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gen» diese Nachricht ihrer Nachbarin mittheilte, rief Letztere, eine Li berale ans: „Ich wollte, daß diese Donna Blanka zum Lohne für ihre Missethaten auf dem Wege hierher gekreuziget würde." Kaum waren Vie Carlisten eingezogen, so dcnuncirte auch schon die erster wähnte Frau ihre Freundin bei einem der Führer und dieser eilte zur Donna Blanca, ihr die Vernrtheilung der Verbrecherin anhcim- stellend. Donna Blanca diktirte folgende Strafe: Die Frau wird ge federt durch alle Straßen der Stadt geführt; hinter ihr her wird ihr Gatte schreiten, welcher der Frau 50 Hiebe zu versetzen hat. Er wird diese Hiebe mit aller Kraft führen, da er im widrigen Falle füsilirt wird. Nach Beendigung des Umzugs werden dem Manne jene 50 Hiebe zurückerstattet, die er seiner Frau gespendet." Donna Blanca verlangte auch, daß eine Tochter dieses Ehepaares, ein junges schönes Mädchen, gleichfalls gefedert werde; allein auf gewisse Ein flüsse hin blieb dieser Theil des Urtheils unausgeführt. Diesem Ur theile zufolge wurde die Frau entkleidet, mit Honig und Theer be strichen, in welche Substanzen eine Unzahl kleiner und großer Federn gesteckt wurden, auf einen Esel gesetzt und durch die Straßen geführt; ihr folgte ihr Gatte, mit einem Prügel versehen. Er wurde vo» einem carlistischen Detachement mit Bajonnetstichen bedroht, wenn er nach ihrer Ansicht auf sein Weib, die Mutter seiner Kinder, nicht kräftig genug losschlug. — Es gehört zum richtigen Verständniß die ses Ereignisses, daß bis zum Beginne unseres Jahrhunderts die Strafe des Federns speciell jenen Weibern zuerkannt wurde, die bei werkthätiger Unterstützung der Prostitution irgend einen großen Scan- dal hervorgerufen hatten. Das Geschrei der Unglücklichen, die dumpfe Entrüstung iu der Bevölkerung, der heulende Jubel der Carlisten — dies Alles producirte einen schauerlichen Totaleffect. Milten hindurch, sagt der „Orden", flüsterte man sich die Worte Donna Blanca's, die ser „Hyäne der Theokratie", zu: „Auf diese Weise wird man uns achten lernen." Man zweifelt an dem Aufkommen des unglücklichen Ehepaares. — So geht es im Lager des edlen Don zu, der bekannt lich nur nach seinen Thaten beurihcilt zu werden wünscht. Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Das neueste Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes bringt die schon seit einiger Zeit mit Spannnng erwarteten Ausführungs verordnungen zu den neuen organischen Verwaltungsgesetzeu und zu Lem Gesetze über das Volksschülwesen. Wie das „Dr. I." schreibt, ist Veranstaltung getroffen, daß ein von einem Beamten des Ministe riums des Innern bearbeiteter Leitfaden für die Gemeindevorstände und die Bürgermeister iu mittleren und kleinen Städten, welcher den selben für ihre künftige Amtsführung Weisung und Nath ertheilt, demnächst im Druck erscheint. Das nächstfolgende Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes soll die ergangenen Verordnungen noch nach einigen Seiten ergänzen. Namentlich soll eine Verordnung des Justiz ministeriums die Uebersicht der künftigen Eintheilung des Landes nach Gerichtsbezirkcn unter Angabe der einzelnen zu jedem Gerichts bezirk gehörigen Ortschaften in ähnlicher Form, wie dies 1856 ge schehen ist, veröffentlichen. Die „Dr. Ztg." schreibt: Eine Aufforderung des Kirch envor- siandes der Kreuzparochie im gestrigen Dr. Anz. giebt uns Ver anlassung unverholen unser Bedauern auszusprechcn. Wieder ist vom „Erlös" oder der „Ermicthung" von Betstübchen oder Plätzen in der Kreuz- und Frauenkirche die Rede und der Vorstand fordert — weil bei vorgenommcner Revision der Betstübchen in den beiden genannten Kuchen, sowohl der gelösten, als auch der ermiethcten, sich ergeben Hal, daß die Berechtigung der Inhaber derselben mehrfach zweifel haft ist auf, bis längstens zum 31. Oktober c. die Ansprüche unter Vorlegung der Löse- bez. Mieth-Scheine zn bekräftigen. Erfolgt der Besitznachweis bei Ablauf dieser Frist nicht, so soll über diejenigen Betstübchen, zu denen Inhaber sich nicht legitimirt, anderweitig ver fügt werden. Wir bemerke», daß uns keine Gehässsigkcit gegen die Kirche oder gar gegen die Religion beseelt, aber nur mit aufrichtig stem Bedauern haben wir schon längst bemerkt, daß dieser Plätzehan del im Golteshause noch immer getrieben wird, noch immer nicht als etwas Verwerfliches abgetha» worden ist. Also auch in der Kirche, vordem Altar des Herrn, vor der Kanzel der Ständeunterschied, der Unterschied von Wohlhabend und Arm, die Bevorzugung der Be sitzenden. „Kommt her zn mir Alle, die ihr mühselig seid und be laden,'" sagt Christus, aber er setzte nicht hinzu: und wer mich recht bequem hören und sehen will, der kaufe sich bei meinen Jüngern Karten auf die besten Plätze. Es wird Zeit, daß für diese kirchlichen Mißstände ein neuer Reformator kommt. (Vorstehenden Artikel bringen wir um deswillen zum Abdruck, weil wir mit der Redaction dieser Zeitung in diesem Punkte vollkommen eüwerstanden sind. Auch wir halten den Schacher mft den Plätzen in Der Kirche für einer der unchristlichstcn Gebräuche.) Dresden, den 15. September. Gutem Vernehmen nach ist von Seiten der königlichen Siaatsregierung für den Wiederzusammen- tritt unseres Landtages der 1. October dieses Jahres in Aussicht ge nommen. Neusalza, 10. Sept. Bei einem im benachbarten Neu-Oppach am 6. d. M. stattgehabten Brande vermißte eine Frau ihren 4jährigen Knaben. Durch die Thür war ein Eindringen in das Haus voll ständig unmöglich. Da drückte nach kurzer Ueberlegung der zehnjäh rige Sohn jener Frau eine Scheibe ein, verletzte sich dabei allerdings erheblich, stieg aber trotzdem durch das Fenster ins Haus und rettete sein vierjäbriges Brüderchen vor dem sicheren Tod in den Flammen. Die Rettungsmedaille dürfte dem kühnen Knaben sicher sein. Freiberg, 12. September. Vorgestern fuhr ein 8jährige- Mädchen ihr 2jähriges Brüderchen in der Promenade spazieren. Eine anständig gekleidete Frau, welche einen halbjährigen, in ein Bett gewickelten Knaben trug, trat an das Mädchen heran und legte das Kindchen mit dem Bemerken in den Wagen, sie wolle Zucker für dasselbe holen und sie solle das Kindchen bis zu ihrer Rückkehr im Wagen behalten. Das arme Mädchen wartete über eine Stunde, und als die Frau noch immer nicht zurückgekehrt war, klagte sie weinend Vorübergehenden ihr Schicksal, bis endlich von einer hiesigen Einwohnerin das Kind einstweilen in Verwahrung genommen wurde und noch heute gepflegt wird, denn die Mutter hat sich nicht wieder blicken lassen. , 2" In Paris. Novelle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Doktor Aubert war jetzt säwn an die Seite Agathens getreten und Hand in Hand stand das Paar dem jungen Mann gegenüber, der bereits seine Selbstbeherrschung wiedergewonnen halte: „Ja, theuere Agathe, Dir gönne ich jedes Glück," sagte er mit etwas ge preßter, wenn auch ruhiger Summe, während seine ehrlichen blauen Äugen mit einem Anflug tiefer Sebwermnlh auf dem schönen Mädchen ruhten. „Und auch Ihnen, Doktor," wandteer sich zu diesem, „Sie werden Agathe glücklich machen, davon bin ich überzeugt, denn ich weiß, wem meine Cousine ihr Herz schenkt, der ist auch ihrer Liebe würdig; aber verzeihen Sie mir nur, daß ich die frohe Nachricht mit solch' ernster Miene anfnehmc; soeben ist die telegraphische Depesche von einem großen französischen Siege eingetroffen und —" Georg stockte, er besann sich, daß er einen Vertreter dieser Nation vor sich hatte und seine patriotische Klage diesem gegenüber nicht recht am Orte war. Kaum hatte jener das Wort heraus, da erschien vr. Aubert wie verwandelt. All' seine Selbstbeherrschung, die er sonst zur Schau trug, war dahin, er jauchzte laut auf und jubelte: Ah, ich war wohl überzeugt, daß wir siegen würden! Wissen Sie bereits Näheres, wo hat die Schlacht stattgefunden? O sagen Sie mir Alles, ich brenne vor Ungeduld!" In seiner wilden, stürmischen Begeisterung schienet ganz zu vergessen, daß es ein Deutscher war, an den er sich mit diesen hastigen Fragen gewandt Halle. Auch der Republikaner, der von einem napoleonischen Siege die größere Befestigung der Tyran nei gefürchtet, war in ihm erstorben und in der Freude untergegangen über die neue „Zloiro," die seinem Vaterlands zu Theil geworden. „Es ist noch keine offizielle Miltheilung da; aber Extrablätter bringen so eben die Nachricht von einem großen Siege der Franzosen bei Saarbrück. Prinz Friedrich Karl soll mit I5M0 Mann ge fangen sein." „Ah, das ist großartig, daß ist herrlich!" rief vr. Aubert mit funkelnden Augen. Er wollte in seinem Freudenräusche Agathe jubelnd umarmen, aber als er sic so kalt und starr dastehen sah, schien ihm plötzlich die Erinnerung zu kommen, daß seine Braut eine Deutsche war. „Laß Dich nicht betrüben, mein Herz. Was braucht Dich das Geschick der Deutschen noch zu kümmern, hier ist für immer Dein Vaterland, Dn gehörst jetzt der großen Nation an, deren un sterbliche Thaten die Welt bewundert." Ueber Agalhens Antlitz zuckte ein schmerzliches Lächeln. Bisher hatte sie wenig nach der Nationalität des thenren Mannes gefragt. Sie liebte ihn heiß und innig und was hatte sie sich da zu kümmern, daß die beiden Völker in grimmer Wulh wieder aufeinander schlagen wollten? Jetzt — in diesem verhängnißvollen Augenblicke kam es ihr plötzlich zum Bewußtsein, daß ihr Verlobter Franzose und sic eine Deutsche war. — Sein Jnbel schnitt ihr tief ins Herz. . . . Wie konnte er so wild und stürmisch aufjauchzen über das Unglück eines Volkes, dem sie angchörte! Ihr war cs, als ob sich Plötzlich zwischen ihm und ihr eine Scheidewand austhürme, die rasch wieder die verbundenen Herzen trennen müsse. „Verzeihe mir," fuhr vr. Aubert lebhaft fort, der in seiner Be^ geisterung ihrer bedrückten Schweigsamkeit weiter keine Beachtung schenkte, „aber es duldet mich nicht mehr im Zimmer, ich muß hinaus, den Jubel hören, mir Gewißheit schaffen über diese Freudenbotschaft. Er umarmte seine Braut zwar zärtlich, aber dennoch flüchtig, grüßte die Andern und stürmte hinaus. „Was hast Du für Nachrichten gebracht?" fragt der alte Peltzer, der still vor sich hingebrütet und aus das französische Geschwätz nicht geachtet hatte: „Der Doktor war ja ganz aus dem Häuschen, aber setz' Dich doch —" Georg nahm an der Seite des Alten Platz und berichtete, was den Parisern soeben vom Kriegsschauplatz verkündet worden. „In der Stadt ist die Nachricht schon überall verbreitet," setzte er hinzu, „und die Franzosen geberden sich gerade als ob sie von der Ta rantel gestochen worden. Hier wird wohl auch bald der Spektakel los gehen." Und wirklich drang jetzt schon ein wildes Freudengeheul von der Straße in das Zimmer und deutlich ließen sich die Ausrufe hören: graucko viotoirs! Der alte Peltzer schüttelte den Kopf. „Ich glaubs noch nicht/ sagte er nachdenklich. „Ihr Napoleon, dieser Lügenkaiser wird ihnen was vorgemacht haben. Ja, wenn die Preußen noch allein wären, aber diesmal helfen sie ja Alle und ich müßt meine Baiern nicht kennen, Wenns gilt, die Franzosen tüchtig durchzubläuen, da raufen sie sich wie die wahren Teufel."