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schon etwas kenne», was keiner seiner Vorfahren kannte: eine deutsche Kriegsflotte, er wurde von derselben eingeholt und geleitet. Ganz besonders hat er sich vorgenommen, Nürnberg zu besuchen. Die Nürnberger sehen zum erstenmal wieder seit dem 30jährigen Kriege einen lebendigen Schwedenkönig und können ihm noch die alten Schwedenschanzcn, die gegen Wallenstein aufgeworfen wurden, zeigen. Der alte bedenkliche Schwedentrunk ist glücklicherweise verloren ge gangen. Etwas Besseres kann den KönigOskar daran erinnern, daß das Andenken seiner größten Vorfahren in Deutschland nicht erloschen ist: der Gustav-Adolf-Verein. Wenn er zwei Monate später nach Berlin gekommen wäre, so könnte er der diesjährigen Generalversamm lung des Veriens in Potsdam beiwohnen. Ueber die Aufhebung der Klöster in Preußen ist großer Jammer und die Römlinge stellen sich an, als sei solcher Frevel un erhört in der Welt und müsse zum Himmel schreien. Und doch thut Preußen nur uothgedrungen, was die katholischen Negierungen und Staaten in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal schon längst und viel gewaltsamer gethan haben. Davon sagrn aber die Herren in der Kutte und im Talar dem armen Volke, daß sie wider Deutsch land aufhetzen, kein Wort. Kaiser Joseph, der große Menschenfreund, hob im vorigen Jahrhundert 700 Klöster und Orden mit einem Feder strich auf. In Frankreich wurden 1789 115 Mönchs- und 253 Nonnenklöster geschloffen, aus denen 20,000 durch geistlichen Zwang gefesselte Menschen in die bürgerliche Gesellschaft zurückkehrten. In Portugal wurden im 2ten Drittel unseres Jahrhunderts sämmtliche Mönchsklöster mit etwa 6000 Mönchen aufgehoben und die Kloster güter als Staatseigenthum erklärt. Die Regierung in Spanien schloß 1940 Klöster unter Einziehung des Vermögens und wies 30,000 Mönche und 25,000 Nonnen auf Pensionen an, die sic in ihren ewigen Finanznöthcn selten zahlen konnte. Italien schloß 1866 und in den folgenden Jahrer 24,000 Klöster mit etwa 55,000 Mönchen und Nonnen. — Wenn aber Preußen und Deutschland dasselbe in viel milderer Form thut, dann schreien alle Römlinge: Ja, Bauer, das ist etwas anderes! München, 27. Mai. Welch' krasse Beispiele von Intoleranz noch in der Pfalz vorkommen, beweist folgender Fall: In Limbach, einem fast ganz von Protestanten bewohnten Orte, lebte ein Ehepaar in gemischter Ehe mit 9 Kindern. Die Knaben folgten der Religion des kath. Vaters, die Mädchen die ihrer protestantischen Mutter. Der jetzige katholische Pfarrer von Mittelbexbach ließ nun den kränkelnden Vater auffordern, sein jüngstes Mädchen von 12 Jahren katholisch werden zu lassen, unter Androhung der Verweigerung des Abendmahles. Der Vater verweigerte seine Einwilligung, der Pfarrer die Sterbsakramente und, als der Mann starb, das kirchliche Begräb- mß, das nun unter zahlreicher Betheiligung der Bewohner durch den protestantischen Geistlichen von Limbach vorgenommen wurde. Letzterer tadelte hierbei das Verhalten des katholischen Pfarrers nicht nur als eine Unduldsamkeit gegen Andersgläubige, sondern geradezu als einen Eingriff in die verfassungsmäßig garantirten Rechte der mit der katholischen Kirche gleichberechtigten protestantischen Kirche. Ohne irgend Jemand zu nahe zu treten, müssen wir doch sagen, daß eine deutsche Frau viele Männer an Muth und Festigkeit über troffen hat. Das ist die Prinzessin Julie von Battenberg, Ge mahlin des Prinzen Alexander von Hessen, welche aus der katholischen zur evangelischen Kirche ttbergetreten ist, weil sie die päpstliche Un fehlbarkeit nicht anerkennen konnte. In allen Cantonen der Schweiz wird die Civilehe als Gesetz eingeführt. Bei der Abstimmung Mann für Mann haben 210,000 Mann für, 203,000 gegen das Gesetz gestimmt. Die Unterlegenen Gegner von der römischen Garde hatten Himmel und Erde gegen die Civilehe in Bewegung gesetzt. England hat in die jüngsten Händel zwischen Deutschland und Frankreich auch ein paar ungefährliche Wörtletn hinein gesprochen und ist vor Freude über seine Courage ganz aus dem Häuschen. Frau Times, Englands Moniteur, erklärt in einem Leitartikel im Trompetenton: Wir Engländer sind auch noch da und reden unser Wörtlein in die europäischen Händel drein, ob wir uns auch eine Zeit lang auf unser Geld und auf den politischen Antheil zurückgezogen haben. „Wir sind das reichste Land der Erde und können uns zur mächtigsten Nation machen, wenn wir nur wollen." England erinnerte an den Krimkrieg rind an seine Kriege in Indien, in Abesshnien und Wider die Aschantis; seine diplomatischen Niederlagen in den letzten Jahren z. B. gegenüber Amerika verschweigt es klüglich. Sehr zur Unzeit aber erinnert es an seine Eifersucht und Feindseligkeit gegen das ausstrebende Deutschland mit folgendem wörtlichen Geständniß: „Als Deutschland Dänemark angriff, standen wir Engländer nicht nur am Rande eines Krieges, sondern würden denselben auch sicher lich geführt haben, wenn Napoleon Ul. uns nicht in einem schwachen Augenblick zurckgchalten hätte. Napoleons damalige Unentschieden heit (1864) ist für ihn ebenso verhängnißoll geworden als für Däne mark." Auf Befehl des Papstes findet am 16. Juni eine große Wallfahrt nach Paray le Monial statt, zu der alle Diöcesen Frankreichs Pilger senden werden. Es soll eine große katholische Kundgebung gemacht und für die Kirche und für Frankreich drei Tage lang gebetet werden. Endlich erfahren wir, wohin die französischen fünf Milliarden gekommen sind: wir Deutschen haben sie in Bier vertrunken, — all oas Silber und all das Gold ist uns durch die Gurgel gerollt. Ein Däneufreund in Schleswig rechnet 's uns in der „Dannevirke" vor oder nach. Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Wilsdruff. Am 29. Mai Abends gegen 9 Uhr hat ein im zwölften Jahre stehendes, bei einem Zimmermann in Grumbach in Pflege befindliches Mädchen, das Haus ihrer Pflegeeltern in Brand zu stecken versucht, das Feuer ist jedoch noch rechtzeitig bemerkt und > von hinzugekommenen Personen gelöscht worden. Das Mädchen war von den Eltern wegen eines vor einiger Zeit verübten GelddicbstahlS gestraft und wegen eines dergleichen neuerdings verübten scharf zur Rede gesetzt worden, worauf sie sich, wie sie selbst angiebt, vorge nommen, das Haus anzubrennen, um von den Leuten wegzukommen. — Mehrere Leser unseres Blattes werden sich noch auf einen Mann entsinnen, der im vergangenen Winter in hiesiger Gegend das Mitleid dadurch erregte, indem er durch Vorlegung von Zeugnissen, worin bescheinigt war, daß er durch Brandunglück rc. sämmtliche Habe verloren, milde Gaben sammelte und auch mitunter reichliche Geschenke erhalten hat. Dieser aus Berntrode in Preußen gebürtige Schwindler, denn ein solcher war es, wurde beim hiesigen Gerichtsamt zur Hast gebracht und am 29. Mai vom König!. Bezirksgericht zu Dresden wegen Betrugs rc. zu 1 Jahr 3 Monaten Zuchthaus und 3 Jahren Ehrenrechtsverlust verurtheilt. (S. Dr. N. v. 31. Mai.) Allerwärts, namentlich auf dem flachen Lande werden Klagen über das Hausirererunwesen laut. Die von Ort zu Ort ziehenden Händler schädigen die angesessenen Kaufleute und Handwerker, welche hohe Abgaben bezahlen, in ihrem Erwerbe, und das Publikum ist allerlei Täuschungen und Uebcrvortheilungen ausgesetzt. Der Hausirer schlägt eben seine Waare los und zieht dann niit dem baareu Erlös meist auf Nimmerwiedersehen weiter, während der angesessene Kaufmann auf seinen GeschaftSruf achten und oft auf geraume Zeit borgen muß. Uebrigcns ist der Verdienst der Hausirer doch selbst nur gering, da die Transportkosten, Zehrung in Gasthöfen u. s. w. den erzielten Gewinn saft vollständig verschlingen. Dem Staate bringen diese Leute, die nur äußerst geringe Abgaben bezahlen, auch nicht viel Nutzen. Eine Revision des Gewerbegesetzes nach dieser Richtung hin wäre aus allen diesen Gründen wohl ins Auge zu fassen und sollte durch gemeinsame Appellation der Gemeinden an den Reichs tag angestrebt werden. VerraLhen und Verloren. Criminal-Novelle von Ludwig Habich!. (Fortsetzung.) „Hm, — meine Uhr mag wohl den Abend gestanden haben, und die Dorfuhren, Herr Präsident, die gehen niemals richtig'", stammelte endlich Kralle; „aber um 11 Uhr mache ich zu, das thue ich immer, ich kenne das Gesetz"; und er nahm eine sehr ernste Miene an. „Wenn Sie nicht wußten, wie spät es war, wie konnten Sie daun um 11 Uhr schließen?" fragte der Rath, der eine gewisse Un geduld nicht länger verbergen konnte. „O, ich habe meiue Uhr im Kopfe"", meinte Kralle. „Ich wiederhole Ihnen, ich bin kein Polizeibcamter und kümmere mich nicht darum, ob Sie über die gewohnte Zeit Ihre Schänke offen halten. Sollten Sie jedoch Ihr Leugnungsshstem fortsetzen, so bliebe mir freilich nichts Anderes übrig, als gerade diesen Fall bei der Pflli- zeibehörde zur Anzeige zu bringen, um die genaueste Ermittelung vor zunehmen. Denn es liegt mir viel daran, zu erfahren, wann der junge Rajowitz Ihr Haus ausgesucht." Das Gesicht Wertheim's ließ darüber keinen Zweifel, daß er der Mann sei, der solche Drohungen auch wahr zu machen wisse, und Kralle war klug genug, plötzlich einzulenken. „Herr Präsident", — sagte Kralle, „versprechen Sie mir wirklich, daß mir meine Aussage nicht schaden wird?" „Seien Sie ohne Sorge, ich verspreche es Ihnen." „Nun, da will ich's nur sagen", — begann der Waldwirth, nach dem er sich noch einmal geräuspert, „der Abend dauerte etwas länger als sonst. Harfenistinnen waren gekommen; sie wollten nur bei mir übernachten, aber meine Stammgäste verlangten, daß sie noch Etwas ausspielen sollten, und darüber verflog die Zeit. Ich mocht' immer sagen, Leute, es ist Zeit, daß Ihre geht; Niemand mochte fort, und sie lachten mich aus. Es mag wohl Eins gewesen sein, da kam der junge Herr, — ich dacht', er wollte nur die Harfenmädchen sehen, und er machte sich auch sehr um sie, und ich halt' ja keine Ahnung, daß er auf ganz andern Wege gegangen war." „Wissen Sie genau, daß er schon um ein Uhr bei Ihnen war?" fragte der Nath. O gewiß, um zwei Uhr war Alles zu Ende, da sah ich »ach meiner Taschenuhr, und er hat wohl eine Stunde bei dem jüngsten Harfenmädchen gesessen und mit ihr geplaudert." „Zeigte er sich sehr aufgeregt?" Anfangs ja, aber zuletzt lachte er und war ganz vergnügt; er that gar nicht, als ob er eben etwas Schlimmes begangen." „Haben Sie seine Kleider bemerkt?" forschte der Rath weiter. „Er muß sich lange im Walde herumgelrieben haben; denn sein Rock war noch naß und sein Stiefel ganz scbmutzig." „Sind Ihnen seine Stiefel aufgefallen?" „Ja wohl; er hat einen so kleinen Fuß wie ein Frauenzimmer/ „Und kam es Ihnen nicht sonderbar vor, daß er bei Ihnen über Nacht blieb, — anstatt nach Hause zu kehren."