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ckochcnl^ Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebentel-« und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerrchtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 96. Freitag, den 10. December 1875. Für die abwesenden Uvinii«!» und Geschwister LMNrnnn» aus br»88«n ist heute Herr Registrator Wra»« HusvN allhier als Abwesenheitsvormund verpflichtet worden, was hiermit veröffentlicht wird. Königliches Gerichtsamt Wilsdruff, am 6. December 1875. Du. Gang!off. Tagesgeschichte. Eine von der königl. Staatsregierung an den Landtag gelangte Vorlage bezweckt, mehreren Gemeinden anläßlich der Aushebung der seither in ihnen bestandenen Gerichte, für welche sie früher Opfer aus ihren Mitteln gebracht, Entschädigungen zu gewähren. Eibenstock soll 3000 Mark restituirt erhalten, Rötha in den Besitz des dortigen Gerichtsgebäudes um den Preis von 9000 M. gelangen, Hartha des gleichen um den Preis von 4500 M., Schöneck desgleichen um den Preis von 8700 M. Der Laudtagsabgeordnetc Adolph Lauge in Glashütte ist in der Nacht vom 2. zum 3. December gestorben. Der Verewigle war seit 1869 Mitglied der Zweiten Kammer und durch viele Eigenschaften des Geistes und der Herzensgüte ausgezeichnet, welche ihn bei allen Parteien in der Kammer in hohem Ansehen stehen ließen. In dem Verstorbenen ist außerdem der Gründer und namhafteste Vertreter der eines großen Rufes sich erfreuenden sächsischen Uhrindustrie aus dieser Welt geschieden. Der hohe Schnee hat am 30. November leider schon Menschen leben gefordert. Eine arme Frau aus Mittelsaida büFrcibekg, dem Vernehmen nach Mutter von 8 Kindern, ist auf dem Wege nach Erbis- dorf im Schnee stecken geblieben und, da ihr leider Vorüberfahrende Hilfe nicht gewährten, wohl in Folge der Kälte und Erschöpfung vom Schlage gerührt worden. Ein unbekannter Herr Hal sie zwar noch lebend angetrvffen und mit echter Samarilerliebe ini Schulten mit nach Erbisdorf genommen und dem Gemeindevorstaud unter Be händigung von 10 THIr. übergeben, um sie in Pflege zu nehmen, die Aermste ist aber doch noch verstorben. In Oberrossau ist der Weber Fix aus Mittweida in erstarrtem Zustande aufgesunden worden. Der Unglückliche, welcher Frau und mehrere Kinder hinterläßt, ist jeden falls auf später Heimkehr von Hainichen, wo er Tags zuvor Ge schäfte besorgt, von der Anstrengung und Kälte überwältigt worden und liegen geblieben. In Hainichen, wohin man denselben geschafft hatte, ist derselbe seinem Leiden erlegen. Der deutsche Reichstag hat sich wiederum mit großer Mehr heit sür Diäten ausgesprochen, die er in seiner Mehrzahl schwer entbehrt, er thut aber auch ohne Diäten seine volle Schuldigkeit. Die neuen Brau- und Börsensteuern sind abgelehut und die betreffende Commission hat mit Umsicht und Scharfsinn nachgewiesen, daß das angebliche Defizit im Ncichshaushallc gar nicht vorhanden sei und daß die 16 Millionen Mark, um die es sich handelt, durch Ersparnisse und entschlossene Striche beschaff! werden können, die Keinem loche thun, nicht einmal dem Betroffenen. Im Marine-Etat namentlich können viele Millionen Mark erspart werden, von denen derMarinc- minister Stosch selber eingeräumt hat, er könne sie in dem nächsten Jahre gar nicht verwenden. Auf diese Weise hat sich das Defizit jetzt schon bis auf 1 Mill, verflüchtigt. Auch mit der vielbesprochenen Straf gesetz-Novelle, die nur zum Theil besser ist als ihr Rus, wird sich der Reichstag nicht aus die Zinne des Tempel führen lassen. Der politische Theil dieser Novelle erstreckt sich auf Preß- und Versammlungsfrei heit und enthält solche Kautschukparagraphen, daß die Zeitungsschreiber und Redner selber Kaulschukmänner in Wort und Schrift werden müßten, um den bedenklichsten Erlebnissen zu entgehen. Und das würde weder im Interesse der Presse und noch vielweniger im In teresse des Volkes sein. Die betr. Verhandlungen haben vorigen Freitag im Plenum begonnen und man liest, daß die nationalliberale und die Fortschrittspartei beschlossen haben, die oben geschilderten Kautschuk-Paragraphen abzülehnen und daß Lasker und Bennigsen diese Ablehnung durch Reden begründen werden. Man will die Reichsregierung entschieden darüber ausklären, daß man die Preß- und Redefreiheit nicht noch mehr einschränken will. Die andern Para graphen der Novelle, welche die Antragsvcrgehcn, die Körperver letzungen rc. betreffen und welche zur Heilung großer Schäden des täglichen Lebens nöthig sind, werden einer Commission überwiesen werden. Am 3. Dec. wurde über die vielgenannte Strafgesetz-Novelle ver handelt, das heißt über die Verschärfungen vieler Paragraphen des Strafgesetzbuches. Dabei hat sich wieder einmal gezeigt, daß die Suppe nicht so heiß verzehrt wird, als sie aufgetragen wird. Das Wort nahmen der Justizminister Leonhardt für, die Abgeordneten Lasker (nat. tib.), Schwarze (Neichspart.), Hänel (Fortschr.) gegen und der Reichskanzler Bis marck (für). Lasker sprach 2Vz Stunden, Bismarck 1 Stunde. Minister Leonhardt begründete die Nothweudig- keit der Vorlage durch die gestiegene Verwilderung im Volke und die Mißachtung des Gesetzes — kühl und doch übertreibend und nicht sehr glücklich nach allgemein. Urlheil. Lasker widersprach, bekämpfte die Vorlage in ihren meisten Bestimmungen und bezeichnete im Namen der natioualliberalen Partei die sogen. Kautschuk-Paragraphen der Vorlage wider die Rede-, Versammlung- und Preßfreiheit als voll ständig unannehmbar. Diese alten Grundrechte der Volksfreiheit müsse jede Partei unverbrüchlich wahren. Lasker begründete seinen Wider spruch scharf logisch und juristisch, in der Sache selbst sich auf den theoretischen und idealen Standpunkt stellend, während Bismarck auf die Forderungen der Praxis hiuwies. Fürst Bismarck sprach sehr ruhig und versöhnlich und hob die volle Freiheit des Reichstages her vor, die Vorlage zu verwerfen oder anzunehmen. Was die Negierung für nvthwendig halte, werde sie nöthigenfalls später wieder vorlegen. Nur sür zwei Punkie der Vorlage trat er entschieden ein 1) sür einen stärkeren gesetzlichen Schutz der Executiv-Beamten (Schutzmänner, Polizisten, Executoren rc.) 2) für Verfolgung ungehorsamer Beamten im auswärtigen Dienst durch Staatsanwalt und Niehler auch ohne ausdrücklichen Antrag. Die englischen Schutzmänner, sagte er, erführen so selten Widerstand, weil jeder Widerstand den strengsten Strafen unterliege; so müßten auch die deutschen Schutzmänner geschützt werdet). Gegen den Ungehorsam von Beamten im auswärtigen Dienst reichten Disciplinai strafen, ja Abberufung nicht aus (Fall Aruim), er müsse auf richterliches Strafverfahren Hinweisen können; die bloße Existenz eines solchen Paragraphen werde den Ungehorsam verhindernd Be willige man ihm diesen Schutz nicht, so werde er die Verantwortung für sein Amt nicht tragen können. (Schließlich wurden die technisch- strafrechtl. Bestimmungen an eine Commission verwiesen.) Die Budget-Commission des Reichslags hat sich hcrausgenommen, die im Etat für die Besetzung von 50 BezirkS-Commando-Stellen mit activen Stabsosficieren ausgewvrfene Mehrausgabe von ungefähr 221,000 M. (mit allen gegen 2 Stimmen zu streichen. Das einst so hochgertthmte Züudnadelgewehr, dessen Wirkung so erheblich zu den Ersolgcu der preußischen Armee, namentlich im Jahre 1866, beigelragen hat, wird in Kurzem aus der deutschen Ar mee gänzlich verschwinoen. Bislang waren damit noch immer die Friedensstämme der Landwehr bewaffnet, und in den Depots lagerten Zündnadelgewehre, um im Falle einer Mobilmachung die gejammte Landwehr damit zu bewaffnen. Nach einer kürzlich ergangenen Ver fügung des KricgSministers werden jetzt auch sämmtliche Landwehr truppen das Mausergeivehr erhalten und auch die Depots mit letztge dachter Waffe an Stelle des Zündnadelgcwehrs ausgerüstet werden. Den der französischen Nationalversammlung vorliegenden Rechnungen zufolge belaufen sich die Kosten der deutschen Occupatio» vom Abschluß der Frankfurter Friedens bis zur gänzlichen Räumung des Landes 227 Mill. Franc. Der erste Credit 50,012,505 Fr. wurde im Jahre 1872 eröffnet, ein zweiter von 25 Mill. Fr. 1873, ein