Volltext Seite (XML)
Tagesgeschichte. Wilsdruff, am 7. October 1875. Wie wir hören, hat unser Herr Stadtmusikdirector einen 10- tägigcn Urlaub genommen, um mit seinem Chore eine sogenannte Künstreise nach Thüringen anzutreten, zu welcher ihn emestheils eine gerade in den nächsten 14 Tagen im hiesigen Kreise statlfindende Musikpause, andernlheils seine persönliche Bekanntschaft in mehreren Orlen Thüringens veranlaßt hat, von wo auS ihm auch schon im Voraus das Musikspielen zu mehreren Kirchweihfesten, sowie auch mehrere Concerte uud Bälle zugesichert sind. Wir geben diese Notiz schon um deswillen, damit es Niemand einfallen kann und soll zu sagen: mein lieber Carl ist psutsch, obwohl er es selbst auf Thüringens Kirmessen mit seinem Chore manchmal anstimmen wird. Möge er nur im schönen Thüringen eine recht gute Ernte habe»! In diesem Wunsche stimmen wir gewiß mit ihm überein. Potscbappel. Wie das „Dr. I" meldet, ist der am 30. Sept, früh '^6 Uhr im Windbergschachtrcvier des Potschapplcr Actienver- eins verunglückte Bergarbeiter Beyer am 5. Oct. früh, also nach 5 Tagen, lebendig und unverletzt wieder aufgefunden worden. Ucber den Verlauf der jetzigen Messe in Webwaaren rc. wird berichtet: „Von den dieser Messe zugeführten baumwollenen Nock- uild Hosenstoffen wurde sehr wenig verkauft, trotzdem die Preise etwas ge wichen waren, weil ja auch das Rohmaterial emen Abschlag erfahren hatte. Man vermuthet, daß die Lager der Käufer noch zu gut sortirt sind, indem das Sommergeschäft ein sehr gutes gewesen ist. In Tuchen und Buckskins ging es diesmal aber recht gut, die Zufuhr war be deutender als letzte Ostermesse und die meiste Waare ging rasch um. Klagt hier und da einmal ein Fabrikant über ein schlechtes Meßge- schäfl, so lag es darin, daß er mit seiner fabricirtcn Waare den Ge schmack des Publikums nicht getroffen hatte. Nouveanlss gingen reißend aus dem Markte, ebenso gesuchte und beliebte Mustersachen, in denen sich theilweise ein Mangel kundgab. Luckenwalde, Forste, Peitz, KoltbuS, Crimmitschau und andere Orte verkauften rasch und gute Waare, holten auch zufriedenstellende Preise. Finsterwalder schwarze Tuche waren ziemlich stark gesucht, auch machte Spremberg ein recht gutes Geschäft. Im Allgem. zeigten sich die Fabrikanten zu frieden. In voigtl. Weißwaarcn ging es still wie alle Messen, und in Gardinen drückten sich die Preise bedeutend. Mehrere der ange sehensten Häuser klagten darüber, daß jetzt fällige Zahlungen für in der Ostermesse verkaufte Waarenposten dadurch ausblieben, weil die Käufer diese Messe gar nicht besucht hatten. — Für böhmische Glas- waaren gestaltete sich diese Messe als schwache Mittelmesse. In feinen Luxussachen wurde sehr wenig gekauft, da für derartige Sachen der Bedarf zu gering ist. Die deutsche Kundschaft hielt sich sehr zurück uud ließ sich zur' Ertheilung größerer Ordres nicht bewegen." Bei dem Bau eines Gebäudes in der Landesanstalt zu Hoch- weitschen sind am 30. Sept, durch den Einsturz einer Erdwand drei Maurer verschüttet worden, man hat sie jedoch lebend wieder herans- gegraben und es ist zu hoffen, daß keiner einen andauernden Nach theil an seiner Gesundheit davon tragen wird. In Elterlein ist vor Kurzem ein aus Zwönitz gebürtiger Schlosser- gesclke beim Pflaumenpflücken so unglücklich von der Leiter gefallen, daß er sich den Pfahl eines in der Nähe stehenden Baumes oberhalb des Gaumens fast 3 Zoll tief in den Kopf gestoßen hat. Zwar hatte der Mann noch so viel Besinnung, sich das Stück Pfählende aus dem Halse zu ziehen, später haben sich jedoch Lühmuiigserscheinungen der rechten Leite und Besinnungslosigkeit eingestellt, so daß der Schwervcr letzte wohl kaum wieder aufkommeu dürfte. Niederrennersdorf in der Lausitz. Am 22. Sept, trat beim hiesigen Gutsbesitzer Eifler ein junger Mensch, welcher sich Probst nannte und ans Obercunnersdorf gebürtig fein wollte, als Knecht in Dienst. Unter dem Vorgeben, sich seine noch angeblich in Ober cunnersdorf befindlichen Sachen zu holen, entlieh das Bürschchen sich am Morgen des 26. von seinem Dienstherrn ein Pferd und einen mit Leinwandplane versehenen Rollwagen und versprach damit wieder in den Nachmittagsstunden hcimzukehren. Da indeß die Nacht herankam und der Knecht noch immer nicht zurückkam, so machte sich der Guts besitzer Eifler auf die Suche. Das Resultat seiner Recherchen brachte ihm die unliebsame Gewißheit, daß er das Opfer eines Schwindlers geworden, welcher in dem bei Löbau gelegenen Unwürde das Pferd an einen Pferdehändler und an dessen Knechte den Wagen verkauft habe, darauf aber, unbekannt wohin, verduftet. In Folge der Goldwährung, die am 1. Januar 1876 im ganzen deutschen Reiche eintritt, braucht man von diesem Tage an nur noch Zahlungen in Silbermünzen bis zum Betrage von 20 M., Nickel- und Kupfermünzen bis zu 1 M. anzunehmen; größere Zahlungen müssen in Gold geleistet werden. Die Reichs- und Landescassen haben Nerchssilbcrmünzcn in jedem Betrage als Zahlung anzunehmen. Die Ein- und Zweithalerstücke sind auch noch nicht außer Cours ge setzt und daher noch bei den Caffen anzunehmen. Die Goldwährung hat also noch Ausnahmen. Fürst Bismarck hat wieder einmal ein aufrichtiges, kluges und tapferes Wort gesprochen, das weithin in Europa vernommen und gewürdigt wird. Deutschland, sagte er im Neichsanzciger, wird in den orientalische» Händeln, die ihm ferner liegen als andern Mächten nicht das große Wort führen, aber „Deutsch land wird der Freund seiner Freunde sein." Die Freunde, denen er seine Unterstützung angedeihe» läßt, sind Oesterreich und Rußland. Das Wort gilt namentlich Oesterreich, das am meisten Vonden orientalischen Wirren bedroht und am eifrigsten bedacht ist, das Feuer in seiner nächsten Nachbarschaft nicht um sich greisen zu lassen. Zur Hilfe von Oester reich namentlich erklärt der Reichskanzler, Deutschland ist der Freund seiner Freunde. Das Wort ist zugleich der beste Dank für den Freundschaftsdienst, den Oesterreich im Frühling d. I. Deutschland er wiesen hat. Als damals die deutsche Regierung von den englischen Staatsmännern als Raufbold angcschwärzt wurde, der Frankreich überfallen unv nochmals demüthigrn wolle und als diese Herren auch in Wien anpochlen, um Oesterreich in den diplomatischen Feldzug gegen Deutschland hineinzuzichen, — da erklärte Minister Andrassy rund weg, er kenne die Friedensliebe der deutschen Negierung besser als sie und werde nicht mit ihnen gehen. Mit dieser Erklärung fiel der deutschfeindliche Feldzug ins Wasser und als Echo dieser österreichischen Erklärung hören wir jetzt Bismarck's Wort: „Deutschland ist der Freund seiner Freunde." Auf Anordnung des Kriegsministeriums ist eine ältere Cabi- netsordre de» Truppcnlheilen neuerdings in Erinnerung gebracht, welche sich auf die Behandlung der activen Mannschaften durch die militärischen Vorgesetzten, Unteroffiziere, Feldwebel, Offiziere rc.' be zieht und die namentlich ganz entschieden die thätliche Mißhandlung und auch den Gebrauch von Schimpfwörtern seitens dieser Vorge setzten gegen die Untergebene» verbietet und für de» Fall der Ueber- trelung strenge Strafen ändroht. Diese Kundgebung ist den sämmt- lichen Unteroffizieren durck jeden Compagniechef zur Keuntmß gebracht worden. Von der Militärverwaltung ist den Regimentern aufgcgcben worden, darüber strengen Bericht zu erstatten, daß und wann die Publication dieser Cabittetsordre erfolgt ist, und soll die Verlesung derselben von nun ab regelmäßig in bestimmten Zwichsenräumen in derselben Weise, wie eben angegeben, erfolgen. Fürst Bismarck, der sich im besten Wohlsein befindet, wird, wie bekannt, den Kaiser nach Italic» begleiten; wo sich der Reichs kanzler den: Kaiserzuge anschlicßc» wird, ist noch unbestimmt, auch hört man u. a., daß der Fürst möglicherweise der Stadt Lahr, welche ihm bekanntlich ein Schloß und einen Park zur Disposition gestellt hat, eine» Besuch abstattcn dürfte. Der älteste Sohn des Fürsten, Graf Herbert Bismarck, ober sein zukünftiger Schwiegersohn, Graf Wend zu Eulenburg, werden denselben nach Italien begleiten. Italienische Blätter stellen dem Kaiser Wilhelm einen glänzenden Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlehn uud die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 78. Freitag, den 8. October 1875.