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Wochenblatt für Wilsdruff, Tl-araudt, Nossen, Sicbculchn und die Umgegenden. Umtsölatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Diese- Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags und kostet vierteljährlich 1V Ngr. — Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag. ^7 12. Dienstag, den 10. Februar 1874. In der Nacht zum 23. dss. Mts. sind aus einem Gebäude in Herzogswalde mittelst Eindrückens einer Fensterscheibe und Einstei gens, aus verschiednen Localitäten 20 Ngr. in verschiednen Münzsorten, 1 Schrot Speck circa 3 Pfd., einige Stück Cigarren und eine kleine Quantität Tabak gestohlen worden. Zur Ermittelung des Thüters und Wiedererlangung des Gestohlenen wird dieser Diebstahl hiermit zur öffentlichen Kcnntniß gebracht. Wilsdruff, am 29. Januar 1874. Königliches Gerichtsamt daselbst. Leonhardi. Tagesgeschichte. Der Reichskanzler Fürst Bismarck eröffnete am 5. Febr. den deutschen Reichstag mit Vorlesung einer Thronrede, in weicher des Kaisers lebhaf tes Bedauern ausgedrückt wird, daß er verhindert sei, den Reichstag in seiner neuen Zusammensetzung persönlich zu begrüßen. Nach einem Rück blick auf die Arbeiten des vorigen Reichstages wird hervorgchoben, daß die Gemeinsamkeit der Gesetzgebung ans allen schon vor Grün dung des Reichstages gemeinschaftlichen Bundesgebieten ausnahmslos durchgeführt und die gemeinschaftliche Finanzwirthschaft verfassungs- mäßig geordnet sei. Die Vertreter der dnrch frühere Kriege dem Reiche entrissenen, durch den Frankfurter Frieden aber wiedcrge- wonnenen Lande seien zum ersten Male im Reichstage vertreten. Die Hauptstelle unter den Vorlagen nähme das allgemeine Militär gesetz ein, das von dem dem vorigen Reichstage vorgeleglen Ent würfe wenig abweiche, und durch welches nicht bloß einer verfassungs- mäßigen Verheißung, sondern namentlich der ersten Pflicht eines je den Staates, die Unabhängigkeit seines Gebietes und die friedliche Entwickelung seiner geistigen und wirlhschafllichcn Kräfte zu schützen, genügt werden soll. Die rechtliche Stellung der Presse sei bereits Gegenstand der Berathung im Bundesrath und Reichstag gewesen, das Bedürfniß nach einem gemeinsamen Preßgcsetze sei zweifellos. Herr Most, von welchem im Reichstage vertreten zu sein Chem nitz und Umgegend die Ehre haben wird, verkündet u. A.: Im Verein mit den übrigen social-democratischen Abgeordneten werde ich jederzeit energisch gegen die Vergewaltigung des arbeitenden Volkes protestiren. Den politischen Heuchlern will ich die Larve vom Gesicht reißen und den Vorhang lüften, welcher das Comödicnspiel ver hüllt, das zu Berlin aufgcführt wird. Wohl wird die social-dcmo- kratische Minorität, welche im kommenden Reichstage sitzen wird, nicht in der Lage sein, gegen den Willen der vereinigten Volksfeinde die ganze Gesetzgebung umzugestaltcn, allein sie wird immerhin manchen nichtswürdigen Plan zu vereiteln vermögen. Mindestens wird sie bei jeder Gelegenheit den Herren Volksvertretern die ungeschminkteste Wahrheit ins Gesicht schleudern. Und das wird gewiß nicht ohne Wirkung bleiben. Berlin, 7. Februar. Die bei dem heutigen Meeting im Nath- haussaale vorzulegende Resolution lautet.' Mitglieder deutschen Reichstages und beider Häuser des preußischen Landtages, Vertreter der hauptstädtischen Verwaltung und der Bürgerschaft, Männer der Wissenschast, Kunsk und aller Berufsklasscn haben sich versammelt im Ralhhause zu Berlin und sagen den Versammlungen in St. James- Hall und Excterhall ihren tief empfundenen Dank für die am 27. Jan. gefaßten Beschlusse. Dieser warme Ausdruck der Sympathien Eng lands für den deutschen Kaiser und die deutsche Ration in Ihrem Widerstande gegen die Politik der ullramontancn Partei der katholischen Kirche ist ein Unterpfand, daß beide Nationen auch in Zukunft treu Zusammenhalten werden in mannhaftem Kampf für die bürgerliche und religiöse Freiheit der Völker. Zu den neuesten Ereignissen der französischen Zcitungsdiplomatie gehört, daß die Franzosen mit Italien wieder ins Einvernehmen zu kommen suchen. Der Zweck dieses Manövers ist klar: Italien soll on seinem Bundesgenossen Deutschland getrennt werden. Aber die Art und Weise, wie man das in Frankreich, resp. in Rom ansängt, denn die beiden Mächte Papst und Frankreich sind gegen wärtig nicht nur die natürlichen, sondern auch die ingrimmigsten Feinde Deutschlands, ist cigenthümlich genug. „Die Italiener," so schreibt ein französisches Blatt, „liefern wenigstens keine Altkatholiken. Ungläubige, Atheisten mag es unter ihnen geben, aber doch keine Leute von der Sorte Döllingers. Wir werden uns also schon mit ihnen verständigen können." Da schauen wieder einmal die Ohren des römischen Fuchses heraus. Mil Ungläubigen kann sich Nom vertragen, mit Anders gläubigen nie. Es macht, wenn sich kein anderer Bundesgenosse fin det, auch mit einem Heiden oder Türken Gemeinschaft gegen die evangelische Kirche in Deutschland, die cs ja als seinen Erzfeind be- trachlcl. Und da der Kampf gegen das deutsche Reich ungleich schwieriger ist, als man sichs gedacht hat, so sucht man diesem Reiche seine Bundesgenossen zu entfremden. Bisher hat Nom allerdings nichts als eine Reihe von Niederlagen zu verzeichnen. Die erste war die Frankreichs, denn hinter der Kaiserin Eugenie steckte und agirte Rom und Hoffle auf diesem Wege Preußen zu" dcmülhigcn und Oesterreich wieder an die Spitze Deutschlands zu stellen. Dann hoffte man ein Bündniß der europäischen Mächte gegen das deutsche Reich zu Stande zu bringen und es war allerdings auf kurze Zeit gelungen, Italien etwas kühl gegen uus zu stimmen; Belgien neigt ohnedies mehr zu Frankreich, England überwacht mit Sorge und Eifersucht die Fortschritte des deutschen Handels, Oesterreich möchte auch gern seine allen Einflüsse wieder geltend machen — aber aus dem Plan, Deutschland zu isoliren, ward nichts, welmchr steht Rom jetzt mehr wie jemals isolirt da und — cs fühlt das. Oesterreich und Italien stehen im Begriff, sich von dem verderblichen Zusammenhang mit Rom mehr und mehr los zu machen, England nimmt in großen öffentlichen Demonstrationen Partei für Deutschlands Kampf gegen das Papstthum, und Frankreich, die Hoffnung und die Rache Noms, hat auf eine deutsche ernste Vermahnung bezüglich der Ausschreitungen seiner Bischöfe klein bcigeben müssen.' Daher die Freundschaft zu Italien — das doch den Papst gefangen hält! — daher der Trost: Italien liefert zwar Ungläubige genug, aber doch wenigstens keine Altkatholikrn! Wenn wir's nicht aus dem preußischen Abgcordnetenhause wüß ten, hier könnten wir's erkennen, wie groß und wie tief der Haß der Römlinge gegen die Alttatholikcn ist. So hat vor 350 Jahren päpstliche Herrschsucht den Ernst deutscher Religiosität gehaßt und der Haß ist heule noch derselbe — die Herrschsucht auch. (H. Dz.) Seit dem Eintreffen der Nachricht von der Verhaftung Ledoch- owski's sind die 95 Männer hes schwarzen Ccntrums in Berlin gleichsam ein einziges Ohr, um den Wnlbschrci der Welt zu hören. Sie haben sogar den Telegraphen als Hörrohr benutzt, um nicht einen Laut zu überhören. Sic hören aber nicht und fragen ver wundert: Was sagt denn die Welt dazu? — Die Leute sägen gar nichts, sie sprechen kaum dovon und scheinen es in der Ordnung zu finden, daß ein Bischof entweder seine Schulden bezahlt oder, wenn er es nicht tyut, behandelt wird wie andere Leute ohne Stab und Stecken. Wenn in Rom wirklich Lie Parole ansgcgcben sein sollte, daß alle Bischöfe cS Ledochowski nachmachcn und Märtyrer werden sollen, so wird man sich jetzt vielleicht anders besinnen.