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3 geweht zu fühlen und den uns lieb gewordenen Platz von einem Andern besetzt zu sehen. „Louise fand am ehesten den Ucbergang zum alten, herzlichen Ton und begann zu erzählen, wie heute vor wenig Stunden ein Herr plötzlich in das Zimmer getreten, und sie geglaubt, es sei ich, der endlich zurückgekehrt; wie sie ihn Alle herzlich empfangen, und dann sei es nicht ich, sondern der Bruder gewesen. Doch trotz Louisens Bemühen kam cs nicht mehr zu einem die Dissonanz lösenden Ge spräch; ich konnte der gedrückten, trüben Stimmung nicht Herr wer den, ich fühlte, daß mein Bruder das Herz Mariens im Fluge wieder gewonnen habe, daß sie für mich verloren sei. Ich mußte die Ruhe, die Einsamkeit suchen und brach auf, Kopfschmerzen, Ermüdung von der Reise vorschützend. Mein Bruder wollte mich begleiten, ich hielt ihn zurück; nur die Mutter sagte herzlich: „Kommen Sie morgen zu uns, daß wir Ihnen Alles erklären," und drückte mir theilnehmend die Hand. „Ich ging in meine Wohnung, setzte mich in der Dunkelheit ans Fenster und starrte hinüber auf die an der Gardine hinschwebenden Schatten. Endlich verlosch auch dort das Licht, und noch immer lehnte ich die brennende Stirn an die kalten Scheiben und starrte hinaus in die Nacht. Wie verlassen, vereinsamt war ich, um alles Lebensglück betrogen! Weibertreue, du bist nur eine leichte Schnee flocke, die der nächste Sonnenstrahl auftrinkl! . . . Aber bald wurde ich ruhiger. Würde Marie meinem Bruder die alte Liebe geschenkt haben, überlegte ich, wenn er wirklich schuldig war und sie vergessen hatte? Nein, nein, er lieble sie noch, und dann war's gut, dann hatte ich keine Rechte und war nur vom Schicksal auserschen, die Brücke zu bilden, die zwei durch außergewöhnliche Verhältnisse ge trennte Herzen wieder zusammenführen mußte. Und was wollte ich denn? Hatte Diarie nicht immer geschwankt, und war wohl das Verhältniß zwischen uns "über das einer herzlich-brüderlichen Freund schaft hinausgegangen? Und so, meiner Stimmung und meiner Ent schlüsse Herr, ging ich am andern Morgen hinüber. „Ich fand nur die Mutter und Louise anwesend nnd erfuhr nun, was ich geahnt: daß Adelheid in blinder Leidenschaft Mariens Briefe unterschlagen und, um das Verhältniß für immer zu trennen, ihre älteren Briefe zurückgeschickt, und daß Hermann dennoch der ersten Geliebten das Herz bewahrt habe. „Gerade daß meine Cousine Adelheit zu weit gegangen war und in ihrer unglücklichen Eifersucht sich zu einer Täuschung hatte ver leiten lassen', hatte ihr jetzt meines Bruders Herz völlig entfremdet. Während der Krankheit meines Bruders war es ihr leicht gewesen, sich der früheren Briefe Mariens zu bemächtigen, und durch Zuruck- sendnng derselben war es ihr beinahe gelungen, die beiden Liebenden für immer auseinander zu bringen. Jetzt war doch der Pfeil auf sie selbst zurückgcschnellt . . . „Und dies Aufklären, dies Verständigen," setzte Lonise beim Schluß ihrer Erzählung hinzu, „knüpfte die zerissenen Bande um die Liebenden wieder fest.' Marie fühlte; daß sie — nur Hermann ge liebt, und wenn sic vielleicht in ihrem Herzen Hoffnungen erregt habe, sie nur durch Ihre Aehnlichkeit mit dem Bruder getäuscht worden sei." „Ach, nur dies nebelhafte, träumerische Schwanken," bemerkte die Mutter, „das zwischen den beiden Brüdern nicht unterscheiden konnte, hat vielleicht Marie irrcgeführt. Zürnen Sie ihr nicht. Daß sie so schnell wieder mit allen Herzensfasern Ihren Bruder erfaßt, und zwischen diesen beiden Seelen in wenig Stunden die alte Har monie hergestellt worden, zeigt am deutlichsten, wie Marie nicht anders kann, wie sie nur Einen wahrhaftig innig und sür's ganze Leben geliebt Hal, und noch liebt, und dies ist Ihr Bruder." „So habe ich doch den Diarien zugcfügtcn Schmerz wieder gut gemacht, indem ich ihr den verlorenen Geliebten zugeführt," sagte ich ruhig, ^md die Mutter drückte mir herzlich die Hand. "Sie uns gewiß ein lieber lhcurcr Freund." „Und lch werde ja Ihr Schwager," wandle ich mich scherzend zu Louise, um den noch in meiner Bellst nachzitlernden Schmerz zu verbergen, und küßte ihr die Hand. Da trat Hermann herein, und ehe mich derselbe anrcdcn konnte, ging ich auf ihn zu und sagte: „Du siehst, ich bin auf dem schönsten Wege, mir Trost zu suchen." „Louise aber, um ihre Verlegenheit zu verbergen, faßte uns Brüder am Arme und führte uns der cintretcnden Marie entgegen, indem sie lachend fragte: „Wer ist nun der Rechte?" „Maric blickte meinem Bruder selig in die Augen, wie nur ein Strahl aus diesen hcrrllchen Sternen strömen konnte, und ich fühlte: Das war Liebe, die trunkene Liebe, wie ich sie in dieser Innigkeit nie gekostet .. . , . „Es litt Mich Nicht mehr m N Ich kam um meine Versetzung ein; es ging rascher, als ch gedacht haue, und vier Wochen darauf war ich gerüstet zur Abreise in die Residenz. „Mein Bruder hatte sich als Advokat in die kleine Stadt ver setzen lasten und bereitete inzwischen die Hochzeit vor. Ich dagegen war glücklich, noch vor derselben abrelfen zu können, und ging zum letzten Male hinüber, um Abschied zu nehmen. Welche Gedanken und Gefühle bewegten da meine Brust, und doch "waren es nur wenige Schritte! Ich schied ruhig von Marie, rer ich damit sichtlich den peinlichen Augenblick erleichterte. Aber As ich mich zu Louisen wandte und ihr zum Abschied die Hand reichte, da sah ich eine Thräne in dem Auge des sonst so heiteren, sonnenhellen Kindes; ihre Hand zitterte, als sie in der meinen ruhte, und eigenthümlich bewegt blickte ich auf die liebliche Erscheinung. Mein Bruder gab mir bis auf den Bahnhof das Geleit und theilte mir mit, was ich bereits zu ahnen begann, — Louise liebte mich. „Es war zu spät zu weiteren Erklärungen, ich saß bereits im Wagen, der Zug setzte sich in Bewegung und trug mich zur Residenz. „Lange blickte ich auf das Städtchen zurück, das für mich so reiche Erinnerungen barg, und endlich, als der letzte Thurm mir aus den Augen verschwunden war, drückte ich mich in eine Ecke und ließ die Ereignisse und Bilder jener Tage an mir vorüberziehen. Noch einmal empfand ich die volle, schmerzliche Tiefe ihres Verlustes, und doch, — sonderbares Mcnschenhcrz — ein Jahr später trug mich der Dampfwagen zum zweiten Mal hinaus aus der kleinen Stadt, und die ich so heiß geliebt, stand mit ihrem Dianne, meinem Bruder, am Waggon und winkte mit dem Tuche Lebewohl, während an meiner Seile — eine lächelnde, rosige Fraucngestalt saß, mein mir ange trantes Weib, das mir die Hand drückte, mich freundlich ansah und leise fragte: „Ist es verschmerzt?" „Gewiß — ich bin unendlich glücklich," war meine Antwort. „Und da habt ihr sie, mein Herzensweib, meine Louise, beendete der Assessor seine Erzählung und umarmte die liebenswürdige Frau. Sie sah lächelnd zu ihm ans und sprach fast ein wenig eifersüchtig: „Daß nur keine neue Verwechselung stattfindet. „Bravo! Bravo!" riefen wir Alle, nnd der Assessor am lautesten: „Noch eine Bowle? Klingeln Sie doch, meine Herren!" Vermischtes. * Aus Zürich kommt ein weiterer Bericht über die Fortschritte, welche die Anregung für die Einführung der Leichenvcrbrcnnung auch anderwärts macht. Der Bürgermeister und der Nath der Stadt Brüssel haben an den Stadlrath von Zürich das Ansuchen gestellt: er möchte denselben die in Zürich geltenden Reglements für Leichen- veibrcnnung mittheilen. Natürlich konnte der Stadtrath momentan dem noch nicht entsprechen. Ebenso vernimmt man deS Weiteren: In dem neuen Projecl eines Sanilälsgesctzes für das Königreich Ita lien ist die Verbrennung als fakultative Bestattungsart angenommen; vom Senat ist dieses Gesetz genehmigt und wenn die Kammer der Dcputirtcn ihre Zustimmung giebt, woran gar nicht zu zweifeln ist, so werden wir diese Methode bald in Praxis sehen, da in den großen Städten Oberitalicns bereits zahlreiche Vereine hierfür bestehen, und z. B. das Municipium von Mailand das Berbrennungssystcm für die auf seine Kosten zu bestattenden Leichen ohne Zweifel sofort einführen wird. Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Mittwoch, den I. April: Mittag 12 Uhr: Beichte. Donnncrslag Vormittags predigt Herr Diakonus Canitz. Communion. Charfreitag: Vormittags predigt Herr?. Schmidt. Nachmittags S Uhr predigt Herr Diaconus Canitz. Post Bericht für die Kaiserliche Post-Verwaltung vom 1. April 1874. Abgehende Posten: 1. Personenpost nach Dresden 6 Uhr früh; 1.Botenpost nach Mohorn 8^/2 Uhr Vorm.; 2. Personenpost nach Dresden 2 Uhr Nachm.; Personenpost nach Nossen 3 Uhr 15 Min. Nachm.; 2. Boten post nach Mohorn 9 Uhr Abends. Ankommende Posten: 1. Votenpost von Mohorn 5'/r Uhr früh; 1. Personcnpost von Dresden 8 Uhr Vorm.; 2. Botenpost von Mohorn IV2 Uhr Nachm.; Personenpost von Nossen 1 Uhr 45 Min. Nachm.; 2. Personenpost von Dresden 8 Uhr 30 Min. Abends. Dienststunden für den Verkehr mit dem Publikum vom I. April an. An den Wochentagen: von früh 7 Uhr bis 12 Uhr Mittags und von 2 bis 7 Uhr Nachm. An den Sonntagen: von früh 7 Uhr bis 9 Uhr Vorm, und von 2 bis 5 Uhr Nachm. An Festtagen, welche auf einen Wochentag fallen: von früh 7 Uhr bis 9 Uhr Vorm.; von 11 bis 12 Uhr Vorm.; von 2 vis 5 Uhr Nachm. Kaiserliche Postvcrwaltung. Göbler. in »viILn. Erscheint täglich, Abonnement 1 Thlr. 20 Sgr. pro Quartal. Ertheilt unentgcldlich Rath für Börsengeschäfte in ausführlichen Briefen. Auch werden Börsengeschäfte billigst besorgt. Berlin, Kommandantenstraße 88. Ein Sprenggurt wurde gefunden und ist abzuholen beim Glaser Schmidtgen. Ein junger zuverlässiger Mensch, welcher sich als Hau-knecht eignet, wird zum 1. Mai gesucht von Heinrich Lucius.