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s Mochte er eine Entscheidung bringen, welche er wollte, diese lange, tödtlich lange Zeit banger Erwartung war entsetzlicher, als die schrecklichste Gewissheit. Und sie mußte ruhig scheinen, sie durfte durch keinen Blick, keine Miene verrathen, wie es in ihrem Innern aussah, welche Seelenangst sie empfand. Endlich nach langem, langem Warten erschien der Beamte wieder. Ihr Gefickt behielt den starren, kalten Ausdruck bei, aber ihr Herz klopfte so stürmisch, als müsse es ihr zerspringen. Wollte er sie noch länger auf die Folter spannen oder hatte er wirklich andere Geschäfte zu erledigen? — Er ging zuerst auf den Protokollführer zu, sprach mit ihm leise längere Zeit, und schien die Anwesenheit von Fräulein Melzer nicht zn beachten. Sie wollte sich erheben, uuu selbst an ihn von Neuem die Frage richten, ob sie jetzt endlich abtreten dürfe und öffnete wohl den Mund aber kein Ton kam über ihre Lippen und noch ehe sie die Herrschaft über sich selbst wiedergcwonnen hatte, wandte sich der Criminalrichter ihr plötzlich wieder zu, warf einen flüchtigen Blick auf das Papier und sagte mit einer Höflichkeit, die in diesem Falle den Beigeschmack bitterer Ironie hatte: „Verzeihen Sieh, daß Sie so lange warten mußten, aber das Gericht hat soeben Ihre sofortige Verhaftung be schlossen." Wohl war sie in der langen, qualvollen Stunde alle Möglich keiten durchgegangen, wohl hatte sie selbst gesagt, es könne doch der Fall sein, daß die Schrcibverständigen in ihrer Handschrift eineAchn- lichkeit mit den Schriftzügen des Zettels entdeckten und doch hatte sie eine sofortige Verhaftung nicht in ihre Berechnung gezogen. -- Man konnte höchstens die Untersuchung gegen sie einleiten und sicher mußte ihre Freisprechung erfolgen, wenn sie nicht den Kopf verlor. Aber auf eine sofortige Abführung in's Gesängniß war sie nicht gefaßt, und wie sic auch sonst sich in der Gewalt halte, sie vermochte dies mal ihre Bestürzung nickt zu verbergen. Mühsam gewann sie wenigstens so weit die Fassung wieder, daß sie hervorstammeln konnte: „Dars ich wissen, was Sie zu dieser unerhörten Maßregel veranlaßt?" „Die Schreibversländigcn haben einstimmig ihr Gutachten dahin abgegeben, daß Ihre heut geschriebenen Worte und die auf dem Zettel von einer Hand herrühre»," entgegnete der Beamte trocken. „Und darauf hin will man mich verhaften!" rief Eleonore, die allmälig ihre kühle Besonnenheit wiederfand. „Als ob cs etwas Trügerischeres gäbe als solche Handichrislenvergleichung!" „Das gehört zu Ihrer künftigen Vcrthcidigung", erwiderte der Richter: „Jetzt bleibt Ihnen freilich nichts Anderes übrig, als sich in den Beschluß des Gerichts zu fügen!" „Es wird mir wenigstens gestattet sein, noch einmal nach Hause zurückzukehrcn," sagte Eleonore nach einer Weile mit bitterm Lächeln, „denn ich muß gestehen, daß ich nicht erwarten konnte, man werde mit solckrr Schonungslosigkeit gegen eine Dame Vorgehen, auf deren Ruf nicht der kleinste Flecken ruht." Der Beamte zuckle die Achseln: „Wie ich Ihnen bereits mit- gethcilt, lautet der Spruch des Gerichtshofes aus sofortige Verhaftung." Eleonore preßte die schmalen Lippen zusammen und vermochte kaum die Thrüncn der Wuth und des Schmerzes zurückzuhalten, die ihr unaufhaltsam iu's Auge traten. Sie suchte mit den Fingern ihrer Rechten, den Handschuh an ihrer linken Hand noch glatter zu streifen, ergriff dann ihren Schirm und erhob sich mit ruhigem An stand. Eine flüchtige Verbeugung gegen den Beamten sollte andeutcn, daß sie bereit sei. Wenige Minuten später saß sie im Gesängniß. Auch ihre Freundin wurde von Neuem cingczogen. Bei der Schlußverhandlung gegen den alten Clemens hatte jetzt der Vertheidiger desselben leichtes Spiel. Seiner ohnehin glänzenden Bercdtsamkeil gelang es, die Freisprechung des alten Mannes zu er wirken, der sofort wieder in den Dienst des Barons zurückkehrte und jetzt für seinen Herrn eine wahrhaft rührende Treue und Ergeben - benheit an den Tag legte. (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. In Kärnten, erzählt Braun, fand ich, daß das Deutsche nicht vorrückt, im Gegenlheil, es drohte zurückzuweichen; denn Deutsch sprachen in der Regel nur ältere Leute. Die Jugend sprach aus schließlich wendisch, oder wie sie dort sagen, Windisch. Im Slellwa- gen traf ich eine wohlhabende Bäuerin aus dem nächsten Dorf, und da sie, obgleich slavischer Nasse, doch deutsch ziemlich gut sprach und verstand, so unterhielt ich mich mit ihr über Land und Leute, n. a. fragte ich sie, ob denn die Kinder in der Schule nicht gut Deutsch lernten, meines Wissens sei das doch für Kärulhen gesetzlich vorgc- schrieben, —Nein, antwortete sie, sie lernen's nitl. Ich möcht' schon lieber, daß, meine Kinder Deutsch lernten, man kommt damit besser durch die Welt, wo man ja das Windische nilt versteht. Ich möcht's gerne und der Schulmeister möcht's schon auch. Aber die geistlichen Herren, die selber Deutsche sind, wollens nitt. Das ist nichts für die Kinder, sagcn's, denn im Deutschen hat's gar so viele böse Bücher, und die dürfen's nitt lesen, sonst leidcn's Noth an ihrem Glauben und ihrer Seel' und kommen nimmer in's Himmelreich; im Windischen aber, sagcn's, da gibl's koa Buch als a Katechism' uud a G'betbuch, und das ist g'nug für an richtig'» Christ'nmenschen. So sagen die geistlichen Herren. Aber schaun's, i bin selber a '.Windische, aber das sag' i doch, Deutsch muß mau lernen, denn man kann doch kan windische Brief schreib'n, die verstehen's ja draußen nitt. Und wenn man vom Deutsch-Les'n in die Höll'n kam, dann müßten die geistlichen Herren selber z'erst 'neinkommcn. Denn sie sind ja selbst Deutsche und thu'n immerfort deutsche Bücher und Zeitungen lesen. —So ge schehen am 7. August 1864, fährt Braun fort; ich habe es mir zur selben Stunde ausgeschrieben, so tiefen Eindruck machte auf mich diese harmlose und doch grausame Kritik einer slavischen Bäuerin gegen deutsche Priester, welche gegen ihre eigene Muttersprache wüthen, um ihrer auf Unwissenheit gebauten Herrschaft nicht verlustig zu werden. * Ein großartiges Naturereignis ist der Berg- oder vielmehr Waldsturz in dem Gebirgszuge des Steinkopf, circa 2 Stunden Wegs von S. Leopoldo in Brasilien. Ein Grausen überfällt den Wanderer, wenn er sieht, was hier die Natur in kaum 10 Minuten schuf. Haus hohe Felsen, die von dem Wasser untergraben worden waren, setzten die Waldricscn in Bewegung und führten dieselben nebst dem ganzen Humusboden fort, nichts als die kahle Grundfläche von jungem Sand stein zurücklassend. Das Chaos von zersplitterten, zerdrehten und in Millionen Stücke zerschellten Waldriesen ist grauenhaft und flößt je dem Beschauer Ehrfurcht vor der Allmacht ein. Der Bergrutsch be wegte sich aus KirchlhumShöhe von dem Lande eines Deutschen ab wärts, passirte in der Niederung auf ungefähr 10 Brassen Entfernung das Wohnhaus eines Brasilianers, und plötzlich eine durch das Ter rain bewirkte Wendung nehmend, schoß er in fast rechtem Winkel in ein Thal, welches dem Deutschen gehört, auf dessen Lande er begann. Der Brasilianer sah gelähmt vor Schrecken die Katastrophe mit an, unfähig zu flüchten, da seine Frau im Kindbett liegt, glaubte er un ter den Trümmern des Hauses begraben zu werden, als die plötzliche Schwenkung ihn rettete. Der Tod war den berühmten siamesischen Zwillingen ein gnädiger Operateur. Er hat die zusammengewachsenen Brüder in New-Jork an einem Tage abgerufen, den einen nur zwei Stunden später als den andern. Ju Mühlhausen in Elsaß lebt ein armer Greis von 72Jah ren, der nicht mehr arbeiten kann. Acht von seinen zwölf Kindern leben in Mühlhausen und haben ihr genügendes Auskommen. Er bat jeden seiner Töchter und Söhne, ihm monatlich 2'/r Franks zu geben, damit er leben könne und mehre erklärten sich bereit, wenn die andern auch bciträtcn; die andern aber verweigerten diese Unter stützung. Der Alte klagte und der Richler vernrthcilte die acht Kin der jedes zu einer jährlichen Gabe von 30 Franks. Mehre der Schwiegersöhne gebärdeten sich in dem Termine so schlimm, daß sie der Richter mit Einsperrung bedrohte, und vor der Thür gab's unter den Geschwistern eine große Schlägerei. Eine neue böse Bestätigung der alten Erfahrung, daß ein Vater eher 12 Kinder ernährt, als 12 Kinder einen Vater. Es ist in der neuesten Zeit der Versuch gemacht worden, gefror- neS Fleisch aus Australien einzuführeu und eS soll solches Fleisch in bestem Zustande in England bereits ««gekommen und von dem frischen kaum zu unterscheiden sein. Wenn sich die Sache bewähren sollte, so verspricht man sich in Australien davon eine Quelle des Ncjchlhums und im Mntterlande (England) billigeres Fleisch. Wel chen Einfluß die Einfuhr australischen Fleisches auf unsere Fleisch preise ausübcn wird, muß vorerst noch abgewartet werden. Ein Berliner Fabrikbesitzer machte zur FrühftückSzcit seinen Gang durch die Arbcitssäle, und traf einen Arbeiter bei geräuchertem Lachs und einem Schoppen Nothwein. Guten Appetit! ries er ihm clwaS spöttisch zu. Der Arbeiter verstand's und antwortete: Du lieber Gott, jetzt hat man doch wenigstens eine menschenwürdige Excellen^ Omnibus-Fahrt zwischen Wilsdruff und Dresden vom I. Januar 1814 bis auf Weiteres. Abfahrt von »1lk: Montags Dienstags Mittwochs Donnerstags Freitags früh 7 Uhr. Sonnabends I früh 7 Uhr und Sonntags s Nachm. 4 Uhr. L Billet S Ngr. Abfahrt von Gasthans zum Sächsischen Hof, Breitcstraße Nr. 2. Montags Dienstags Mittwochs Donnerstags Freitags Sonnabends Nachmittags 4 Uhr. Sontags früh 7, Mittags 11 u. Abends 6 Uhr. L. SIvrrnnnn. Wochenmarkt zn Wilsdruff, am 23. Januar. Eine Kanne Butter 21 Ngr. — Pf. bis 22 Ngr. — Pf. Ferkel wurden eingebracht 117 Stück und verkauft ä Paar 7 Thlr. — Ngr. bis 11 Thlr — Ngr. Dresdner Getreidebörse, 23. Januar. An der Börse. pro 1000 Kilogram Weizen weiß 88 Thlr. — Ngr. bis 95 Thlr. — Ngr. Weizen braun 81 - — - - 93 - — - Korn 67 - — - - 77 - — - Gerste 78 - - - - 85 - — - Hafer 55 - — - - 62 - — - Auf dem Markte. pro Hektoliter. Hafer 2 - 25 - - Z - 15 - Kartoffeln 1 - 25 - - 2 - 5 - Heu L Ctr 1 - 15 - - 1 - 20 « Strohs. Sch. 7 - 10 - - 7 - 20 - Die Kanne Butter 22 bis 27 Ngr.