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Offizier, widerlegt ihn Punkt für Punkt und empfiehlt ehrliches Bündniß mit Deutschland. Der Erzherzog schließt seine Schrift: „Durum einen frischen fröhlichen Krieg mit Deutschland"; sein Gegner: „Jeder Rachegedanke ist unstatthaft, die Rachealliance mit Frankreich unmöglich, nur in der Bundcsgenossenschaft mit Deutschland Heil." Die Wiener „Wehr-Zeitung" schließt ihre Kritik mit den Worten: Es darf keinen österr. Offizier geben, der die ehrliche und rückhalts lose Alliance mit Deutschland befürwortet. Griechenland. Die aus Athen jetzt vorliegenden Meldungen lassen das Eintreten ernster Ereignisse im Königreich Griechenland ver- muthen. Die Oppositionsblätter fordern ganz unumwunden zum Widerstande und zur Verweigerung der von der Kammermajorität votirten Steuern auf. Von anderer Seite her wird cs dem König zum Vorwurf gemacht, sein Ministerium nicht entlassen zu haben, und Loch darf als gewiß angenommen werden, daß die in rivalistrende Fraktionen zerklüftete Minorität der Kammer nicht im Stande ist, eine lebensfähige Verwaltung zu schaffen. Dem Vernehmen der „Jndepeudance" zufolge hat der König einen der glorreichsten Veteranen des Unabhängigkeitskampfes, den Admiral Canaris, zu Rathe gezogen. Das Brüsseler Blatt drückt die Hoffnung aus, daß es unter Mithülfe dieses Veterans und des Gesandten Konduriotis, dessen Eintreffen in Athen bereits gemeldet worden, dem durch patriotische und uneigen nützige Rathschläge erleuchteten König gelingen werde, die Lösung der sich um ihn häufenden Verwickelungen herbeizusühren. — VerraLhen und Verloren. Criminal-Novelle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Noch ehe Wertheim ein sreundltches, beschwichtigendes Wort äußern konnte, raffte sich Fabian gewaltsam auf. Er schien sich seiner tiefen Bewegung, seiner Schwäche zu schämen, und in ruhigem Tone begann er von Neuem: „Dorn hatte die ganze Nacht nicht schlafen können; er war in den Garten geeilt und hatte unter dem Fenster der verehrten Frau gewacht. Plötzlich gewahrte er Licht in ihrem Zimmer, er hörte schwere Tritte, einen schwachen Schrei, ein dumpfes Geräusch, und dann wurde es ganz still. „Er machte Lärm, da verlöschte das Licht, und auf all' sein Donnern und Klopfen an der Thüre erhielt er keinen Einlaß. Ich schlief auf dem andern Flügel und konnte Nichts hören. „Am andern Morgen fand man Frau Rajowitz todt im Bette, und der Arzt erklärte, ein Herzschlag sei erfolgt. Dorn wußte es besser. „Sie hatten geglaubt, wenn sie daS arme, unglückliche Opfer beseitigten, dann feien sie in völliger Sicherheit und auch die Schuld Josephen's in ewige Nacht begraben." „Dann war also auch der alte Rajowitz an dem Morde seiner Gattin betheiligt!" rief Wertheim voll Entsetzen aus. Der Referendar nickte nur mit dem Kopfe. „Es mag Josephen leicht gewesen sein, ihn, der berauscht nach Hause gekommen, zu der Unihat aufzustacheln, um so mehr, da sie nur in dem raschen Tode der Unglücklichen ihre eigene Rettung sah. Vielleicht wollte sie ihn bei diesen Morde nur deshalb zum Genossen haben, um ihn desto fester und unauflöslicher an sich zu fesseln. Ich wollte ohne weiteres Bedenken sofort meine Anzeige machen, da theilte mir der alle Dorn den Wunsch der Ermordeten mit: Ich sollte von einer gerichtlichen Berfolgung des Verbrechens abstehen, mir aber durch das Protokoll dem alten Rajowitz gegenüber, meine Stellung für immer sichern, und ich war elend genug, auch diesen ihren letzten Wunsch zu erfüllen. „Jetzt besaß ich eine gewaltige Macht über diese wilden Bestien", fuhr Fabian fort, und seine Augen erhielten wieder eine häßliche Färbung, auf seinem Antlitz spiegelte sich die hämische Freude wider, die er er darüber empfunden. „Ja, ich gestehe Dir, ich habe davon den umfassendsten Gebrauch gemacht"", setzte er triumphirend hinzu. „Beide schäumten wohl vor Wuth, als sie gewahrten, daß sie in meiner Hand waren; aber ich ließ mich nicht cinschüchtern, ich dictirte ruhig meine Gesetze — und, um Josephen die Früchte ihrer Schandthat aus den Händen zu winden, — stellte ich als erste Bedingung auf, daß sie der alte Rajowitz niemals zu seiner Frau machen dürfe." „Und hast Du nicht gefürchtet, daß man Dich ebenfalls bei Seite schaffen könne?" fragte Wertheim erstaunt. „Anfangs wohl, aber ich beruhigte mich bald", war die Antwort des Referendars, ,.denn ich calculirte ganz richtig, daß Zwei sich im Besitze des Geheimnisses befanden, und uns Beide zugleich unschädlich zu machen, batte nicht nur seine Schwierigkeiten, sondern auch seine Gefahren. Josephe besonders warf allen Haß auf den alten Dorn er war der Unabhängige — und ein entschlossener, tüchtiger Charakter; von ihm konnte sie am ehesten fürchten, daß er einmal zum Angriffe überging und von ihrem Verbrechen Anzeige machte. Ich dagegen galt ihr als ungefährlich; sie wußte, daß ich ohne den allen Rajowitz völlig verloren sei und mich also hüten würde, durch eine Denunciation Alles auf's Spiel zu setzen. Und sie halte nicht so Unrecht. Wohl verfolgte ich sie mit Hohn und Spott; aber das nahm sie ruhig in den Kauf, und auf meine Stichelrcden gab sie mir gleichgültig zur Antwort: „Hunde, die bellen — beißen nicht." Den alten Dorn, der sie ohnehin niemals beachtet, fürchtete sic mehr; und ich bin überzeugt, sie wird kein Mittel unversucht lassen, um die Schlinge zuzuziehen, die sich der ehrliche Alte in seiner aufopfernden Liebe für Theodor über das Haupt geworfen. Deshalb eigentlich kam ich zu Dir, um Dich vor allen Zeugen zu warnen, die mit diesem heimtückischen, ränke süchtigen Geschöpf in Verbindung stehen." „Du hältst also den alten Dorn für unschuldig?" fragte der Nath. „Und kannst Du daran zweifeln?" Dieser alte, — rechtschaffene Mann ist keines solchen Verbrechens fähig; wenn er Rajowitz hätte züchtigen wollen, so würde er ihn offen angegriffen und ihm eine ehrliche Kugel in das Herz geschickt haben; aber ihn heimlich bei Nacht auszulauern, einer solchen Handlung ist Dorn nimmermehr sähig." „Dann würde also der eigene Sohn —" „O! auch der nicht!" rief Fabian lebhaft, „nein, Theodor ist eben so unschuldig, glaube mir; und ich hoffe, Du wirst nicht durch eine vorgefaßte Meinung Dich irre führen lassen. Ich habe eine ganz andere Vermulhung. Weder Dorn noch Theodor haben das Ver brechen begangen; denn es unterliegt keinem Zweifel, der Schuß galt mir, und ich werde nicht ruhen, bis ich dem Verbrecher auf die Spur gekommen." „Ja, dieser Tausch der Kleidungsstücke hat mich stets zu der Vermulhung gebracht, daß es nicht auf den alten Rajowitz abgesehen war", meinte der Nath, und dennoch —" „Halte diesen Faden fest", eiferte der Referendar, „ich bin sicher er wird uns schon aus diesem Labyrinth herausführen. Und was ich Dir heute gesagt, habe ich vorläufig nur „dem Freunde" anver traut, denn ich hoffe, daß Josephe sich diesmal wieder von ihrer blinden Leidenschaft wird zu irgend einem unvorsichtigen, — schlechten Streiche Hinreißen lassen, und dann soll sie mein Protokoll vollends vernichten. Also nicht wahr, Du wirst mild und gereckt sein und mir meine Freunde nicht zu Verbrechern inquirireu?" Fabian streckte dem Nath die Hand entgegen, und, sein: weitere Einladung nicht be achtend, eilte er mit einem knrzcn Lebewohl hinweg, —' Wertheim in einer seltsamen Aufregung zurücklaffcnd. XI. Versuche. An jenem verhängnißvollen Morgen hatte Lange den Rath ge beten, ob er nicht mit ihm nach Tryneck zurückfahren könne. Trotz dem blieb er in Kleinfurra zurück; und durch den traurigen Zwischen fall, der die Verhaftung Theodor's zur Folge gehabt, halte sich Wert heim um seinen Reisegefährten nicht weiter gekümmert. Eben war Lange die Treppe hinuntergcstiegen, um sich mit in den Wagen zu fetzen, da trat ihm Josephe entgegen und flüsterte ihm zu: „O, bleiben Sie hier, — lieber Freundt Ich habe noch so viel mit Ihnen zu sprechen, und ich bin jetzt ganz allein und verlassen." Der zärtliche, förmlich Hülse suchende Bli k, mit dem sie ihre Worte begleiete, machte den kleinen Mann ganz verwirrt — so hatte sie ihn noch ninmals angesehen. Als Beide wieder oben angelangt waren, wollte er, wie gewöhn lich — das große Gesellschaftszimmer aufsuchen, aber Josephe sagte rasch: „Bitte, folgen Sie mir auf meine Stube." Lange glaubte zu träumen; er war wie berauscht von dieser Einladung. Niemals hatte sie ihm einen Blick in ihre Gemächer, ge schweige denn Eintritt gestaltet, und nun diese ganz unerwartete Gunst- bezeugung, diese Hulo und Freundlichkeit! Das Vorzimmer war sehr klein und einfach, kaum daS Noth- dürstigste stand darin. Es zeigte sich auch hierin die berechnende Schlauheit dieser Pcrson. Beim Aus- und Eingehen konnte man doch zuweilen diese Räumlich keiten zu sehen bekommen, und Niemand sollte eine Ahnung haben, wie sie eigentlich wohne. In ihre Wohn- und Schlafstube gestattete sie selbst den niederen Dienstboten nicht den Eintritt; sie zog es vor, hier Alles selbst in Ordnung zu halten, und sie that sehr recht daran; man würde doch manche Glossen gemacht haben, wenn es unter die Leute kam, wie herrlich sie sich hier eingerichtet. Lange war säst geblendet von der Pracht und Eleganz des Zimmers. Es zeigte den feinsten Geschmack und die peinlichste Sauberkeit. Wie sie bei ihren vielen andern Arbeiten noch Zeit sand, hier Alles in schönster Ordnung zu hallen, blieb immerhin bewunderungswürdig, denn sie war am Tage überall und leitete das weitläufige Hauswesen am Schnürchen. „Verzeihen Sie, lieber Lange", sprach Josephe, „ich muß cs mir ein wenig begizem machen; nehmen Sie inzwischen Platz, ich komme augenblicklich wieder." Sie zeigte auf die zierliche Chaiselonge und verschwand in ihrem Schlaszimmcr. Lange Halle sich noch immer nicht von seinem Erstaunen erholt, noch nicht Alles in diesem feenhaften Raume betr undern und in Augen schein nehmen können, da rauschte schon wieder dre Portiere, und Jo sephe erschien. Der Vorhang blieb etwas zurückgcschlagen und gestattete jetzt sogar einen Einblick in das prunkende Schlasgemach; aber Lange hatte auf etwas ganz Anderes seine Aufmerksamkeit zu richten; seine Augen hafteten wie geblendet auf der Eingelretenen. So verführerisch schön war ihin das herrliche, stattliche Weibs bild noch niemals vorgekommzn. Sie trug einen grünseidenen, — mit kostbaren Pelz besetzten, russischen Ueberwurf, der sie außerordentlich gut kleidete und ihren etwas zu vollen Formen eine gewiffe Eleganz gab. War es Absicht oder hatte sie es in der Eile vergessen, — der Ueberwurf war vorn nicht zugeknöpft und zeigte das weit ausge- fchnitlene Unterkleid, aus dem nur ein kostbarer Spitzeneinsatz hervor ragte und mehr verricth als verhüllte. Ihre ziemlich kleinen Füße waren in zierliche, rothseidene Pantöffelchen geschlüpft. (Forts, folgt.