Volltext Seite (XML)
Sicbcnlchu und die Umgegenden. Umtsölatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags und kostet vierteljährlich 10 Ngr. — Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag. 19. Freitag, den 6. März 1874. Tagesgeschichte. Die wichtigste Commission des Reichstages ist die Militär- Commission. Der Kampf in derselben ist oft so lebhaft, daß man in dem Getümmel manchmal kaum den Freund von dem Feinde unter scheiden kann. Das schwarze Centrum hat seine Sturmfahne entrollt und Herr v. Mallinckrodt ist der Fahnenträger. Er kämpft für 2jährige Dienstzeit und für Aushebung der Einrichtung der Einjährig- Freiwilligen, die er ein unerträgliches Privileginm nennt. Er kämpft unter der Maske der Volksfrenndlichkeit gegen das Militärgesetz und macht der Reichsregicrung den Vorwurf, „sie suche den Krieg einzu fädeln und unsren Nachbarn, den Franzosen, aufzuzwingen." München, 28. Februar. Endlich können wir sagen, daß die Cholera in unserer Stadt aufgchört hat. Sie machte viel Lärm in die Well und die Münchener konnten sich kaum aus der Stadt hinaus wagen, da sie überall gefürchtete Gäste waren. Und doch trat die Seuche hier nicht besonders auf; es starben täglich 6 bis 12 Personen, die Anzahl der täglich Gestorbenen überstieg die Zahl 20 nicht und das ist bei einer Einwohnerschaft von 180,000 Menschen immerhin keine bedeutende Zahl. Die Acrzle haben Alles aufgebvlen, um dem Ursprung und der Art der Verbreitung der Krankheit auf die Spur zu kommen; aber noch immer hat man keine sichern Resul tate. Die. allgemeine Ansicht geht dahin, daß der Ansteckungsstvff in der Luft liege, wohin er aus den Aborten aufsteige, daß ihn Alle einathmen, daß er aber nur bei dazu disponirten Naturen zur Ent wicklung komme. Die Choleraluft muß allerdings an bestimmte Plätze gebunden sein, sonst müsse sie ja auch in benachbarten Orten ihre Wirkung zeigen und sie muß sich von unten, aus dem Erdboden, immer von neuem entwickeln, sonst würde sie durch die Stürme, welche beständig über unsere Fläche hinbrausen, längst vertrieben worden sein. Die Geschäfte haben während der Cholerazeit sehr gelitten; die Fremden mieden die Stadt; der Carneval, welcher sonst vielen Leuten Verdienst gab, ist still vorübergegangen, alle Tanzbelustigungen waren verboten. 3» Paris ist die heilige Jungfrau einer jungen Nonne aus dem Kloster von Aotro Dame erschienen und hat zu derselben ge sagt: „Es werden große Unruhen Frankreich betrüben. Aber wenn der ^-turm am stärksten ist, wird ein Mann erscheinen, der in der Furcht Gottes lebt; große Wunder werden seine Ankunft bezeichnen. Alle lranzöstschcu Herzen werden sich ihrem Befreier zuwenden. An der Spitze feiner Armee wird der Mann Gortes sich auf Italien stürzen, um den Papst zu retten. Zwei preußische Armeen werden zu gleicher Zeil ausrücken. Die eine in Frankreich wird zuerst sieg reich sein, und Paris bombardiren, die andere in Italien wird von dem Wanne Gottes mit Hülfe zweier anderer Mächte besiegt werden. Darauf wird dre deutsche Armee dasselbe Unheil treffen. Sie wird in einer letzten und furchtbaren Schlacht in der Gegend von Belfort vernichtet werden. Die Franzosen werden die Trümmer derselben bis über den Nhem hinaus verfolgen." Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Uebcr das Bahnproject Dresd en - Leipzig berichtet die Dresdner Presse: „An die Ausführung des Projekts einer direkten Bahnverbindung zwischen Dresden und Leipzig scheint jetzt mit aller Energie gegangen zu werden. Gegenwärtig sind Ingenieure mit dem Absu'chen der Trace beschäftigt. Dem Baue einer Bahn, die über Höhenzüge und Thäler geführt werden muß, stehen natürlich auch Schwierigkeiten entgegen, doch schreckt heute die Wissenschaft nicht mehr vor ihnen zurück und manches, was früher für unmöglich ge halten wurde, ist schon zur Ausführung gebracht und bewährt sich. Bei diesem Projekt dreht es sich um Ueberwindung von Steigungen und Ueberbrückung verschiedener Thäler. Die erstem treten zwischen Dresden und dem höchsten Punkte der Bahn — Nöhrsdorf-Ullendorf, wo die Kohlenbahn aus dem Plauenschcn Grunde einmünden soll — am grellsten auf. Der Ausgangspunkt in Friedrichstadt-Dresden mag circa 110 Meter und der höchste circa 260 Meter über der Ostsee liegen, so ergiebt dies auf jener Entfernung, welche über 15000 Mtr. Luftlinie beträgt, immer erst ein Stcigungsverhältniß von 1 : 100; dieses wird aber durch Einschnitte und Curven vermindert, wenn nicht die Ockerwitz-Rennersdorfer Gegend rc. zu überschreiten Mühe kostet. Das Triebischthal bietet für den Uebergang ebenfalls Schwierigkeiten, doch ist ein sehr günstiger Punkt bei der Neidmühle gewählt. Von Ostrau, dem Kreuzungspunkt mit der Chemnitz-Riesaer Staatsbahn und dem Abgangsorte der nach Lommatzsch-Meißen in Aussicht genommenen Zweigbahn, wird fragliche Linie leicht fortzusetzen sein." (Schöne Aussichten dies für unsere Stadt; man glaubt bei Durch- lcsung des Vorstehenden fast gar nicht, daß dies dasselbe Projekt sei, auf welches wir so große Hoffnung gesetzt; hoffen wir, daß die sächsische Regierung die Concession zum Ba» der Linie Dresden« Leipzig einer Gesellschaft nur dann crtheilt, wenn dieselbe unser stiefmütterlich behandeltes Städtchen in besserer Weise bedenkt, als wie oben in Aussicht steht; möge sich aber auch die Stadt Wils druff und die Umgegend rühren, ehe es zu spät sein wird. — Z. B.: wiederholt an den Landtag petitioniren — direkt an die Re gierung gegen solches Verfahren appelliren u. s. w. D. R.) Die sächsische Negierung hat sich zur Auflösung des k. Ober- appellationsgerichls zu Gunsten eines obersten Reichstribunals verstan den und diesen Entschluß in Berlin angezeigt. Der Prokurist des Bankgeschäftes Meusel u. Schulz in Zittau ist nach Unterschlagung einer Summe von 15,800 fl. zum Nachtheile genannter Firma flüchtig geworden. In Zittau gedenkt man mit der Realschule eine Handelsschule zu verbinden. Bürgermeister Erchenbrecher und Genoffen zu Leisnig verlangen in einer Petition an den Reichstag, daß aus dem Gesetzentwurf über das Heerwesen, ferner ans dein Exercir- und Manövrir-Neglcmcnt die fremden (französischen) Worte möglichst entfernt und an deren Stelle deutsche gesetzt werden sollen. Die „Dr. N." schreiben: Unseren Hausfrauen wird eS an genehm sein, zn erfahren, das nach allen Berichten aus Brasilien eine Kaffee-Ernte bevorsteht, wie wir eine solche bis jetzt noch nicht ge kannt haben. Auch die so ungewöhnlich niedrig angeschlagene 1873/74er Rio-Ernte erweist sich als erheblich größer und steht nach den künst lichen Treibereien des abgelaufenen Jahres ein nicht mehr aufzu hallender Rückgang der Kaffcepreise unzweifelhaft bevor; wie denn auch aus London gemeldet wird, daß Preise seit Freitag um drei Schillinge gewichen sind. Im Laufe des Jahres 1873 sind im Regierungsbezirke Dresden 239 Selbstmorde vorgekommen — 33 mehr als im Jahre 1872, SS mehr als im Jahre 1871 — und zwar: 187 von männlichen und 52 von weiblichen Personen. Die meisten Selbstentleibungen kamen vor in Stadt Dresden (54). —> Die Gesammtzahl vcrtheilt sich mit 99 auf die. Städte und 140 auf die Dörfer des Regierungs bezirks. Der Lohgerbermeister Wechsler, 33 Jahr alt und Familienvater, in Kamenz ist am 2. d. M. früh in seinem eigenen Dampfwerke vom Treibriemen erfaßt und so gegen die Decke geschleudert worden, daß er sofort eine Leiche war. In Cainsdorf hat am 28. Februar eine Frau ihr zweijähriges Kind auf den Rand eines mit kochendem Wasser gefüllten Kessels gesetzt. Das arme Kind ist in einem unbewachten Augenblick in den Kessel gefallen und in Folge der hierdurch erlittenen totalen Ver brennung Tags darauf gestorben.