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2 Freiberg. Gegenwärtig findet hier eine Ausstellung und Prämirung von Lehrlingsarbeitcn statt. Es sind im Ganzen von 138 Lehrlingen 194 Arbeiten ausgestellt. Die Ausstellung macht einen günstigen Eindruck. Die Preisrichter habe» 60 Lehrlingen Prämien zuerkannt. Freiberg. In der Nacht vom 3. zum 4. Juni sind in Wcig- mannsdorf 2 Wirtschaften und 1 Wohnhaus niedergebrannt. Annaberg, 4. Juni. Schon heute Morgen war es heiß und Nachmittags wurde es geradezu schwül. Bald nach 4 Uhr brach da her ein heftiges Gewitter los. Blitz und Donner, Schloßen und Regen wütheten durch die Luft. Steile Straßen wurden zu Gicßbächen, unser Markt glich einem See, und als sich das Wasser verlaufen hatte, sah man in den Straßen und auf freien Plätzen Haufen von Schloßen. Es hat auch mehrmals eingefchlagen, doch wird nur von Ehrcnfreiedcrs- dorf ein größeres Feuer gemeldet. Am 29. Mai ist in der Nabe der Bastei im sogen. Wehleugrund von einem Knaben ein menschliches Skelett aufgefunden worden, welches schon ganz vertrocknet und zum Theil verwest war. In den Kleidern fand man 5 Thlr. 16 Ngr. Geld, eine silberne Anceruhr u. in dem Portemonnaie Zündhütchen Rehposten, ein Pulverhorn, sowie in einer andern Tasche einen Ladcstock zu einem Pistol. Das Skelett ist an Ort und Stelle beerdigt worden, die aufgefundencn Sachen be- finden sich in den Händen des Oberförsters Rosenbaum in Lohmen. derrathen und verloren. Criminal-Novelle von Ludwig tjudicht. (Fortsetzung.) Luitgarde begriff Anfangs nicht, warum die Schwester so augst voll und stürmisch weiter zog; aber der Schmerz und die Lieb: schärften bald ihren Blick. Es fiel ihr auf, welch' große Veränderung seit jener Nacht mit Wanda vorgegangen. All ihr heftiges leidenschaftliches Wesen, ihre zuweilen aufflackernde wilde Lustigkeit hatte sie einge büßt; sie war ganz still und schweigsam geworden — und folgte jetzt den Anordnungen ihrer Schwester willenlos wie ein Kind. Es schien Etwas aus ihr herausgebrochcn zu fein, jene stürmisch treibende Feder die sie zu mancher Tollheit aufgestachelt. Auch das Verhältuiß zwischen den beiden ältesten Geschwistern war jetzt ein anderes. Während Elise früher den Eigensinn oder die übermüthige Laune Wauda's durch eine gewisse Energie kaum überwinden ckvnntc, behandelte sie jetzt die älteste Schwester mit der größten Schonung und Zartheit, wie etwa die Mutter ein erkranktes Kind. Es lag ein unendliches Mitleid in ihrem Benehme», und doch schien es Luitgarde, als schimmere ein gewisses Grauen hindurch. „Wo war Wanda in jener Nacht gewesen? Warum hatte sie sich heimlich von ihnen entfernt?" Das waren Fragen, die in Luitgardens Herzen unwillkürlich auftauchten, und auf die eine klare Antwort zu geben sie selbst zurückschauderte. Merkwürdig genug, gerade der alte Vater schenkte dem unglück lichen Seelenzustande seiner jüngsten Tochter die meiste Beachtung. Man war an ihm eine solche Theilnahn:e an der Außenwelt gar nicht gewöhnt. Meist ließ er Alles achtlos an sich vorübcrgchcn, und, in seine düsteren Erinnerungen verstricken, — schien er der Gegenwart selten viel Beachtung zu schenken. Luitgarde war deshalb nicht wenig erstaunt, als er sich jetzt oft in einsamen Stunden mit ihr unterhielt und dabei verriclh, wie we nig ihm ihr Herzensgchcimniß und ihr stller, nagender Gram ent gangen war. Freilich waren seine Trostesworte am wenigsten ge eignet, das Herz des jungen Mädchens zu beruhigen, im GegentlM mußten sie noch die Ovalen vermehren, die dasselbe bestürmten. In seiner wunderlichen abgerissenen Weise, die seine Töchter an ihm schon kannten, begann er zuweilen, wenn sie allein waren: „Glaub nur, Luitgarde, Arm und Reich kommt selten zusammen Siehst Du, und ist der Mann ein armer Musikant und das Liebchen reich, dann ist er viel zu stolz und will nicht werben, bis er auch was hat. Aber das Glück ist ein launhafl Ding, das läuft immer vor uns her, wenn wir's Haschen wollen, und wir kriegen's nie. — Und dem Liebchen wird die Zeit lang über dem Warten, lind endlich kommen die Eltern, die reden so vernünftig, und der arme Musikant hat Nichts als Hoffnungen, leere Hände und seinen Stolz: Ich war so klug, so jung und schwach, Ich gab dem Wunsche der Eltern nach, Ade, mein Lieb, Ade. Und ob ihm drob das Herz auch brach, Ich fragte dennoch nicht danach, Wie thut das weh!" Der Alte schluchzte mehr diese Verse hervor, als daß er sie sang, während heiße Thränen über seine gerunzelten Wangen rollten. Trotz dem Luitgarde selbst so unendlich schwer war, vergaß sie auf einige Augenblicke über der Erzählung ihres Vaters ihr eigenes Leid. „Das war doch recht schlecht von ihr, und macht es Dich noch immer traurig, — wenn Du an sie denkst?" fragte sie theilnehmend. „Ich war nicht mehr jung genug, um die Wunde zu verschmerzen", war die Antwort des Alten. „Ach, die Jugend wird mit Allem fertig mit jeder Täuschung, die heilt sich immer wiederaus; aber ich konnt's nimmer. Hier sitzt's und geht nicht mehr fort." Er zeigte auf sein Herz und vorsank in finsteres Hinbrüten. „Traue nicht dem reichen, jungen Menschen", begann der Alte zu anderen Zeiten wieder, „er wird Dich treulos verlassen. Traue Niemand, das ist das Beste, dann bricht Dir einmal nicht vor Qual und Jammer das Herz. Ja, Du solltest nur wissen, wie's in einem gebrochenen Herzen aussicht. Siehst Du, ich wär niemals so herunter gekommen und braucht' nicht mit meinen armen Kindern als Bändel sänger auf der Straße hcrumzuzichcn, aber es sah in meiner Brust so finster und traurig anS, da floh sie alles Glück." „Was mag Wanda haben?" fragte der Alte plötzlich, in ge- wohnter Weise von einem Gegenstände zum andern überschweifeud. „Sie ist so still geworden, sie hat was auf dem Herzen, und die Elise, die ich darüber gefragt, meinte, sie wüßte es nicht, und sic weiß doch Alles." Auch Luitgarde konnte und wellte dem Vater keine Auskunft geben; — aber seine Frage rief in ihr die allen, unruhigen Gedanken zurück war also dem alten, geistesniüdeu Manne das veränderte Benehmen Wanda's ausgefallen. Irgend etwas mußte in jener Nacht geschehen sein, — denn auch auf Elisens Brust schien seitdem ein finsteres, un glückliches Gcheinmiß zu ruhen; sie war verschlossener, in sich ge lehrter als je, und während sie all ihre Aufmerksamkeit der ältesten Schwester zuwandte, vernachlässigte sie sichtlich die Uebrigen, und des halb waren der Vater und die jüngste Tochter mehr auf sich selbst angewiesen. Luitgarde konnte mehr als je ihren trüben Gedanken nachhängen. Was war aus Theodor geworden? — Sie wußte cs nicht. Viellcicht schmachtete er noch im Gefängnisse, und ihr Herz krampfte zusammen, viellcicht wurde er selbst unschuldig verurtheilt. Denn daß er das furchtbare Verbrechen eines Vatcrmordes begangen haben sollte, konnte sie nimmermehr glauben. Wenn sic ihn noch nicht lief und wahr ge- licbt hätte, die Sorge und Angst um sei» Schicksal würden die Fäden noch stärker gesponnen und sie für immer an ihn gefesselt haben; aber sie liebte ihn bereits, so tief, still und feurig, wie nur ein junges Mädchenhcrz lieben kann, — in dessen Brust zum ersten Mal diese Göttcrflamme entzündet worden. Und nun von dem Geliebten weit entfernt sein, nicht mehr von ihm zu hören und dabei zu wissen, daß eine entsetzliche Gefahr über seinem Haupte schwebte — das war ein Unglück, das ihrem jungen Herzen alle Lebenskräfte raubte. Sie durste nickt einmal ihr Leid, ihre Sorgen der Schwester enthülle», denn diese wich sicktlich einem solchen Gespräche aus, und als sie einst von Elise überrascht wurde, wie sie in einem Winkel kniete und vor sich hin schluchzte, sagte sie nur mit einem traurigen, müden Lächeln: „Lerne früh eia mächtiges Unglück ertragen; wir haben Alle eine sehr schwere Bürde; aber Thränen erleichtern sie nicht; nur Kraft und Geduld." Ach, wo sollte die arme Luitgarde Kraft und Geduld herncbmcn! Sie war ja noch jung und wußte noch nicht, wie viel uns überhaupt das rauhe Schicksal in Scherben schlägt. — Kaum hatte sie ein Herz gefunden, das sie stürmisch, glühend liebte, da sollte es ihr durch ein unheimliches Ereigniß für immer verloren gehen. Das jaßtc, begriff sie nicht. Die Jugend kann sich so schwer in irgend ein unerwartetes Unglück finden; sie ist noch nicht gewöhnt an jene harten Schläge einer unsichtbare!,, gewaltigen Macht, die uns später noch so viel zer trümmert, ohne daß wir völlig verzweifeln. Luitgarde hatte schon beim ersten Zusammentreffen mit Theodor eine stille — süße Swärmcrei für ihn gefaßt. Dört in der Wald- schänke war sie zum ersten Male aus sich herausgcttcM. Die ge habte Unruhe und Angst, und dann das unerwartete Znsammenireffeu brachten doch ihr in eine zu heftige Bewegung, um die kindlich-jung fräuliche Zurückhaltung zu bewahren. Sie vcmeih ihm durch machen Blick, manches Wort, wie es in ihrem Innern aus^ah, und Las Auge der Liebe sieht scharf. Auch Theodor hatte gewahrt, daß diese reine, unschuldige Seele sich mit unendlicher Zärtlichkeit ihm zugewandt, und dies hatte ihm ebenfalls eine größere Sicherheit gegeben, ihn veranlaßt, alle Schüchtern heit abznstreifen, und damit ein herzinnges Vcrständniß beschleunigt. Vielleicht würde das junge Mädchen dennoch ruhig geworden sein, wenn sie nur wenigstens eine Nachricht über das Schicksal des Geliebten erfahren hätte; aber nicht die leiseste Kunde drang zu ihrem Ohr. Elise halte rastlos weiter getrieben, — und nach Luitgardens Berechnung mußten sie bereits mehr als „zwanzig Meilen" von Klein furra entfernt sein. Mochte sic auch noch so eifrig und heimlich die Lokalblätter lesen, wenn sie in irgend ein Wirlhshaus kamen, sie fand nicht die mindesten Aufschlüsse über jenen Mord. Einzelne Blätter hatten wohl seiner Zeit von dem Verdrecken kurz berichtet, aber sich jeder näheren Mittheilnng enthalten. Eines Tages, als sie mit ihrem Vater die Straßen einer Stadt durchwanderte, blieb der alte Mann vor einem Conditorladen stehen und warf schmachtende Blickr »ach den Pasteten und Torten, die dort ausgelegt waren. Luitgarde sollte einige Einkäufe von Zwirn und Nadeln machen; aber den Wunsch des alten Mannes vermochte sie nicht unerfüllt zu lassen, und sie trat rasch entschlossen mit ihm in den Laden. Der Alte ließ sich ein Pastctchen nach dem andern vortrefflich schmecken, unbekümmert darum, daß er damit Luitgardens kleine Er sparnisse verzehrt, und ald er endlich seinen Appetit gestillt, lachte ihm noch ein Stück Baumkuchen so verführerisch entgegen, daß er nicht widerstchen konnte. Da er aber völlig gesättigt war, ließ er sich's einpackcn, und Luitgarde gewährte ihm sein Belangen gern, denn dem Vater hatte es zu gut geschmeckt. „Sag' Nichts erst Elisen, die würde uns Verschwender schelten'" bat sie auf dem Rückwege. „Du hast Recht", — entgegnete der Alte, der ohnehin gern zur Geheimnißkrämerei neigte „damit sie Nichts gewahr wird, will ich lieber das Stück noch "essen, obwohl ich satt bin", und er zog hastig den Kuchen aus der Tasche.