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2 circuliren und hören mithin nicht auf, in der bisherigen Weise Zahl- mittel zu sein. Das Neichsaesetz vom 21. Deebr. 1874 bestimmt im 8 I nur, daß die Notenbanken vom 1. Juli er. ab keine Noten unter SO M. mehr ausgeben und Noten fremder Banken nicht anders als zur Zahlung oder Einlösung bei den Emissionsbanken verwenden dürfen die Zahlkraft der genannten Noten im gewöhnlichen Verkehr ist durch das Gesetz nicht berührt. Es wäre überaus zu wünschen, daß das Publikum rechtzeitig Sorge trage, diese Notenappoints an die Ein lösungsstellen zu dirigircn. Die gesammte deutsche Presse widmete in der abgelaufenen Woche ihre Aufmerksamkeit zunächst den crinnerungsrcichen Tagen der letzten Jahre. Der 13. Juli ist der verhängnißschwere Tag, an dem im Jahre 1870 zu Ems der schicksalreiche Knoten sich zusammcnzog, welchen zu durchhauen die deutschen Armeen in ruhmvollem aber un erhört blutigem Kampfe berufen waren. Damals galt der patriotische Kriegseifer nur dem frevlen Anschläge eines ränkesüchtigen äußeren Feindes, der von seinem, durch Blut und Meineid ergatterten Throne jählings herabgeschlcudcrt wurde. Aber seitdem ist ein innerer Feind erstanden, der, gefährlicher als der andere, den Kitt der deutschen Einheit von Innen heraus zu zerstören trachtet. Auch war der 13. d. der erste Jahrestag des Attentats, welches in Kissingen der Bött chergeselle Kullmann wider den Fürsten Bismarck ausübte. An diesem Tage war vor'm Jahre der deutsche Kaiser ans seiner Durch reise durch Bayern mit König Ludwig zusammen und das Diner, welches beide Monarchen auf dem Münchner Bahnhofe vereinigte, wurde durch das Telegramm über den Kissinger Vorgang unangenehm gestört. Kaiser Wilhelm weilt augenblicklich als Gast des Kaisers Franz Joseph in Ischl. Wenn es überhaupt noch einer Bestätigung bedurft hätte, daß zwischen den Monarchen die intimsten Beziehungen herrschen, so hätte der Empfang des greisen Kaisers auf österreichischem Gebiet« und seine Begrüßung durch den Landessouverän ein weiteres Zcugniß dafür ablegen können. Berlin, 13. Juli. Man will im Wege der Reichsgesctzgebung Maßregeln treffen, damit Eltern u. Gewalthaber ihre Kinder u. Pfleg befohlenen nicht, ehe diese das 16. Lebensjahr vollendet haben, Gauk lern, Seiltänzern, Kunstreitern u. a. Gewerbetreibenden in die Lehre geben dürfen. Das Reichskanzleramt soll die Regierungen bereits davon verständigt haben. Zur Warnung für Auswandcrungslustige theilen wir unsern Lesern mit, daß in einem an das britische auswärtige Amt gerichteten Rapport aus Washington erwähnt wird, daß 1874 ungefähr 44,000 Einwanderer mangelnder Beschäftigung halber aus den Vereinigten Staaten nach Europa znrückgekehrt sind. Mit 319 gegen 266 Stimmen wurde am 12. Juli in Frankreich dasjenige Gesetz angenommen, welches in der Folge den gesammten Unterricht in die Hände der Jesuiten und Pfaffen spielen wird. Konnte man über die Tendenz des Gesetzes in der ersten und zweiten Lesung noch -im Unklaren sein, so ist die Klarheit wohl erreicht. Ein klerikaler Redner sprach eS offen aus, daß das Gesetz zur Grundlage „die katholische Idee" habe und daß es bestimmt sei, „den unheil vollen Doktrinen der nichtkatholischen Wissenschaft das Gegengewicht zu halten." Aber damit nicht genug, ist das Gesetz in der dritten Lesung in seinem ultramontanen Charakter noch in geradezu unge heuerlicher Weise ergänzt und verstärkt worden. In Spanien sollen die Dinge auf dem Kriegsschauplätze sich erheblich zu Gunsten der Alfonsisten gewendet, letztere in mehren Treffen die Carlisten geschlagen und einige befestigte Plätze und Stellungen erobert haben. Dorregarray soll auf seinem Rückzug hart bedrängt werden, undfast umzingelt sein. Die Alfonsisten sollen in Vittoria eingerückt sein. Das amtliche Madrider Blatt vom 13. Juli berichtet, daß die von den Carlisten an verschiedenen Stellen der Reihe nach erlittenen Niederlagen in Estella großen Schrecken verbreitet haben, wenn auch die höheren Offiziere Alles aufbieten, um die Hiobsposten aus Ara gonien und Cataloncn ihren Soldaten zu verheimlichen. Artillerie wird aus Estella weggeführt. 300 verwundete Carlisten sind in Jrache angekommen. Der Angriff der 80 Ulanen unter dem Obersten Juan Contreras war so gewaltig, daß 400 Carlisten in jäher Eile von dem Berge herabstürzten und viele von ihnen umkamen. Bei Villareal haben die Carlisten^ine große Truppenzahl angehäuft, um den dortigen Paß auf der Straße von Vittoria »ach Durango, wo Don Carlos oft Hof gehalten, zu verlegen. — Aus dem Centruin werden viele Unterwerfungen gemeldet, u. A. die eines carlistischen Obersten und eines früheren Deputieren. Der Madrider „Epoca" zufolge sind 1000 carlistische Gefangene durch Valencia passirt. Als einige Offiziere der letzteren dort den Zug verlassen wollten, suchte die Bevölkerung sich ihrer zu bemächtigen, um sie aufzuknüpfen, indem man sie mit großem Geschrei als die Ursache des Ruins und der Trauer vieler Familien bezeichnete. Den Behörden gelang es mit Mühe, die Gefangenen zu befreien und wieder in den Bahuzug zu schaffen. Werrathen und Werloren. Crimmal-Novelle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Der Auscultator nickte zustimmend mit dem Kopfe. Nun wußte er, wo sein Vorgesetzter hinausgewollt. „Bewundernswürdig abge- fangen", murmelte er vor sich hin. Josephe erkannte ebenfalls, daß sie sich selbst verrathen hatte und das ganze Manöver eine List gewesen sei, um sie überhaupt zum Sprechen zu bringen. Sie nagle in ohnmächtigem Zorne an ihrer Unterlippe und warf dem Rache einen bis an den Rand ge füllten Blick des Hasses zu, der sich davon wenig einschüchtern ließ und ruhig fortsuhr: „Sie haben ganz Recht daran gethan, Ihr Schweigsystem aufzugeben, denn es kann Sie doch nicht retten. Auf Grund des Protokolls und der Aussage der beiden Zeugen ist Ihre Verurtheilung unzweifelhaft. „O, das sind meine erbittertsten Feinde", sagte Josephe, „deren Zeugniß erkenne ich nicht an. Das Protokoll ist Nichts weiter als eine elende Fälschung, um mich zu vernichten." „Und doch legte Herr Najowitz so viel Werth darauf, daß er für die Ausantwortung dieses verhängnißvollen Papieres an Sie dem Referendar Fabian ein Legat von 10,000 Thalern aussetzte." Josephe schwieg einen Augenblick betroffen, dann entgegnete sie trotzig: „Wäs kümmert es mich, wenn der alte Herr thöricht genug war, an die Echtheit des Protokolls zu glauben; aber ich habe Fabian mit sammt seinem Protokoll niemals gefürchtet." „Die Echtheit der Unterschrift der Frau Najowitz ist bereits durch Schreibverständige festgestellt", erwiderte Wertheim ruhig, „die unglückliche Frau hat das Protokoll noch mit fester Hand unter zeichnet." Josephens scharfer Verstand erkannte sehr gut, daß sie verloren sei, dennoch gab sie ihre Vertheidigung nicht völlig auf. „Und ich muß dennoch dabei stehen bleiben, daß dieses Proto koll gefälscht ist. — Selbst wenn die Unterschrift der Frau Najowitz keinem Zweifel unterläge, behaupte ich doch, daß dieses ganze Schrift stück Nichts weiter als eine erbärmliche Fälschung ist. „Es wird Ihnen sehr schwer fallen, diese kecke Behauptung zu beweisen. „Nichts leichter als das!" entgegnete sie mit größter Sicherheit. „Herr Fabian und Frau Najowitz standen in einem sehr zärtlichen Verhaltniß, sie wollte wahrscheinlich ihrem alten, ganz herunterge kommenen Geliebte!» eine gute Zukunft sichern und ließ sich deshalb leicht zur Unterschrift dieses Protokolls bewegen. Nun, der alte Dorn erber, der schwärmte stets für seine gnädige Herrin, den konnte sie mit einem freundlichen Blick zu Allem bestimmen." „Und würde sich Herr Najowitz von einem solchen gefälschten Protokoll haben einschüchtern lassen? Dazu komme» die Vorgänge jener entsetzlichen Nacht, die der alte Dorn belauscht." „O, das Zeugniß dieses elenden Mörders erkenne ich nicht an", rief sie mit erhobener Stimme, „denn Niemand anders — als dieser gefährliche Mensch hat meinen Herrn erschossen!" „Bemühen Sie sich nicht, den alten Dorn noch weiter zu ver dächtigen, ich bin bereits auf einer ganz anderen Fährte", und die Augen des Nathes ruhten mit einem eigcnthümlichen Ausdruck auf Josephen. Sie zuckte unwillkürlich zusammen, als fühle sie, daß eine neue Gefahr im Anzuge sei, schon im nächsten Augenblick konnte sie nicht länger zweifeln, daß ihre Ahnungen sie nicht getäuscht hatten. Jetzt wurde Wertheim den Gedanken nicht mehr los, daß der Mörder ganz wo anders zu suchen sei und am Ende Josephe selbst die Hand im Spiel habe. Für diese Annahme sprach so Manches. Der Nath beschloß des halb, direct auf sein Ziel loszugehen — und vor allen Dingen Lange noch einmal vorzuladen und den furchtsamen Mann so einzu schüchtern, daß er irgend ein Vekenntniß machte. Es gelang ihm vollkommen. Lange gab zwar nicht eine Bestechung vollständig zu, aber in seiner vorsichtigen Weise ließ er doch deutlich Hindurchblicken, daß Josephe auf sein Zeugniß einzuwirken gesucht habe. Sie hatte da mals nicht daran gedacht, daß der Nath noch unter der Eiche Fuß spuren bemerken würde, die unmöglich von Dorn herrühren konnten und als sie dies erfuhr, hatte sie die beiden Zeugen zu bestimmen gewußt, ihre Angaben passend abzuändern, damit es dem alten Dorn unmöglich wäre, aus der Schlinge zu kommen. —Durch die Schwäche Lange's war freilich dieser Plan zum Theil gescheitert. Das genügte den« Rath, um weiter zu fußen. Josephe hatte Alles versucht, den Verdacht auf den alten Dorn zu bringen. Das war jedenfalls ein wohlüberlegter Plan und keine Eingebung des Augenblickes. Sie wollte damit ihren Hauptfeind beseitigen. Aber war nicht Fabian ebenso gefährlich und sein be ständiger Hohn und Spott auf die Länge nicht unerträglich? Ihm hatte der Schuß gegolten, und wie er jetzt das verschlagene und vor keinem Verbrechen zurückscheuendc Frauenzimmer kannte, stieg in ihm unwillkürlich der Gedanke auf, sie habe die Ermordung des Referendar nur um deshalb beschlossen, um bann die Schuld auf den Ober förster zu werfen und sich somit beider Feinde zugleich zu ent ledigen. Ein solcher schlauer und kühner Streich sah Josephe ganz ähnlich. Ohne den Tausch der Mäntel wäre Fabian auch wirklich zum Opfer gefallen, und sie würde dann gewiß behauptet haben, daß der Schuß Herrn Najowitz gegolten, und der alte Dorn nur in der Hast den Unrechten getroffen Habe. Durch den Hundejungen hatte sie erfahren, was in dem Walde vorgesallen war, und daß dann später der Oberförster gegen seinen Herrn Drohungen ausgestoßen habe. Eia solch' günstiger Zeitpunkt, beide Feinde zu vernichten, kam so bald nicht wieder, und mit der ihr eigcnthümlichen Energie beschloß sie die Ausführung ihrer finstern Pläne.