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für Wilsdruff, Tharandt, Neffen, Gievenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den StadLrath daselbst. 82. Freitag, den 22. October 1875. Erneuert wird die unter'm 15. September d. Js. hinter Friedrich August Riedel aus Beierfeld bei Schwarzenberg erlassene öffentliche Vorladung. Königliches Gerichtsamt Wilsdruff, am 19. October E. vr. Gangloff. Tagesgeschichte. lieber die Militärbauten auf der Höhe der Dresdner Haide wird jetzt berichtet: Dort werden gebaut ein neues Arsenal, veranschlagt zu 1,065,000 Thlr., zwei Jnfanteriecasernen 1,250,000 Thlr., ausge setzt sind ferner für mit dem Bauproject in Zusammenhang stehende Sraßenzüge, Brücken, Schleußt», Wasser-, Gah- und Telegraphen anlagen 800,000 Thlr., für die Artillerie-, Train- und Cavallerie- casernen 1,000,000 Thlr., für das Lazarelh 300,000 Thlr., für das Cadeltenhaus 300,000 Thlr., für die Pionicrcaserne 200,000 Thlr. die Militärreitanstalt 100,000 Thlr., die Militärstrafanstalt 80,000 Thlr., für Garnisonsanstalten verschiedener Art 300,000 Thlr., end lich würde für Grunderwerb an den Landesdomänensonds 400,000 Thlr. zu zahlen sein. Die Gesammtsumme dieser Bauten beträgt dem nach 5,795,000 Thlr. und die Ausführung aller dieser bei Dresden zu realisirenden Bauprojecte dürfte den Zeitraum von 8—10 Jahren erfordern. Zur Entschädigung der sächsischen Geistlichen für den Ausfall, welchen dieselben durch das Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung an ihrem Accidentaleinkommen angeblich erleiden, ist in der Budgetvorlage vom Landtag die Be willigung der Summe von 1,200,000 M. gefordert. Zur Bestreitung des durch Handhabung des Reichsgesetzes entstehenden Aufwandes ist im Budget ferner die Summe von 120,000 M. eingestellt. Die Krisis in Bayern ist noch immer zu keiner entscheidenden Wendung gelangt. Bekanntlich haben infolge der Annahme der Jörg- schen Adresse, die dem König übergeben worden ist, die Minister ihre Entlastung eingereicht. Die Meinungen sind nun in München sehr gctheilt, ob die Annahme oder Nichtannahme dieses Gesuches erfolgen wird. Von einer Seite, sagt der „Fr. C.", wird die Behauptung aufgestellt, dem Gesuch würde voraussichtlich die königliche Genehmigung versagt werden. Bon anderer Seite wird jedoch geglaubt, daß dem selben nur theilweise willfahrt würde. Wie sähe es aber in diesem Falle mit der Solidarität der seitherigen Ministeriums aus? Die Intentionen des Abgeordneten» Jörg gehen dahin, ein Fachministerium, welches jeder Parteipolilik ferne, zu bilden. — Die Bildung einer Mittelpartei wird ebenfalls angestrebt. — Man ist in München in fieberhafter Spannung über die Entscheidung des Königs und bildet dieses Thema, je nach dem Partcistandpunkte glvssirt, den fast aus schließlichen Gegenstand der Conversation in allen öffentlichen Localen. Die Vertagung der Abgeordnetenkammer scheint übrigens beschlossene Sache zu sein. In Folge der Einberufung des Reichstages auf den 27. d. M. werden die bayrischen Kammern spätestens am 22. oder 23. d. M. vertagt werden. Da die Ncichstagssession kaum vor Weihnachten zum Abschlusse gelangen wird, so wird die Wiedercinberufung unserer Kammern voraussichtlich erst nach Neujahr erfolgen können. Die nächste.Sitzunz der Abgeordnetenkammer wird am Dienstag stattfinden. Kaiser Wilhelm, der erste deutsche Kaiser, ist als Freund nnd Gast des ersten Königs von Italien in Mailand cingezogen. Sein feierlicher Besuch ist das Siegel auf ein Freundschafts- und Friedcns- bündniß zwischen dem Deutschen Reiche und Italien, alter fast 1000- jähriger Hader und Krieg ist damit beendigt. Im Mittelalter zogen die deutsche» Kaiser als römische Kaiser an der Spitze großer Heere über die Alpen, um sich Italien zu unterwerfen und die Päpste schürten den Hader zweier Völker zu ihremVortheil. Das glänzende deutsche Geschlecht der Hohenstauffen ging in Italien unter. Enzio verschmachtete im Kerker, Manfreds Leiche wurde unter einem Stein haufen bei Benavent verscharrt, Conradins, des letzten Hohenstauffens blondes Jünglingshaupt fiel auf dem Blutgerüste in Neapel. Friedrich Barbarossa hat einst im furchtbaren Grimme das prachtvolle Mailand, das sich immer wieder empörte, mit Feuer und Schwert dem Erd boden gleichgemacht und den Pflug über die Stätte führen lassen, wo die stolze Stadt gestanden. Die Lombarden habe» dafür das deutsche Heer zertrümmert. Wer denkt heute noch des alten Grolls? Das letzte Jahrzehnt mit seinen wunderbaren Ereignissen hat ihn hinweg- geschwemmt u. nur der alte Haß der Päpstlichen wider das deutscheReich ist geblieben. Die Einigung Italiens in unserer Zeit war das Zeichen und Beispiel für die Einigung Deutschlands. Ohne die Wiedergeburt Italiens wäre das neue deutsche Reich schwerlich erstanden. Die Italiener dagegen verdanken Rom den deutschen Siegen, sie hätten niemals ihre natürliche Hauptstadt erhalten, wenn nicht vorher Deutsch land als Sieger über Frankreich gewaltig emporgestiegen wäre. So haben beide Völker Ursache sich herzlich zu begegnen. 'In Kaiser Wil helm begrüßt Italien das deutsche Reich und Volk. Eines trübt die Freude ))er Italiener, daß Bismarck fehlt. Mancher wird seine Krank- heie als Schulkrankheit ansehen, nur nicht der König Victor Emanuel. Bei ihm hat sich der deutschen Kanzler brieflich entschuldigt und ihn gebeten, „er möge ihn als anwesend in Mailand betrachten." Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" bezeichnet dieMonarchcn- begegnung in Mailand als die großartigste und herzergebendste Besiegelung der segensvollen Gestaltung beider Länder. Italien bringe liebevolle und dankbare Verehrung dem Kaiser entgegegen, dessen siegreiches Schwert Deutschlands Einigkeit schuf und die Wieder herstellung Italiens vollenden half. An der englischen und schottischen Küste haben heftige Stürme gehaust. Im Tyne scheiterte der Schleppdampfer „Robi Hood" nnd zwei Mitglieder der Mannschaft fanden in den Wellen ihr Grab. Ein unbekannter französischer Schooner schlug auf demselben Flusse um und seine ganze Mannschaft ertrank. Die deutsche Barke „Carl Friedrich" gerielh beim Passiren der Barre des Tyne in eine sehr starke Strömung, wobei der Hochbootsmann und ein Matrose vom Verdeck weggespült wurden und ertranken. Der Capitän wurde eben falls weggeschwemmt, aber eine Gegenströmung trieb ihn wieder auf das Verdeck. Aus Aarmouth, Hartlepool, Dundee und anderen Küsten orten werden ebenfalls mehr oder minder erhebliche Schiffsunfälle gemeldet. Spurlos. Novelle von Ludwig Habicht. Verfasser der Romane „Ani Genfer See", „Schein und Sein". (Fortsetzung.) Während sich der Marquis an diesem bunten Treiben außer ordentlich ergötzte, vermochte der Graf kaum die verdrießliche Stimmung zu verbergen. Er verwünschte seine gutmüthige Uebereilung. — Warum hatte er sich die Einwilligung zu einer solchen Thorheit ab schmeicheln lassen! Seine von glühender Eifersucht erfüllte Seele quälten die unheimlichsten Bilder und Vorstellungen. Was konnte in diesem tollen Wirbel seiner Gattin alles begegnen! Warum fand er sie nicht? Wo war sie geblieben? — Einen einzige» Tanz hatte er ihr gewilligt, seitdem war schon eine Stunde verflossen und sie kam nicht wieder. — Immer heißer rollte das Blut zu seinen Schläfen; er hörte nicht auf die Scherzreden seines Begleiters, mit fieberhafter Unruhe drängte er sich durch Lie Reihen der Tauzenden und mit un ruhig funkelnden Augen spähte er überall umher, in der Hoffnung endlich die Verlorene zu entdecken. Dort wirbelte eine Ungarin mit einem französischen Schäfer lustig dahin — nein, das war nicht seine Gattin, das verrielh schon die stärkere und kürzere Gestalt. Aber jetzt tauchte aus dem bunten, phantastischen Knäuel wieder eine Ungarin auf und er hätte sie unter Tausenden herauserkannt, das war die