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1867 (Seite 9 des Gesetz- und Verordnungsblattes vom Jahre 1873) zukommen. Es ist aber hierbei zu erwähnen, daß zu einer solchen soeben gedachten Verpflichtung die väterliche resp. vormundschaftliche Einwilligung erforderlich ist, daher bei den von den betreffenden Mili tärpflichtigen zum Ersatzgeschäfte abzugebenden verpflichtenden Erklärungen die Väter bez. Vormünder durch Beitritt hierzu und Mitvollzieh ung des über diese Erklärungen aufzunehmenden Protocolls sich zu betheiligen haben. Schließlich wird noch auf die Bekanntmachung der Ersatz- Commission vom 29. Januar dieses Jahres, die Classificirung derReserve- und Landwehr-Mannschaften rücksichtlich ihrer häuslichen und gewerblichen Verhältnisse betr., sowie auf die deshalb bestehenden Vorschrif ten (Seite 131 des Gesetz- und Verordnungsblattes vom Jahre 1873) hingewiesen. Meißen, am 3. März 1875. Der Civil-Vorfitzende der Königlichen Ersatz-Commission des Anshebungsbezirks Schmiedel. Bekanntmachung. Der erste diesjährige Wilsdruffer Jahrmarkt wird Donnerstag den 29. nnd Freitag den ZG. April abgehalten. Buden, welche von den Marktfieranten selbst zu beschaffen sind, können von dem bisherigen Budenverleiher, Herrn Teichert hier, auch ferner bezogen werden. Wilsdruff, am 9. April 1875. Der Stadt gemeinderath. Fi-ker^ Brgmstr. - , Tagesgeschichte.. Sind wichtige Dinge in der Welt im Anzuge? oder geht Bismarck in den nächsten Tagen in großen Urlaub und will für ein viertel oder halbes Jahr aufräumcn? Man hat in Berlin beobachtet, daß der Kaiser, der Kronprinz und Bismarck ungewöhnlich oft und lange mit einander verkehrt haben und daß namentlich der Kronprinz ungemein häufig zwischen dem Kaiser dem Reichskanzler hin und her gegangen und gefahren ist. Und namentlich das Letztere, den häufigen persönlichen Verkehr zwischen dem Kronprinzen und dem Fürsten Bis marck, hat man sehr gern gesehen. Sie werden sich schwerlich über das Wetter unterhalten haben. In Bezug hierauf schreibt die „Dr. Ztg.": Wenn man den Schwarz sehern glaubte, so war der Krieg schon vor der Thür. Die Pferde ankäufe der französischen Regierung, das deutsche Ausfuhrverbot, die Beschleunigung der französischer Armee-Reorganisation und die starke Vermehrung der Cadres — alles dies schien sich zu einem finsteren Gewölk zusammcnzuballen, dessen Entladung nur in einem Kriege zwischen Deutschland und Frankreich bestehen konnte. Nun ist ja so viel richtig, daß den Franzosen der Nevanchekrieg in den Gliedern liegt und daß sie alle Kräfte anspannen, um sich auf den blutigen Gang vorzubereiten. Daß sie aber gerade den jetzigen Moment für geeigneter halten und zu halten berechtigt sind, als irgend einen früheren oder späteren, dafür liegt nicht das geringste Anzeichen vor. Sie haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, irgend einen Ver bündeten für ihren Krieg zu gewinnen. Warum sollten sie sich also in ihrer gegenwärtigen Jsolirtheit in das gefährliche Unternehmen stürzen? Die österreichische Kaiserreise hat diese Vereinsamung Frank reichs nur noch greller gemacht, indem sie den Hinübertritt Italiens zu den Ostmächten besiegelt hat. Andrassy's Stellung hat sich dadurch befestigt, und so lange die jetzt in Oesterreich herrschenden Strömungen obenauf bleiben, ist an ein österreichisch-französisches Bündniß nicht zu denken. Blieben nur noch Don Carlos und der Vatikan. Aber auch mit diesen Mächten ist kein ewiger Bund zu flechten. Die römische Hierarchie ist von jeher die unzuverlässigste Alliirte gewesen; sie würde im kritischen Moment selbst Frankreich verlassen, und sich mit Deutschland auseinanderzusetzen suchen. Einige Nachrichten aus Berlin scheinen den Kriegsbefürchtungen freilich neue Nahrung geben. Seit den 9. d. M. sollen in den Reise- Plänen des Kronprinzen totale Veränderungen eingetreten sein: derselbe gehe nicht nach Florenz, und es werde eine offizielle Be grüßung des Königs Victor Emanuel nicht stattsiuden. Der Kronprinz und die Kronprinzessin würden sich in diesen Tagen nach Oberitalien begeben, woselbst vielleicht später noch eine Entrevue mit dem Könige von Italien stattfinden solle. Die als inspirirt geltenden Organe (wie die „Post") verweisen mit Nachdruck auf den Ernst der Lage. Dieses unverhohlene Herausgeben mit der Sprache wird in parla mentarischen wie in weiteren Kreisen sehr beachtet, und so lebhaft gestaltete sich die Unterredung über diese Dinge jüngst im Abgcord- uetenhause, daß hierunter das Jntresse für die Provinzialordnuug zu leiden hatte. Die Urterredungen zwischen dem Kronprinzen und dem Reichskanzler dauern fort; auch gestern war der Thronfolger wieder bei Bismarck. Die Schlußfolgerungen, dis aus dieser Geschäftigkeit und aus der Aufschiebung der deutsch-italienischen Entrevue gezogen werden, sind indcß mit großer Vdrsicht aufzunehmen. Dem „Nürnberger Correspondenten" berichtet man aus München vom 4. April: „Vor Antritt seiner „Urlaubsreise" hat I)r. Sigl noch von Ncdactions- und Postabonnementgeldern flüssig gemacht, was mobil zu machen war — man spricht von 4000 Fl. Besonders dieAussicht auf das Nürnberger Zellengefängniß soll ihn belästigt haben." Der „NürnbergerPresse" schreibt man über den flüchtig gewordenen Or. Sigl: „Uebrigens entpuppt sich dieser berüchtigte Mensch jetzt erst vollständig, denn nach Ansjage seiner Frau führte er feit langer Zeit kin äußerst liederliches Leben, durchschwärmte die Nächte und lag am Tage zu Bette, in welchem er auch seine Artikel schrieb, um Abends- denselben Kreislauf wieder zu beginnen. Seiner Frau, welche er auf das Empörendste behandelte, hinterließ er bei seiner Verduftung 2 Fl., sage mit Worten zwei Gulden, während er nach der Frau Aus sage 20,000 Fl. mitgenommen haben soll." Die Liebenswürdigkeit des Kaisers Wilhelm den Wünschen des Publikums gegenüber ist allbekannt und wird durch folgende vor Kurzem geschehene bekräftigt. Einen zum Vortrage befohlenen, vom dienstthuenden Kammerherrn angemeldeten höheren Beamten empfing der Kaiser, indem er im Eckfenster stand und, ohne sich Umzudrehen, weiter hinaussah. „Sie müssen mich heute schon entsckmldigen, lieber L.", sagte der Kaiser, „daß ich sie in dieser Art und Weise empfange, es geht aber nicht anders, ich darf mich im Augenblick nicht umdrehen Bitte, treten Sie näher; sehen Sie, dort drüben am Denkmal steht ein alter Mann, der hebt eben seinen Enkel in die Höhe, damit der selbe mich sehen kann. Und da wäre es doch wohl unrecht gehandelt, wenn ich nicht stehen bliebe, bis der Kleine sich seinen Kaiser ganz genau angesehen hat". derraLhen und verloren. Crmnnal-Novclle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) „Sie haben der Aermstcn zu schlecht milgesp'.clt, und gestern wurde endlich das Maß voll, bis zum Ucberlausen!" fuhr Dorn selt sam erregt fort, und sein Antlitz röthcte sich. „Der Alte hätte mir beinahe in feiner blinden Wuth meinen armen Jungen erschossen; nun hatte ich keine Ruhe, ich mußte ihm dafür eine Kugel in das tückische Herz jagen!" „Sie erschossen ihn mit einer Kugel?" Der Alte nickte nur mit dem Kopfe. „In dem Körper des Ermordeten wurde aber keine Kugel gefun den, nur gehacktes Blei." Dorn vermochte vor Bestürtzung einen Augenblick Nichts zu ent gegnen; der Kopf des ehrlichen Alten war nicht so rasch mit Ausflüchten bei der Hand; endlich entgegnete er langsam: „Ja, nun besinn' ich mich, ich war gestern zu wild, zu aufgeregt, und weil ich nicht gleich eine Kugel finden konnte, lud ich das Gewehr mit gehacktem Blei, ich dachte, cs sei sicherer." „Sie wollen so aufgeregt gewesen sei, und dann haben Sie doch wieder ganz ruhig überlegt;'das sind wunderliche Widersprüche." Der Oberförster merkte, daß er sich in seiner ehrlichen Weise bereits arg verwickelt habe, und grollte sich selbst. „Machen Sie nur weiter keine Umstände mit mir", entgegnete er ungeduldig; „ich sage Ihnen ja, ich habe meinen Herrn erschössen, und damit Punktum Ist das nicht genug?" „Nein, lieber Herr, das ist nicht genug", erwiderte der Rath; „der Richter muß auch die innere und äußere Wahrscheinlichkeit eines solchen Bekenntnisses in Betracht ziehen', und ich fürchte, man wird Ihnen nicht völlig Glauben schenken. Was würden Sie dazu sagen, wenn ich bereits annehmen wollte, daß Sie nur aus dem Grunde sich zum Morde bekennen, um den jungen Rajowitz zu retten?" Die klugen scharfen Augen Wertheim's ruhten dabei auf dem Antlitz des alten Mannes, der die seinen betroffen niederschlug. „Nein, nein, glauben Sie das nicht!" eiferte Dorn; aber er wagte dabei nicht, den Blick zum Rathe zu erheben. „Ich will ihn nicht retten, behüte! — Was das für wunderliche Gedanken sind! Ich denke, wenn sich der Mörder selbst dem Gericht stellt, Alles ehr lich bekennt, dann ist es gut, dann wird er verurtheilt. und das viele Fragen ist ganz unnütz." Er suchte geflissentlich eine gewisse Schroff heit an den Tag zu legen, um die gute Meinung zu erschüttern, die etwa der Untersuchungsrichter für ihn gefaßt haben könnte. Wertheim lächelte, er durchschaute'die Absicht des Alten, und da Dorn keine Antwort erhielt, fuhr er noch heftiger und mitzmuthiger fort: ,,Ja, was ist das für eine neue wunderliche Justiz, die so um