmungen, die zu seiner Ermittelung dienen können. Lützner ist 54 Jahr all, von langer hagerer Gestalt, hat dunkelblonde Haare, blaugraue Augen, spitze Nase, langes Gesicht, kann, weil er mit seinem Körper zittert, weder ruhig gehen noch stehen, war bei seinem Weggange mit schwarzem Rock, weißer Weste, graucarrir- ten Hosen, Lederschnhcn, schwarzem Halstuch und blauer Unterziehjacke bekleidet und trug einen schwarzen Filzhut. Königliches Gerichtsamt Wilsdruff, am. 8. September 1874. Leonhardi. Zur KmituißWhM und Aachachtung. Heute ist Carl Heinrich Max Voigt hier als Raths- und Polizeidiener für hiesige Stadt in Pflicht genommen worden. Wilsdruff, am 4. September 1874. Der Stadtrath. Ficker, Brgmstr. Stadtrath. Ficker, Brgmstr. Heute Nachmittag V-6 Uhr soll auf dem hiesigen Rathhause im Sessionszimmer noch eine zweispännige Militär- Spanufuhre nach Dresden an den Mindestfordernden vergeben werden. Wilsdruff, am 11. September 1874. Tagesgeschichte. Aus Meiningen kommt ein lauter dringender Hilferuf an unser Ohr. Am Sonnabend erscholl in später Nachmitlagsstundc Fcuerlärm in den sonst so stillen Straßen der freundlichen kleinen Residenz. Das Feuer war in einem Bäckerhause in der Schlundstraße ausge brochen, der starke Wind peitschte die Flammen vor sich her und als Exirazüge die Feuerwehren der benachbarten Städte herbeiführlen, kam die Hülfe zu spät, die halbe Stadt war bereits in Schutt und Asche gelegt. Zweihundert Wohnhäuser und hundert Nebenge bäude Wurden zerstört. Sonntag früh gegen 2 Uhr gelang cs, dem Wüthen des Elements Einhalt zu thun und dem Umsichgreifen des Feuers ein Ziel zu setzen. Aus den Trümmern aber schlugen die Flammen noch mächtiger empor und entsetzt flüchteten die Bewohner der benachbarten unversehrten Häuser ins Freie. Die Zahl der Ob- dachloscn wird auf dreitausend angegeben. Den Aermstcn fehlt es an Allem, ihre ganze Habe ist ein Raub der Flammen geworden; sie sind froh, das nackte Leben gerettet zu haben. Der Herzog von Meiningen, der sich m Licbenstein aushiclt, eilte auf die Nachricht von der Feuersbrunst sofort nach seiner Residenz. Er erließ einen Aus ruf und sorgte selbst für rasche Hilfe. Um aber die Noth der Abge brannten zu lindern, ist die Mitwirkung der Nachbarländer dringend nöthig, die Kräfte des Herzogthums sind zu schwach gegenüber der Tragweite des Unglücks. Der Appell an die Großherzigkeit der grö ßeren deutschen SckwesterstLdte wird gewiß sofortige ausreichende Hilse zur Folge haben, denn nicht nur reichlich, vor Allem rasch müssen Alle das Ihrige thun und den armen Obdachlosen bcispringen, wenn ihnen, die von Allem entblößt, den größten Entbehrungen preis- gegeben sind, wahrhafte Linderung ihres Unglücks werden soll. Ge rade die ärmeren Klagen sind es ja, welche am härtesten betroffen wurden. Der Werth der niedergebrannten Gebäude wird auf drei Millionen veranschlagt. Unter ihnen befinden sich das Rathhaus, das Landschaftsgebäude, das Gymnasium, die Druckerei des „Tage blatt" und mehrere große Brauereien. Das unpalriotffche Verhalten der katholischen Pfarrämter in München bei Gelegenheit der feierlichen Enthüllung des Denkmals für die Gefallenen am Tage des Nationalfestcs, hat, wie man dem „N. K." von dort schreibt, den dortigen „Kriegcrbund" zu folgender, leides nur zu gerechtfertigten Resolution veranlaßt: „Der anläßlich der Sedanseier am 2. September 1874 zum Gencralappell angetrc- tene „deutsche Kriegcrbund München" spricht in der Erwägung, daß die katholischen Pfarrämter von München das Geläute der Kirchen glocken zur Enthüllung des Denkmals für die auf dem nördlichen Friedhöfe ruhenden 300 deutschen Krieger verweigert haben, — wäh rend sie das kirchliche Geläute bei anderen Anlässen, wie beispiels weise der Eröffnung von Jahrmärkten gegen Bezahlung anstandslos gestatten, — Namens der todten Kameraden dieser Priesterschast seine tiefste Entrüstung aus und erklärt sie unwürdig der Opfer an Blut und Leben, welche die deutschen Krieger auch für sie gebracht haben." Dieser Tage werde» nun auch die neuen silbernen Fünfmark stücke, welche der Reichstag im Widerspruch mit dem Münzgesetz- cntwurf neben dem goldenen Fünfmarkstück beschlossen hat, ausgegeben werden und in den Verkehr gelangen. Sie haben ein recht gefälliges Aussehen. Was die Einziehung 2er alten Münzen anbctrifft, so wird sich dieselbe nunmehr auch auf die Zwei-Gulden- und sodann auf die Zwei-Thalcr-Stücke ausdehncn. Die vielen und anhaltenden Klagen über ungewöhnliche Ge schäftsstille in Deutschland sind berechtigt und durch schlagende Zahlen bestätigt. Die Einnahme des Reichs an Zöllen und Ver brauchssteuern sind in dem ersten Halbjahr 1874 um 3,240,000 Thlr. hinter den Einnahmen des ersten Halbjahres 1873 zurückgeblieben, der Ausfall für das ganze Jahr wird nicht unter 6 Millionen Thlr. betragen. Das sind also nur die Zölle und Steuern, von den Ge schäften, wie groß muß da die Summe sein, um welche der Gesammt- umsatz im Handelsverkehr sich verringert hat.' Wie groß ist das Geschrei über die angebliche Verfolgung der katholischen Kirche in Deutschland und namentlich in Preußen! Und doch, wie schonend und langmüthig wird gegen die Bischöfe und Geistlichen, welche dem Gesetze Widerstand leisten, vorgegangen. Da greifen die Schweizer rascher und entschiedener durch, seit einem Jahre schon und heute noch. Hat doch soeben die Negierung in Genf 10 katholische Geistliche, welche die Ablegung des verfassungsmäßigen Eides verweigerten, auf einmal des Amtes entsetzt und den Kirchen- rath beauftragt, für die Verwaltung der erledigten Stellen zu sorgen. Die Landung der österreichischen Nordpolfahrer Payer und Weyprecht sammt Genossen in Norwegen ist eine frohe Botschaft für die ganze gebildete Welt. Am 13. Juni 1872 waren diese kühnen, l todverachtenden Männer auf dem Schiffe Tegetthof zu einer wissen- I schaftlichen Entdeckungsreise unter Segel gegangen und seit einem ' Jahre verschollen und verloren gegeben. Sie haben nach der kurzen