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Die Blicke der Spanier hängen an der Stadt Bilbao. Diese Stadt wird von den Carlisten belagert und beschossen und von dem General Castillo verlheidigt. Als der Carlisten-Gencral sie anfforderte, sich zu ergeben, da Ersatz nicht in Aussicht sei, antwortet« der Com- mandant und das Volk, sie würden bis zur letzten Patrone und bis zum letzten Stück Brod aushalten. Die Frauen der Stadt erichteten eine mit Brod, Seide und Allas überdeckte Barricade, hingen eine Katze an den Pfoten auf, daneben eine Wurst und schrieben an die Barricade: Die Stadt wird sich ergeben, wenn die Wurst die Katze fressen wird. Serrano eilt zur Hülfe, er hat an Stelle des ge schlagenen Generals MorioncS den Oberbefehl über die Negierungs truppen übernommen. Die Politiker in Madrid sehen jetzt ein, daß sie viel zu viel intriguirt und geschwatzt haben, während die Car listen handelten und eroberten. Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Wilsdruff, den 19. März. Der nächste Sonntag wird durch den auf diesen Tag fallenden Geburtstag des Helden- Kaisers Wilhelm, wie es den Anschein hat, in ganz Deutsch land zu einem großen Festtag sich gestalten. Hoffentlich wird auch unsere Stadt nicht zurückbleiben, sondern durch Beflagg ung der Häuser u. s. w. wiederholt zu erkennen geben, welch großen Dank tvir unserm Kaiser zunächst für Schaffung eines einigen, nach Innen und Außen starken deutschen Vaterlandes schuldig sind. Wie wir hören, wird in der Gesellschaft Er holung zu Ehren des Tages ein Festessen stattfinden, bei welcher Gelegenheit, wir sind dessen gewiß, manch patriotisches Wort zu Ehren des Kaisers gesprochen werden wird. Die freireligiöse Gemeinde in Dresden sprach sich in einer am vergangenen Donnerstag abgehaltenen Versammlung im Princip für Leichenverbrennung aus. Das Programm der öffentlichen Volksschulen Dresdens, wel ches von der Directorenconferenz verausgabt worden, spricht sich der übertriebenen Zärtlichkeit mancher Eltern gegenüber dahin aus, daß eine mit Ueberlegung und im Nvlhfalle beigebrachte schmerzhafte Züchtigung für die gute Erziehung und in Erweckung des Ordnungs- wie des Sittlichkeitssinncs und deren Stärkung nur heilsam und för derlich sei. „Thöricht wäre cs, wollten die Lehrer auch rohen, zucht- und bandenlosen Rangen blos durch rührende Worte Respect vor dem Gesetze einflößen. Wer nicht hört, muß fühlen!" Im Auftrage des Leipziger Lchrervereins und unter Zustimmung des größten Theiles der sächsischen Lehrerschaft veröffentlicht Lehrer Julius Beeger in Leipzig eine von ihm unter Mitwirkung einer Commission ausgearbeitete Denkschrift über „Die Lehrerbesoldungen in Sachsen". Diese Schrift ist durch die bekannte Landlagsrede des Abgeordneten Penzig über die Besoldung der sächsischen Lehrerschaft veranlaßt, eine Rede, in welcher die Letztere schwere Unbilden gegen sich erblickt, die sie entschieden abwehren zu müssen glaubt. Gestützt auf sorgfältige statistische Erhebungen, führt die Denkschrift den Nachweis, daß für das Loos der Lehrer im Allgemeinen noch viel zu thun übrig bleibt', um es zu einem erträglichen zu gestalten. „Hätten die fünftausend Männer", so heißt es an einer andern Stelle, „welche jetzt Lehrer in Sachsen sind, in ihrer Jugendzeit ge wußt, was ihnen bcvorstände, nicht die Hälfte, vielleicht nicht der vierte Theil derselben wäre Lehrer geworden." Um dem sehr fühlbaren Mangel an Ghmnasiallehrcrn abzuhelfen hat die russische Regierung an der Universität Leipzig 20 Stipen-, dien zu monatlich ZO THlrn. für Philologie-Studirenbe errichtet, von denen 15 an gälische Ruthenen vergeben werden. Nach Absolvirung eines zweijährigen Cursus sind die Stipendiaten verpflichtet, vier Jahre an russischen Gymnasien gegen einen Gehalt von 1200 bis 1500 Silberubel zu unterrichten, wobei ihnen Militärfreiheit zuge sichert ist. In den Frciherl. Burgker Werken haben die Steinkohlen seit dem I. März abgeschlagen. Dippoldiswade, 16. März. Wie die „Weiß.-Ztg." berichtet, hat sich in der Sladtkasse nach dem Tode des am 31. Januar d. I. verstorbenen Cassirers A. ein Dcsecit von 4000Thlr vorgefunden; der der Stadtkaffe erwachsende Verlust beläuft sich indeß durch Jnne- behaltung der gestellten Caution und einige andere Deckungen nur noch auf 2900 Thlr. A. hatte um das Deficit zu verstecken, feit dem Jahre 1858 doppelte Einnahmejournale geführt, die vorgefunden worden sind. Die Erben des Verstorbenen haben den Nachlaß desselben an die Stadt abgetreten. In Schneeberg und Lößnitz sind die socialdemokratischen Parteimitgliedschaften von der Polizei aufgelöst worden. Vor Kurzem spielte die 10jährige Tochter des Lehrers Petrich zu Bühlau bei Stolpen mit anderen Kindern in der Scheune eines dortigen Gutsbesitzers und fiel so unglücklich aus einem Loche der Tenn'eüwand ans die Tenne, daß sie in Folge einer gering scheinenden Verletzung am Kopfe bald darauf starb. Ber dem am 10. d. M. in der 4. Nachmittagsstunde stattge fundenen Sturme wurde der Gutsbesitzer Braunsdorf in Hirschfeld von einem umstürzenden Strohwagen so beschädigt, daß er nach einigen Stunden an den erhaltenen Verletzungen verschieden ist. Geithain, 13. März. In der Nacht vom 5. bis 6. d. M. begab sich der Fahrer Kirsten der hier garnisvnirenden 2. reitenden 2 Batterie in den Stall, um eines seiner Pferde „lang" zu Hängen, und wurde von einem Pferde derart an die Stirn geschlagen, daß er sofort besinnungslos niedersank und gestern an den erhaltenen Verletzungen trotz sorgfältiger Behandlung starb. Grimma, 13. März. Vorgestern Mittag ist in dem zum Ritter gut Pomßen gehörigen sogen. Curtswalde Feuer ausgebrochcn und sind dadurch etwa 20 Acker 7 bis 10jähriger kieferner Bestand und 1 '/r Acker birkener und eichener Niederwald eines Altenhainer Gutes theils ungebrannt, theils angekohlt. Ein Knecht ist geständig, einen brennenden Cigarrenstummel in dem am Walde hinführenden Fahr wege liegende trockene Grasstreue geworfen zu haben, wodurch der Brand entstanden ist. Der Sparcassencontroleur Weidner in Grimma ist seit Kurzem flüchtig geworden, nachdem er nicht unbeträchtliche Veruntreuungen begangen hatte. In der Sitzung des Reichstages am 11. März wurden die Wahlen der beiden sächsischen Abgeordneten Eysoldt und von Könne- ritz, gegen die von socialdemokratischer Seite Protest eingcreicht wor« den war, für giltig erklärt. Die Einwendungen liefen in der Haupt sache darauf hinaus, daß Arbeiterstimmcn durch Verabreichung von Bier gewonnen worden, in den Wahllocalen Stimmzettel für die ge nannten Candidaten gelegen hätten, daß ferner in verschiedenen Or ten mehr Stimmen abgegeben worden seien, als Wähler vorhanden u. s. w. In Königsfeld bei Rochlitz soll der Pastor frei und öffent lich gesagt haben: Wer Fink aus Leipzig wählt, erhält keine Grab rede von mir", und derselbe Pastor soll den ganzen Nachmittag bei der Wahlurne gesessen haben, um zu sehen, wer den Candidaten Fink wählt, da die Fink'schcn Zettel etwas kleiner und dadurch erkennbar waren. Die gesummten Angaben waren indessen so hinfälliger Art, daß selbst die socialdemokralischcn Abgeordneten nichts zu ihren Gun sten anzusühren hatten, und es wurden die Proteste einstimmig zu rückgewiesen. Das Generalpostamt hat neuerdings auf ein an dasselbe gerich tetes Schreiben erklärt, daß es in seiner Absicht liege, von einem noch näher zu bestimmenden Termine ab I) den Coupon derPacket- adrcssen zu verbreitern, um den Absendern einen größeren Raum für die schriftlichen Mittheilungen zu geben, 2) den Coupon mit dem Aufgabestempel zu bedrucken, 3) bei frankirten Packeten den Betrag des erhobenen Francos von der Postanstalt auf dem Coupon be merken, und 4) bei unbestellbaren Packeten den Vermerk über die Unbcstellbarkeit auf den Coupon, soweit derselbe dazu Raum bietet, setzen zu lassen. " Ein Kleeblatt. Skizze aus der Berliner Gnunerwelt von Ludwig Habicht. (Fortsetzung und Schluß.) Er sah mehrmals nach der Uhr und wurde ungeduldig. Die herbeigerufene Hilfe mußte schon da sein und noch immer lies sich Niemand blicken. — Wenn nun der nichtswürdige Dienstmann den Zettel dennoch nicht abgegeben hatte? Vielleicht wäre es besser ge wesen, gewartet zu haben, bis sich ein Schutzmann sehen ließ. Konnte dem Burschen der Auftrag nicht bedenklich erschienen sein? Solche Leute wittern immer für sich selbst irgend ein Unheil, wenn sie mit der Polizei in Berührung kommen, und am Ende hatte der Mensch den Zettel geöffnet und gelesen. Freilich mußte ihm sein Inhalt dunkel genug sein, denn der Kommissär hattenurgeschrieben: „Erwarte einige Freunde sofort, um das Wiedersehen der Joppe zu feiern. Konäor-vous in der Mitrailleuse. Telegraphiren Sie dies augenblicklich an'S Hauptamt." — Wie die Gaunerwclt sich ihre besondere Sprache erfunden, so ist auch die Polizei zum Theil ihrem Beispiel gefolgt und sucht ihre gegenseitigen Mittheilungen gern in Schleier zu hüllen. Besonders erhalten die verdächtigen Lokale Bezeichnungen, die nur wieder der Polizei bekannt sind und so war dieser Keller von ihr „Mitrailleuse" genannt worden. Länger als zwei Stunden waren verstrichen und noch immer ließ sich Niemand sehen. Zum Glück blieb das mächtige Haupt des „starken Angust" noch immer an seinem Platze und so waren auch gewiß noch seine Kameraden vorhanden, die der Kommissär freilich bei seinem Vorübcrwandern nicht bemerken konnte. Schwerlich hatten sie daran gedacht, sich auf der anderen Seite davon zu schleichen. Das geschieht überhaupt nicht ohne Noth und besondere Veranlassung. Endlich — der Kommissär wollte schon verzweifeln — kam der lang ersehnte Beistand. Es waren zehn Mann, die von den ver schiedensten Seiten herbeieilten und wie er gehofft und erwartet, all« in Civil. So konnte das Haus gehörig umstellt und auch der Hin tere Ausgang besetzt werden, ohncdaßmanbesonderes Aussehen erregte. Mil zwei Mann betrat der Kommissär die Höhle und da er hier Lokalkenntniß genug besaß, suchte er sofort den Wirth auf, der auf der Stelle seine Lage begriff und dem Wunsche der Polizei nachkam. Es war immer besser, den „sanften Heinrich" und seine Genossen ohne Weiteres preiszugeben, als durch längern Widerstand sich einer sorgfältigen Revision all' seiner Kellerräumlichkeiten auszusetzen, denn der Beamte hatte ihm ausdrücklich erklärt, daß es ihm diesmal nur um diese drei „Ehrenmänner zu thun sei. Es war inzwischen schon spät geworden und das würdige Klee blatt hatte bereits das Gastzimmer verlassen, um sich in irgend einen