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deutschen Deputationen in Mailand sagte der Kaiser: Nicht der Jubel des Volkes hat mich gerührt, sondern der Umstand, daß ich auf den Gesichtern der Italiener, von Hoch und Niedrig, so klar und deutlich das Gefühl des Behagens und der Freude gelesen habe, mit der sie mich hier sehen. — Als ihm der Präsident des italienischen Parla ments vorgestellt wurde, ergriff er dessen Hände, hielt sie lange fest und sagte: Einen so schönen und herzlichen Empfang hätte ich mir nicht gedacht, er wird mir unvergeßlich sein. Ich danke Italien da für, ich danke der Stadt Mailand, dieser reichen und sympathischen Stadt, deren stolze Pracht ich bewundere. — Als er dem Rathhause seinen Besuch machte, schrieb er seinen Namen auf ein Pergament, das in dem Archiv aufbewahrt wird bis in ewige Zeiten. Bei der Besichtigung des Domes gab ihm die Geistlichkeit das Geleite. Aus Bayern, 21. October. Die „Münch. Nachr." schreiben: „Unbeschreiblich war der Jubel, welcher sich gestern beim Bekanut- wcrden der königlichen Enlschcidung verbreitete; es war, als wenn die Tage von Weißenburg und Wörth wiedergekehrt wären. Die erste Frage, welche Jeder auf der Straße, im Wirthshause oder wo immer an seine Bekannten richtete, lautete unfehlbar, ob ihm die hochinteressante Neuigkeit schon bekannt sei, und wie leuchteten die Blicke, wie herzlich schüttelte man sich gegenseitig die Hände, wenn die Mittheilung heraus war oder wenn der Gefragte schon Kenntuiß von dem Geschehenen hatte. War doch unsere Geduld durch die Verzögerung der Entscheidung auf eine harte Probe gestellt worden und schwirrten doch schon die abenteuerlichsten Gerüchte umher, um das räthselhafte Schweigen des Königs zu erklären. Um so höher athmete die Brust aller deutschen Patrioten auf, als sie gestern end lich von dem Alpdruck befreit wurde, als die frohe Botschaft ver kündet wurde, daß der König ebenso denke, wie die ungeheure Mehr heit aller gebildeten und urtheilsvollen Bayern. Aus London, 23. October, wird gemeldet: Die anhaltenden Regengüsse und die außerordentlich stürmische Witterung haben in den mittleren und westlichen Grafschaften Englands Ueberschemmungen herbeigcführt, mehrere Flüsse sind über ihre Ufer getreten und haben großen Schaden gethan. Auch der Verlust von Menschenleben ist zu beklagen. Von der Nord- und von der Ostküste Englands und Schottlands werden zahlreiche Schiffbrüche gemeldet. Spurlos. Novelle von Ludwig Habicht. Verfasser der Romane „Am Genfer See", „Schein und Sein". (Fortsetzung.) Der Graf stampfte wüthend mit dem Fuß den Boden, seine ohnehin leicht entflammte Eifersucht steigerte sich zur Raserei, mit bebenden Lippen stieß er eine heftige Verwünschung aus und ohne weiter auf seinen Begleiter zu achten, drängte er sich durch das Ge wühl, um die Treulose so rasch wie möglich zu erreichen. Gerade sein rücksichtsloses Fortstürmen wurde ihm gefährlich. Von allen Seiten stellten sich ihm rücksichtslose Masken in den Weg und suchten ihn aufzuhalten. Ein paar verwegene Zwerge mit furchtbar großen Nasen klammerten sich an seine Füße und hinderten ihn am Wciter- schreiten, lustige Pvlicinells bemächtigten sich seiner Arme und er hatte Mühe, die zudringlichen Masken von sich abzuschütteln. Noch ehe der Gras das Paar erreichen konnte, war es auf ihn aufmerksam geworden. Er sah, wie seine Gemahlin flehend die Hände erhob, als beschwöre sie den Fremden, sich zu entfernen, und wie dieser ihren Bitten Gehör schenkte, und sich in dem Gewühl verlor, gerade als es dem Grafen endlich gelungen war, bis zu seiner Gemahlin vorzudringen. Jetzt' kannte seine Wuth keine Grenzen, nur mit Mühe hielt er an sich, um wenigstens einen öffentlichen Scandal zu vermeiden, aber mit bebenden Lippen forderte er sie auf, ihm zu folgen und kaum hatten Beide ein abgelegenes Gemach erreicht, da überhäufte er sie mit den bittersten Vorwürfen und klagte sie in den heftigsten Aus drücken des Verrathes und der Untreue an. Die Gräfin traf dieser Sturm zu unerwartet, sie vermochte nicht sogleich zu antworten, sondern nahm nur die Larve vom Gesicht, als brauche sic einen frischen Athemzug, um dann erst den Angriff abzu wehren. Je stiller sich seine Gattin verhielt, je größer wurde die Auf regung: „Wer ist der Bube, der mir Dein Herz gestohlen? O, mir ist Alles klar, Du keimst ihn schon längst und treibst in heimtückischer Schändlichkeit Dein unwürdiges Spiel mit mir. Wenn auch die Gräfin seiner leicht erregbaren Eifersucht Manches nachsah, das war doch zu viel und verwundete sie auf das Tiefste. „Wie kannst Du cs wagen, mich so schmachvoll zu beschuldigen!" rief sie in höchster Aufregung, „o das ist zu schimpflich!" und wie von einem furchtbaren Schlage getroffen, brach sie halb ohnmächtig zusammen. Mehr bedurfte es nicht, um den Grafen zur Vernunft zu bringen; jetzt, wie er seine Gemahlin bleich und verstört da liegen sah, wie sie sich beinahe entsetzt von ihm abwandte, kam er zur Besinnung, daß er sie mit seinen heftigen Vorwürfen tödtlich beleidigt, noch eh' er ihre Entschuldigung angehört, und nun in seiner leidenschaftlichen Weise in das andere Extrem überspringen, warf er sich vor ihr auf die Knice, bedeckte ihre zierliche Hand mit seinen Küssen und rief in schmerzlicher Aufregung: „Verzeihe mir, meine einzige, angebetete Katharina! Siehe, ich liebe Dich ja mit wahnsinniger Gluth, ich kann es nicht ertragen, wenn ein anderer Mann von Dir nur die kleinste Gunst erhält. Mir ist jedes Wort, jedes Lächeln, das Du ihm schenkst, ein Raub an meinem heiligsten Gut. Ich gönne Niemand dieses Glück." Die Gräfin konnte ihre slavische Abstammung nicht verleugnen; war ihr auch die an Blindheit grenzende Eifersucht ihres Gatten zu weilen unbequem, so fühlte sie doch in anderer Hinsicht eine große Befriedigung darüber; es schmeichelte ihrem Stolz, daß sie eine solch' wilde, verzehrende Gluth in dem Herzen ihres Mannes angefacht, und mochte diese immerhin sich in rücksichtsloser Leidenschaftlichkeit äußern, sie fühlte sich davon nur im ersten Augenblick empört, im nächsten war sie schon wieder mit dem Gatten ausgesöhnt, der es nun einmal verstand, ihr Herz fortwährend in stürmische Bewegung zu setzen. Gerade seine leicht erregbare Eifersucht mit ihren heftigen, ungerechten Vorwürfen mit späteren Selbstanklagen und Versöhnungs- scenen war ihr eine Quelle des Genusses und verstärkte nur die Ge fühle, die sie für ihren Gatten hegte. Ja, sie liebte ihn eben so heiß, glühend und hingebeud, wie er sie, er hatte nicht den mindesten Grund, au ihrer unerschütterlichen Treue zu zweifeln, und doch untergrub auch Lieser beständige Zweifel nicht ihre Liebe, wie dies vielleicht in dem Herzen einer deutschen Frau der Fall gewesen wäre. Mochte sie anfangs über die schonungslosen Angriffe ihres Gatten noch so empört sein, ihn sogar finster und grollend zurückweiscn, seinen süßen Schmeichelworten konnte sie auf die Länge nicht widerstehen. Auch heut' erfolgte wie immer eine rasche Versöhnung, und als die Gräfin vollends ihre Unschuld betheuerte und dem eifersüchtigen Ge mahl versicherte, daß sie den Fremden nicht kenne und ihn geradezu ersucht habe, ihr nicht weiter lästig zu fallen, schloß er sie zärtlich an seine Brust. Trotzdem war jetzt der jungen Frau das längere Verweilen auf dem Ball verleidet worden, sie klagte gegen ihren Gemahl über Er müdung und sprach den Wunsch aus, das Gewühl so rasch wie mög lich zu verlassen. Der Graf war darüber nicht wenig erfreut; nichts konnte ihm angenehmer sein, als daß sie selbst darauf drang, dem glänzenden Fest den Rücken zu kehren, und mit großer Bereitwillig keit entsprach er ihrer Bitte. „Wir wollen uns wenigstens vom Mar quis verabschieden", erklärte er seiner Gattin und Beide traten in den Saal zurück, um den Freund aufzusuchen. Obwohl die beiden Freunde gleichfarbige Dominos trugen und sich auf die Brust daran rothe Schleifen geheftet, um sich leichter zu erkennen, war cs ihnen un möglich, den Marquis zu entdecken, nnd der Graf gab bald seinen Versuch auf: „Der Marquis wird gewiß ans Abenteuer ausgezogen sein, wir können nicht auf ihn warten, er mag uns das morgen er zählen", und er suchte so rasch und so gut wie möglich durch das Maskengewühl den Ausgang zu gewinnen. „Wie findest Du den Marquis?" fuhr er im Wcitcrgehen fort, um seine Gattin, die merklich still geworden war, in ein Gespräch zu bewickeln, und da die Gräfin nur ausweichend die Achseln zuckte, setzte er lebhaft Hinzu: „Er ist in der That ein angenehmer Gesell schafter, und ich glaube wirklich, daß ich mich auf seine Freundschaft verlassen kann." Jetzt endlich brach seine Gemahlin ihr Schweigen: „Traue ihm nicht," entgegnete sie mit großer Entschiedenheit, „ich werde die Ahnung nicht los, daß mir von ihm noch irgend eine Gefahr drohe. Graf Gyula lachte hell auf. „Kann meine Katharina auch eine Schwarzseherin sein? Der Marquis sucht aus Eitelkeit sich schlechter zu geben, als er wirklich ist; er spielt den blasirtcn boshaften Geist, der Alles angreift, im Grunde ist er aber doch eine harmlose Natur." Die Gräfin mochte auf diese warme Vertheidigung nichts erwidern, um nicht ihren Gemahl von Neuem zu reizen, ja sie durste ihm nicht einmal sagen, daß sie das Benehmen des Marquis für eine reine Komödie ansah. Sie täuschte sich nicht — denn in solchen Dingen haben die Frauen den schärfsten Blick — daß in der Brust des Fran zosen eine heftige Leidenschaft für sie noch immer nicht erloschen und daß er sie nur sorgfältig verberge, um das Haus des Grasen auch ferner besuchen zu können. Welche Absicht er dabei hatte, wußte sie freilich nicht und sie könnte sich der Vorstellung nicht erwehren, daß dieser verschlagene, schlaue Mensch mit unermüdlicher Ausdauer irgend einen heimtückischen Plan verfolgte. Das Beispiel des Grafen hatte Nachahmung gefunden. Die Hitze und das Gewühl war so furchtbar, daß auch noch andere Gäste sich beeilten, den Saal zu verlassen, aber als sie in der Vorhalle an kamen, war vor demOpernhause nicht ein einziger Wagen zu erblicken. Die Kutscher und Bedienten hatten nicht auf die so frühe Rückkehr ihrer Herrschaften gerechnet und die Gelegenheit benutzt, um ihrerseits den Karneval zu genießen. Auch der Kutscher des Grafen war nirgends zu sehen. Nicht einmal ein einziger Miethswagen hielt vor dem Platze. Die meisten Gäste zogen es vor, wieder in den Saal zurückzu kehren, als hier in der kalten, zugigen Vorhalle auf die saumseligen Kutscher zu warten. Nur eine kleine Gesellschaft von vier Personen harrte mit dem Grafen und seiner Gemahlin geduldig aus. Gyula mochte um keinen Preis dem Feste noch länger beiwohnen und als noch immer kein Wagen erschien, litt ihn seine Ungeduld nicht länger hier ruhig uud müssig zu stehen, bis endlich sich ein Ge fährt einfinden würde; er bat seine Gemahlin, in der Vorhalle so lange zu warten, bis es ihm gelingen werde, einen Wagen aufzu treiben. Da die kleine Gesellschaft, die ebenfalls entschlossen war, auf ihren Wagen zu warten, aus drei Damen und einem Herrn be stand, so wußte er seine Gattin geschützt. (Forts, folgt.)