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Tagesgeschichte. Die Morgennummer der „Times" vom 3. April enthält einen Artikel, welcher die dem Rcichkanzler Fürsten Bismarck zu seinem Geburtstage aus allen Theilendes deutschen Reiches gewordenen über aus zahlreichen Kundgebungen bespricht und hcrvorhebt, das deutsche Volk habe diese Gelegenheit benutzt, dem Kanzler in unzweideutiger Weise darzuthun, daß alle gegen ihn geriä tcten Angriffe seiner Feinde im Auslande, alle Jntriguen seiner Gegner im Innern und alle Bos heiten des unzufriedenen katholischen Klerus nur die Folge gehabt hätten, die Anhänglichkeit und das Vertrauen des Volkes stärker zn machen, als je zuvor. Aus dem Verhalten des deutschen Volkes gehe unumstößlich hervor, daß dasselbe die von dem Reichskanzler einge schlagene Politik rückhaltlos und mit aller Entschiedenheit billige. Der „D. R.-Anz." publizirt das Gesetz, betreffend die Abtretung der Preußischen Bank an das Deutsche Reich und die Einrichtungen von Zwciganstalten derselben in außerprcußischen Gebieten des Reiches. Eine' Nachricht, die nicht überraschen kann, bringt das „W. T. B." aus München. Es meldet, daß der Nedacteur des „Vaterland", vr. Sigl, sich am 5. April von München entfernt hat. Die Nummer des „Vaterland" vom 5. April veröffentlicht eine Erklärung desselben, worin es heißt, daß er vor Antritt der ihm zudictirten Gefängniß- strafe noch einen dringend gebotenen dreimonatlichen Urlaub antreten müsse. Auf die erbärmliche Feigheit und Nichtswürdigkeit der ultra- montanen Preßhaiduken ist bereits vielfach hingewiesen worden. Sigl, einer der schlimmsten und verworfensten dieses Gesindels, der Alles und Jedes, was einem wahrhaf deutsch Gesinnten heilig ist, in den Koth getreten hat, besitzt nach seiner ganz gerechtfertigten Ver- urtheilung wegen schmählicher Beleidigungen des Fürsten Bismarck nicht einmal den Muth, die ihm zudictirte Strafe zu verbüßen; er brennt nach Vorgang der Herren Kofsiolek und Consorten einfach durch. München, 6. April. Der Redacteur Sigl wurde auf Requi sition der hiesigen Staatsanwaltschaft in Salzburg verhaftet und wird dem Vernehmen nach hierher ausgeliefert werden. Die Nationalversammlung in Frankreich hat neulich einen außerordentlich wichtigen Beschluß in so tiefer Stille gefaßt, daß ihn die ganze deutsche Zcitungswelt überhört und übersehen hat, nur der alte Moltke nicht, der Äug' und Ohr überall hat. Jedes französische Linienregiment erhält nämlich ein 4tes Bataillon und die französische Kriegsarmee wird dadurch um 144 Bataillone vermehrt. Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Angesichts des näher rückenden Termins für die vom Reichs- Verein für Sachsen nach Leipzig ausgeschriebene Landesver- sammlung (18. April) möchten wir auf den schon früher rom Ver einsvorstande ausgesprochenen Wunsch, daß rechtzeitig vorher möglichst viele Gesinnungsgenossen in den einzelnen Landesthcilen sich beim Vorstände als Vertrauensmänner, an welche dieser sich zur Förder ung der Vereiuszwecke wenden könne, melden sollen, nochmals auf merksam machen. Die hier und da vorgekommene Weigerung, preußische Pfennige als Zahlungsmittel anzunehmcn hat in so fern keinen Grund, als nach der Bestimmung in Artikel 15 Nr. 3 des Münzgefes vom 9. Juli 1874 die in der Zwölftheilung des Groschens ausgeprägten Ein pfennigstücke zu gleichem Werthe wie die Markpfennige in Zahlung zu geben und zu nehmen sind. Außer diesen und den sächsischen 1-, 12-, und 5-Pfennigstücken bleiben übrigens noch bis aus Weiteres gültig die 2-Pfcnnigstücke der Herzogthümcr Altenburg und Kobnrg- Gotha zum Werthe von 2 Pfennigen und die auf die Zwölfthcilung des Groschens beruhenden (also preußischen rc.) 3-Pfennigstücke zum Werthe von 2Vs Pfennig. Am 4. April fand in Chemnitz unter Bethciligung des geh. Schulrath Kockel von Dresden eine Confcrcnz der Bezirksschutinspectoren Sachsens statt, welcher Schuldirector Verthelt aus Dresden präsidirte. Die Versammelet! tauschten die in ihrem halbjährigen Wirken gemachten Erfahrungen aus, stellten bezüglich einzelner zweifelhaften Punkte das gemeinsam zu beobachtende Verfahren vor und übermittelten dem an wesenden Vertreter der Negierung Wünsche und Anfragen zur künf tigen Entscheidung durch die oberste Schulbehörde. Allgemein wurde anerkannt, daß das Verhältniß zu den kirchlichen Behörden sich freund lich gestaltet habe, und daß die Gemeinden der neuen Behörde bereit willigst cntgegcngekommen seien. Der Lehrermangel — vergangene Ostern konnten 300 Lehrerstellcn nicht besetzt werden — verhindert noch die weiteren gedeihlichen Fortschritte des Schulwesens, erheischt, die finanzielle Stellung der Lehrer noch mehr aufzubessern. Ebenso verschwiegen die Versammelten sich nicht, daß infolge des großeu Um fanges ihres Wirkens manche Uebelstände nicht sogleich beseitigt werden könnten und manche fördernde Einrichtung unterbleibe oder Aufschub erleide. Diese gemeinschaftliche Aussprache, in welcher die Liebe zu dem übertragenen Beruf und die herzlichste Collegialität wiederholt zum Ausdruck kam, wird sicher eine fördernde Nachwirkung zur Folge haben. IerraLhen und verloren. Criminal-Novelle von Ludwig Ha dicht. (Fortsetzung.) Josephe hatte langsam, nicht ohne liefe Bewegung, den Blick zu Boden gerichtet, erzählt. Jetzt schlug sie-groß und frei das Auge 2 zu dem Beamten auf: „Es ist mir schmerzlich, daß ich diese Dinge berühren mußte, — aber ich hielt cs für meine Pflicht, Alles zu sagen,, hier, wo in dieser dunklen Sache selbst der kleinste Umstand von Ge wicht werden kann." „Sie haben Recht", versicherte der Rath, „und Sie sind bereits diese Ihre Aussage zu beschwören?" „Gewiß, sobald ich es muß." Die Mittheilungen Joscphens gaben plötzlich der Sache eine andere Wendung. — Das waren doch mehr als Ahnungen, und darauf hin ließ sich schon weiter combiniren. Einen alten Waidmann, der bereits seinem Herrn so energisch gegenübergctreten, war die Thal weit eher' zuzutraucn; dazu kam die Aussage des Hundcjungen, die Angaben des Kutschers, der hinter der Eiche einen Mann in Uniform bemerkt haben wollte. Vielleicht hatte sich der Alte Jahre lang mit dem Gedanken her- nmgelragen, seinen Herrn dafür zu züchtigen, daß er seine Gattin schlecht behandelt, und der gestrige Vorfall hatte endlich die Krisis hcrbeigeführt. Wenn der Oberförster jetzt Theodor an sein Herz ge schloffen, dann mußte es ihn empören, daß der alle Najowitz auf den eigenen Sohn zu schießen gewagt. Vielleicht halte fein Schützling, von Rache und Vergeltung gesprochen und nun der Alte ihm zuvor- kommcn wollen. Wenn auch die Fäden vorläufig noch so dünn waren, mußten sie doch festgehalten werden, sie konnten am ehesten aus dieser dunklen Sache herausführen. Der Rath ließ sofort an den Oberförster eine Vorladung, ergehen. IX. Zwei für Einen. Noch an demselben Tage meldete sich Dorn auf dem Genchts-- amte Trhneck und verlangte, vor den Nach geführt zu werden. Kanin stand der Alte vor dem Beamten, da rief er hastig aus: „Herr Rach,, lassen Sie Theodor frei, ich allein bin der Schuldige, ich habe meinen Herrn erschossen! Wertheim hatte immer mehr darüber nachgegrübelt, daß doch Wohl der Oberförster Ler Mörder sein könne; je mehr er sich im Stillen die Sache zurecht legte, — je mehr sprach gegen ihn. Und seltsam genug, jetzt, wo derselbe mit seinem Bekenntniß hervortrat, war es dem Criminalrichter, als seien all' seine scharsinnigcn Combmalioncn mit einem Schlage über den Haufen geworfen. Dieser alte gerade Mann, mit den offenen, wunderbar ehrlichen Augen sollte ein heimtückischer Mörder sein? — Das zu glauben, mußte Jedem schwer fallen, der nur ein einziges Mal den Alten sah. Eine echt deutsche Biederkeit prägte sich in all'seinen Zügen aus, ein solches Gesicht konnte nicht täuschen, oder all' seine Menschsnkcuntniß. ließ ihn völlig im Stich. Aber konnte nicht der alte Mann dennoch den Mord ansgcsührtr haben? — Wer kennt nicht die Untiefen einer Menschenbrust?! — Und Wird nicht oft der Beste und Edelste vom Augenblick hingerissen,, um irgend eine That zu begehen, die er sein ganzes Leben über bitter bereut? „Erzählen Sie", sagte Werhcim und richtete seine Augen forschend auf den alten Mann, nm zn entdecken, ob er die volle Wahrheit,, oder nur ein Märchen berichte. Dem alten Dorn schien es doch schwerer zu fallen, als er ge dacht hatte; er mußte erst mehrmals tief Athem holen, und seine' Worte schienen Anfangs zögernd und widerwillig über feine Lippen zu kommen. „Ich steh' allein, hab' Niemand aus der Welt, und deshalb mag's wohl gekommen fein, daß ich den Jungen, den Theodor, so lieb halte. Ich kenn' ihn besser als Alle; der arme Junge ist so weich, so gutmüthig, das muß ihm Jeder auf der Stelle ansehen, daß er einer solchen That gar nicht fähig ist!" eiferte der Alte. „Und sicht man Ihnen an, daß Sie Ihren eigenen Herrn erschie ßen könnten?" bemerkte der Nath und ein cigcnlhümliches Lächeln spielte dabei um seine Lippen. Der alte Doru war einen Agenblick ganz betroffen. „O, ich" — stammelte er endlich, „ich bin ein heftiger, leidenschaftlicher Mann, hab' manchem Wild das Lebenslicht ausgeblasen, und was ich nuf's Korn nehme, ist verloren; aber glauben Sic mir, Herr Rath, Theo dor würde dennoch fehl schießen, selbst wenn er wirklich die Absicht gehabt hätte, einen Mord zn begehen. Er ist ganz das Ebenbild feiner Mutter, noch ein Kind, ein Träumer, paßt gar nicht in unsere heutige Welt." „Kannten Sie die verstorbene Gemahlin des Herrn Rajowitz näher?" „Ob ich sie kannte? — Sic war ein Engel!" Die offenen, ehr lichen Äugen des alten Jägers begannen zu leuchten. Plötzlich ver finsterte sich sein Antlitz, schmerzliche Erinnerungen mochten in ihm anflauchcn, und er murmelte vor sich hin: „Die Elenden!" „Lebte Herr Rajowitz mit seiner Frau in einer glücklichen Ehe?" fragte der Nath weiter; er wollte wenigstens erfahren, ob die Anga ben Joscphens auf Wahrheit beruhten. „Anfangs ging Alles leidlich" sagte der alte Dorn, „aber als die Kassubin zur Macht kam, war's vorbei." „Wer ist die Kassubin?" „Josephe!" — Der Name schien nur widerwillig über dieLivpen des alten Mannes zu kommen. (Fortsetzung folgt.) Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Am Sonntag Miscricvrd. predigen: Vormittags: Herr I'. Schmidt, Nachmittags: Herr Diac. Canitz.