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im Rathhaussaale die Mitglieder des Militairvereins und andere Bürger zu geselligem Beisammensein eingefunden, bei welcher Gele genheit in warmen Worten des hohen Festtages gedacht und in einem Hoch den besten Wünschen für das Wohl unseres geliebten Landes vaters Ausdruck gegeben wurde. — Im Bezirksgericht Dresden fanden in den letzten Tagen voriger Woche öffentliche Schwurgerichtssitzungen statt, in welchen über die Gebrüder Franz von hier verhandelt wurde; diese hatten bekanntlich den Kaufmann Fleischer in Dresden erdrosselt und daraus desseu Geldschrank ausgeraubt. Das Urtheil der Geschwvrnen lautete bei beiden Brüdern auf Todesstrafe. — Im Herr mann scheu Omnibus-Fahrplan ist wiederum eine Aenderung eingetreten, indem der Sonntags Mittags von Dresden herausfahrende Wagen in Wegfall kommt und der Abend-Wagen anstatt wie bisher um 7 Uhr, schon um 6 Uhr drinuen abfährt. Seit dem 15. d. M. sind die Landbriefträger im ganzen Reichspostgebiet mit Signalpfeifen zu dem Zwecke versehen, um während des Bestellganges durch die Ortschaften durch Abgabe von Signalpfisfen die Bewohner auf ihre Anwesenheit aufmerksam zu machen. Es ist dies für geeignet erachtet worden, um das Bestell geschäft zu beschleunigen und die Mitgabc von Briefen rc. seitens der Landbewohner zu erleichtern. In Dresden wurde am 19. und 20. April vor dem Schwur gericht der frühere Dresdener Rechtsanwalt Christian Heinrich Müller, 1832 in Frankenberg geboren, welchem eine lange Reihe von Fälsch ungen und Betrügereien zur Last fällt, zu 10 Jahren Zuchthaus ver- urtheilt. Müller war von der Negierung der Vereinigten Staaten, in denen er sich nach Verübung seiner Betrügereien 5 Jahre lang ausgehalten hatte, an die sächsische Regierung ausgcliefert worden. In Plag witz bei Leipzig verunglückte am 21. April ein Knecht aus Großzschocher dadurch, daß er während des Fahrens von seinem mit Ziegelsteinen beladenen Wagen stürzte und ihm die Räder über die Brust gingen. In wenigen Minuten darauf trat der Tod ein. Meißen. Die Heilung der bei der Pulverexplosion im Gold gründe verwundeten Frauen ist so weit vorgeschritten, daß seit dem 21. April die Albertinerinnen ihre Thätigkeit eingestellt haben und die beiden letzten noch dort sttationirten Pflegerinnen am 20. April nach Dresden zurückgekehrt sind. Bernstadt. Am 19. April gerieth der Obermühlenbefitzer Wunderlich, als er sein Feld bestellte, infolge des Scheuwerdens der Pferde zwischen die Eggen. So in das Dorf geschleift, wurde er zwar in bewußtlosem Zustaude, jedoch noch lebend, aus dieser un glücklichen Lage befreit, verschied aber bald darauf. In der Nähe von Zinnwald, au der sächsisch-böhmischen Grenze, übersiel ein unlängst erst aus der Strafanstalt entlassener Mensch am 16. April einen Knaben, den er nicderwarf, band und abschlachten wollte. Als bereits der erste Stich erfolgt war, wurde der Verbrecher, Namens Kititz, durch Landlcute an der Vollendung seiner grausigen That gehindert. Er erzählte denselben, er habe den Mord ausführen wollen, um sich durch das Beisichtragen des Herzes dieses Knaben unsichtbar zu machen. Leider gelang es dem ruchlosen Menschen, obwohl er mit Riemen gebunden war, zu entfliehen. Auf der Flucht schoß er noch ein Pistol ab, dessen Kugel den den Knaben tragenden Landmann Kraus au der Schulter verletzte. Letzterer befindet sich außer Gefahr, während man an dem Auskommen des Kindes noch zweifelt. Des Mörders ist man noch nicht habhaft geworden. Vor einiger Zeit kam eine Mitthcilung, nach welcher ein Geist licher in einer kleinen sächsischcn Stadl in große Aufregung gcrathcn sei, weil daselbst bei einer Kirchenmusik ein Jude mitgewirkt habe. Jener eifrige Gottesstreitcr richtet nun einen Brief an den „Pirnaer Anzeiger", in welchem er den über den Vorgang gegebenen Bericht als entstellt und lügenhaft bezeichnet. Nach gewissenhaftem Durch lesen dieses Brieses findet die Redaction des genannten Blattes aber nicht eine Spur von Widerlegung der Hauptsache; denn ob der betr. Kantor für seine Musikaufführungen besoldet werde oder nicht, ob der selbe gewußt, daß der Sänger ein Jude sei oder nicht, u. s. w., spiele keine Rolle. Die Hauptsache bleibe, daß der betreffende Geistliche das Mitwirken eines Israeliten bei einer Kirchenmusik als schändend für den Gottesdienst, das Gotteshaus erachtet. Er schreibt wörtlich Folgendes: „Unsere Kirchen sind keine Concertsäle! Der Jude K. ist ein ganz ehrenwerthcr Mann, gegen den ich persönlich gar nichts habe. In einem Concerte mag er singen, aber in der Kirche soll er es nicht." — Schließlich versichert der Herr Geistliche, daß dieser Vor gang in der Gemeinde das größte Aergerniß und Aufregung zur Folge hatte. „Es ist haarsträubend und himmelschreiend," hätte cs in seinem Beisein geheißen, „daß ein Jude am Charsreitage in unserer Kirche gesungen hat; steht denn da der Pfarrer ruhig zu?" — Nun darin hat der Herr Pfarrer Recht, wenn er meint, daß dieser Vorfall das größte Aergerniß erregt hat. Nur ärgerte man sich nicht über den Juden, sondern über den Herrn Pfarrer. Diesem führt der „Pirn. Anz." mit Recht noch Folgendes zu Gemüthe: Daß das von dem Israeliten begangene Verbrechen kein so großes und kircheuschändendes ist, mag der Pastor daraus entnehmen, daß in der katholischen Hof kirche in Dresden fast bei jedem größeren Gottesdienste die königl. musikalische Kapelle und eine Anzahl Opernsänger mitwirken, diese sind zu 2/z Protestanten und auch einige Juden sind darunter. Nun ist es aber bis dato noch keinem katholischen Geistlichen eingefallen, dies als Kirchenschändung anzusehen! Im Gegentheil! — Also nur nicht schwärzer lieber Herr, als nothwendig. 2 /AerraLhen und verloren. Criminal-Novelle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) „In der That, ich mußte dies Glück theuer bezahlen! — Welche Ueberwinduug kostete es mir, in das Treiben und die Lieblings neigungen des alten Herrn einzustimmen; aber cs ist etwas Entsetz liches um die menschliche Schwäche! — Anfangs nahm ich an al? den tollen Freuden und lustigen Gelagen nur Theil, um mich bei Najowitz cinzuschmeichelu, zuletzt faud ich selbst einen Gefallen daran und konnte ans Lem Netz nicht mehr heraus, in das ich mich verstrickt. „Mit Betrübniß sah es die edle Frau; sie wußte, warum ich mich an diesen wüsten Festen bctheiligte, und sie warnte mich; — aber durfte, konnte ich noch zurück? — ich Hörle nicht auf sie, und zu meiner Schande muß ich bekennen, zuletzt wäre ich auck der Einladung nach Kleinfurra ohne diesen Zauber gefolgt. Die Gewohn heit hatte ihr mächtiges, furchtbares Band um mich geschlungen, — ich vermochte mich daraus nicht mehr zu retten, ach, und so verlor ich die Verehrte und mich selbst!" Fabian machte eine Pause und starrte düster vor sich hin. Auf seinem Antlitz konnte der Freund deutlich die bitterste Neue, die schärf sten Selbstanklagen lesen. Als der Erzähler wieder den Blick erhob, waren seine Augen feucht, uud mit gedämpfter Stimme, vou Zeit zu Zeit schwer Athem holend, fuhr cr fort: „Nun zög sich die reine, edle Seele von mir zurück. — Zu spät! Es ernüchterte mich nicht mehr. Jetzt hatte ich erst recht einen Grund, mich in toller Verzweifelung in die rauschendsten Vergnügungen zu stürzen. Ich sank immer tiefer — und das Mittel, mit dem ich mir den Genuß erkauft, die Verehrte zu sehe», wurde zu gleicher Zeit die Ursache, daß sie sich von mir wandte. Das ist das „Dämonische" im Menschen-Schicksal! — Wir glauben die Dinge zu treiben, und zuletzt sind diese mächtiger als wir und treiben uns: — In Gölhe's „Wahlverwandtschaften" heißt cs: wir wandeln nicht ungestraft unter Palmen, acb, wir wandeln überhaupt nicht ungestraft durch das Leben! — Clara konnte es nicht ertragen, daß ich mich völlig ver nachlässigte, daß ich an diesem wüsten Treiben einen solch' eifrigen Antheil nahm, lieber wollte sie auf Alles verzichten, mich nie Wieder sehen, als daß ich um solchen Preis unser Freundschaftsglück erkaufen sollte. „Die Nemesis erreichte mich nur zu bald. — Ich wurde meines Dienstes entlassen, und bald daraus schmetterte mich der unerwartet hereingebrochcnc Bankerott meines Vaters völlig zu Bode». Jetzt blieb mir Nichts übrig, als mich um so fester an meinen einzigen Freund anzuktamnzcrn, den alten Najowitz. „Wohl machte es sich wie von selbst, daß ich in seinem Hause eine Freistätte fand; aber nun wurde doch das Verhältniß ein an deres; in seiner täppischen Weise ließ er mich zuweilen meine Ab hängigkeit ganz empfindlich fühlen. Da kam es, daß ein bitterer Menschenhab in meinem Herzen Wurzel faßte. — Ich sah, wie sie Alle, die vorher mir geschmeichelt und sich vor mir gekrümmt, jetzt an mir ihr Müthchen zu kühlen suchten, wie Jeder sich beeilte, dem am Boden Liegenden noch einen Fußtritt zu versetzen. „O, diese Menschencauaille! Wie ich sie seitdem verachtet und verabscheut habe!" fuhr der Neferendar mit bitterem, schneidendem Hohngelächtcr fort. „Ich mußte seitdem Alles geduldig eiustecken, und wenn ich dann eine Gelegenheit suchte, auch einmal ihre Nieder trächtigkeit zu bezahlen, nannten sie mich falsch. Und doch weißt Du, daß ich stets ein ehrlicher, guter Bursche war, dem Jeder vertrauen konnte, — und der Jedem Vertrauen schenkte." Wertheim nickte eifrig zustimmend mit dem Kopfe. „Nun, frage jetzt tu Kleinfurra nach mir, und man wird Dir sagen, ich sei ein boshafter, tückischer Gesell, dem Niemand trauen dürfe; aber es ist nicht meine Schuld, wenn ich so geworden bin." „Armer, — armer Freund! Du wirst wieder ein anderer, ein glücklicher Mensch werden, ich hoffe es", sagte der Nath und drückte dem Unglücklichen die <mnd. Fabian schüttelte das Haupt: „Zu spät, Alles viel zu spät! Ach, dieses Elend, diese Sclaverei hätte ich noch ertragen; aber es zer- krallte mir das Herz, daß sich die Freundin seitdem völlig von mir abwaudte und mich fortan wie einen Verlorenen behandelte. Ich halte mich mit den finstern Schicksalsschlägen, die über mich hereinge brochen, dadurch getröstet, daß ich nun ja das Glück hatte, sie bestän dig zu sehen, in ihrer nächsten Nähe zu athmen und zu sein, und nun zog sie sich hartnäckig von inir zurück, verließ kaum ihrZimmer und mied ängstlich jedes Zusammentreffen mit mir. „Wie viel sie selbst darunter gelitten, mag Gott wissen. Ich sah, daß sie bleicher und bleicher wurde und zu ihrem gebrochenen Herzen kein Sonnenstrahl mehr den Weg sand. „Und seitdem ich ein beständiger Gast auf Kleinfurra war, er hielt ich noch ganz andere fürchterliche Einblicke. — Ein kassubischeS Bettelmädchen war vor Jahren von Frau Najowitz in's Haus ge nommen worden. Die Dirne zeigte sich äußerst anstellig und geschickt und nahm bald ihrer Herrin alle Sorge für das Hauswesen ab, da diese ohnehin niemals großes Jnlrefse dafür gezeigt. Aber sie schwang sich noch höher auf; sie ward dem alten Najowitz unentbehr lich und beherrschte endlich das ganze Haus." „Ist das die Wirtschafterin Josephe?" fragte Wertheim hastig. „Ach, richtig, Du mußt sie schon kennen gelernt haben, diese