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73. Dienstag, den 21. September 1873 md --- - -— -- llig-i ieres reust als klar gestellt annahm. — Die den Geschwornen vorgelegte Frage: „Ist der Angeklagte schuldig, am 31. März d. I. vor dem Genckus- amt zu Wilsdruff aus Anlaß einer wegen eines Getreidehanvels zwischen ihm als Beklagten und Hensel als Kläger anhängigen Rechts sache den ihm zugeschobenen Eid, mittels dessen er eidlich versicherte, wie es nicht in Wahrheit beruhe, daß Hensel, als er am 24. August 1872 mit Bormann bei ihm war, ausdrücklich erklärt habe, daß er, Scharfe, mit dem Getreide machen könne, was er wolle, er könne es nicht brauchen, wissentlich falsch geschworen zu haben?" wurde von diesem bejaht. Der Gerichtshof verurtheilte hiernach den Angeklagten zu 4 Jahren Zuchthaus, Verlust der politischen Ehrenrechte für die gleiche Zeit und dauernde Unfähigkeit, als Sachverständiger ver nommen zu werden. Ferner hat der Angeklagte, welcher mit Rück sicht auf die Höhe des Strafmaßes in Untersuchungshaft behalten wurde, die entstandenen Kosten zu tragen. (Dr. Ztg.) Bei den diesmaligen Beurlaubungen in der sächsischen Armee sind viele erst zwei Jahr Dienende mit beurlaubt worden, jedoch werden dieselben dann im nächsten Jahre zu den Cantonnements mit herangezogen, wenn, wie es heißt, das 12. Armeecorps mit einem andern deutschen Armeecorps das große Königsmanöver auszuführen hat und die Regimenter und Bataillone comvlett sein müssen. Ueber das zu wählende Terrain wird sich der große Generalstab in Berlin erst noch schlüssig machen. Das Ministerium des Innern hat nach vorgängiger Vernehmung mit dem Kriegsministerium neuerdings Anstand genommen, die seitens eines Kriegervereins erbetene Erlaubniß zur Anlegung eines „Abzeichens" zu ercheilen, da es überhaupt bedenklich scheint, die Anlegung von Ab zeichen zu gestalten, welche in Form und Stoff eine täuschende Aehn- lichkeit mit den allerhöchsten Orts beziehentlich von Seiten anderer hoher Conlingcnlsherren gestifteten Ehren- und Erinnerungszeichen, resp. Kriegsdentmünzen haben. Die Rcaschule soll künftig nicht mehr zu den Vorzugsrechten der Städte allein gehören, auch die größeren Dörfer des Landes fangen allmälig an, ihrem Verlangen darnach Ausdruck zu geben. Zunächst sind cs mehrere der größeren Dörfer in der Umgegend von Leipzig, welche sich um Errichtung einer Realschule II. Ordnung auf Staatskosten bemühen; cs läßt sich aber wohl anuehmen, daß das Beispiel auch in anderen Theilen des Landes bald Nachfolge finden wird. Von Gohlis aus ist eine Petition in jenem Sinne be reits an die Amtshanplmannschaft abgegangen. Reudnitz und ebenso Lindenau wird sich mit einer Petition an den nächsten Landtag wenden. In Bezug auf die Einwohnerzahl geben die genannten Dörfer aller dings mancher kleineren Stadt nichts nach, denn nach den Ergeb nissen der letzten Volkszählung halte Gohlis S015, Lindenau 7484 und Reudnitz 0430 Einwohner. Leipzig, 18. September. Aus Carlsbad ist heute die Meldung hierher gelangt, daß unser Herr Kreishauptmann von Burgsdorfs daselbst plötzlich verstorben ist. Brand, 18. September. Unter den Kindern hiesigen Orles ist die Masernkrankheit ausgebrochen und hat bereits so um sich ge griffen, daß sie die Schulklassen überhaupt, in erster Linie aber die 6 Elementarklasscn mehr oder weniger lichtet; doch tritt die Krankheit durchaus nicht bösartig auf und bleibt fast ausnahmslos ohne rödt- lichen Ausgang. In Freiberg hatten am 14. September zwei Tischlerlehrlinge ein Röllchen Pulver in eine Flasche gefüllt und dasselbe in der Werk statt angebrannt. Der eine Lehrling hat bei der Explosion das rechts Auge cingebüßt; der andere ist an der Hand verwundet worden. In Deutschland standen in der verflossenen Woche die großen Manöver des 5. und 6. Armcccorps in Schlesien im Vordergründe, denen der Kaiser in Gesellschaft des Königs von Sachsen mit einem glänzenden Gefolge von Prinzen und fremdländischen Offizieren uner müdlich beiwohnte. Sein Empfang in der Provinz Schlesien, welche er nach Gründung des Reiches ersten Rial besuchte, war Tagesgeschichte. Sitzung des Schwurgerichtes in Dresden am 16. Sept. Des Meineides angeklagt erscheint der 38jährige, verheiratete und noch unbescholtene Gasthofsbcsitzer Adolph Gustav Scharfe aus Kcssels- dorf auf der Anklagebank. Die Zuhörerräume sind dicht besetzt. Aus der Anklageschrift geht hervor, daß Scharfe am 19. August 1872 vier Malter Korn, welche er an den Getreidehändler Ernst August Hensel in Unkersdorf für zusammen 120 Thaler verkauft hatte, für diesen nach der Schloßmühle zu Tharandt gefahren und gegen Vor- wejs des Lieferungsscheines am Tage darauf von Hensel den Betrag dafür erhalten hat. Das Getreide selbst hat Hensel bei Abmachung des Handels besichtigt und dabei geäußert, es müsse vor Ablieferung »och gereinigt werden. Darauf kam der Buchhalter der damals Kittler'schen, jetzt KönigZmühle, Bormann, zu Hensel, welcher das Ge treide an letztgedachle Mühle weiter geliefert hatte, und erklär! diesem, die Kitllersche Müble könne das Getreide nicht brauchen, da es unrein sei. Hensel und Bormann sind hierauf noch an demselben Tage zu Scharfe gefahren, welchem gegenüber Hensel«erklärt hat, er möge das Korn nur wieder zurücknchmen, man könne es nicht brauchen und er solle das Geld dafür zurückgebcn. Scharfe hat sich dessen jedoch geweigert. In Veranlassung eines hierüber enistandenen Civilprozcsses zwischen Hensel als Kläger und Scharfe als Beklagten hat Letzterer uulerm 3 t. März d. I. vor dem Gerichtsamle Wilsdruff, trotz des schriftlichen ihm vorgelegten Erbietens Bormann's, das Gegentheil bezeugen zu können, beschworen, es beruhe nicht auf Wahrheit, daß Hensel am 23. Aug. 1872 obcngcdachte Erklärung ihm gegenüber abgegeben habe. Hensel hat seine Aussage ebenfalls' beschworen. Hierauf ist gegen Scharfe die heute zum Austrag kommende Unter suchung eingeleitet worden, während welcher derselbe behauptet, daß Bormann und nicht Hensel die Rücknahme des Getreides verlangt hahe. — Der als Zeuge anwesende Hensel bleibt bei seiner früheren Aussage stehen. — Der nächste Zeuge, Buchhalter Bormann, bestätigt die Lieferung des Getreides für die Kittlcr'jche Mühle im Plauenschen Grunde an die Schloßmühle in Tharandt, in welcher letzteren das Korn gemahlen werden sollte, weil damals ein Theil der ersteren Mühle abgebrannt war. Er sei, nachdem ihm das Fehlerhafte des Kornes mitgctheilt worden, am Sonnabend den 24. Aug. 1872 zu Hensel gefahren und mit diesem noch an demselben Tage zu Scharfe, chaf Mit welchem jedoch nur Hensel, wie dies auch nicht anders hätte sein nta«> ^nmn, in der Hauptsache verhandelt hätte. Scharfe behauptet das aul Gegcntheil. -- Der als Zeuge vernommene Kutscher der damals Kittlcrschen Mühle, welcher Vormann und Hensel zu Scharfe gefahren, kann sich trotz seiner Anwesenheit in des letzteren Gasthofe nicht auf —den Inhalt der Besprechung der Drei besinnen. — Advokat Sommer aus Wilsdruff, welcher im Auftrage Hensel's den Scharfe wegen Rückgängigmachung des Geschäftes verklagte und nach Ablegung des au Eides seitens des Scharfe gegen letzteren die Untersuchung wegen -Ul Meineides beantragte, erklärt, daß er überzeugt gewesen wäre, Scharfe Würde nicht schwören. — Die Frau, sowie ein Knecht des Angeklagten .bestätigen übereinstimmend, daß Hensel vor Sonnabend — dem Tage wo er mit Bormann in Kesselsdorf war — also am Donnerstag oder Fr itag, in der Scheune Scharf's, wo gerade gedroschen wurde, gc- « Wesen wäre und dabei geäußert habe: „na, ich habe das schlechte -.^Getreide bekommen, nun kann ich wohl auch dieses gute (was eben "o 'gedroschen wurde) bekommen". Hensel bestreitet seine vorherige An wesenheit und die Aeußcrung cnischieden. Die Frau Scharfe's be- —"hauplet ferner, daß, soviel sie gemerkt, Vormann und nicht Hensel ihren Mann zur Wiederannahme des Kornes bewegen wollte. — ^Sä nmtlichc Zeugen, mit Ausnahme der Frau Scharfe beeidigen ihre '.^Aussagen. — Nach geschlossener Beweisaufnahme hält Staatsanwalt peuRichtcr die auf wissentlichen Meineid lautende Anklage ausrcchi, wäh- cw'rend der Verthcidiger Scharfe's, Justizralh Dr.^Stein, den Beweis .nicht für vollständig erbracht erachtete und den Thatbestand noch nicht Wochcnblai für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sievenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst.