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früher» Nrn. d.Bl. findet morgen Sonnabend Vormittags imNaths- sessionszimmer allhier die Wahl zweier Wahlmänner zur Gewerbe kammer in Dresden statt. Wir erinnern die Gewerbetreibenden unserer Stadt und Umgend nochmals an die Ausübung ihres Stimm rechtes auch bei dieser wichtigen Wahl — und wollen hoffen, daß wir in dieser Beziehung Freiberg überflügeln, wo leider bei der in diesen Tagen stattgefundenen gleichen Wahl von 3000 Wahlberech tigten nur Einer an der Wahlurne erschienen ist. — Ebenso gestatten wir uns, die Mitglieder des hiesigen Vor- schußvereins an die morgen Abend im Gasthof zum Adler statt findende Generalversammlung zu erinnern. — Die hiesige „Liedertafel" hat in vorgestriger Generalversamm lung beschlossen, ihr diesjähriges Stiftungsfest^ das dreißigste seit ihrem Bestehen, am Sliftungstage, Mittwoch den 24. Februar, in solenner Weise durch Tafel und Ball zu feiern. — Vorgestern wurden uns zwei lebende Maikäfer und ein Schmetterling überbracht, welche im Freien gefunden worden waren; gewiß etwas Seltenes Anfang Februar, und man ist veran laßt, den Worten des Ueberbringers des Schmetterlinges zu glauben, daß dies Zeichen eines baldigen Frühlingswctters seien, obwohl der gestern gefallene Schnee diesen Worten spottet. Laut der von dem königl. statistischen Bureau veröffentlichten Uebersicht betrugen im Monat Deeember v. I. in den 156 Spar kassen des Königreichs Sachsen die Einzahlungen 1,844,411 Thlr., die Rückzahlungen 1,484,370 Thlr. Im ganzen Jahre 1874 beliefen sich die Einzahlungen cuff 26,732,521 Thlr., die Rückzahlungen auf 17,048,557 Thlr. Hiernach überstiegen im verflossenen Jahre die Einzahlungen die Rückzahlungen um 9,083,964 Thlr. Aus Dresden schreibt der „Dr. Anz.": Die Vorbereitungen zum Bau einer dritten Elbbrücke hierselbst sind, wie wir höre», wei ter gediehen, als sich nach den Milcheilungcn anderer hiesiger Blätter über diese hochwichtige Angelegenheit annehmen ließ. Ein von dem städtischen Oberingenieur Manck ausgcarbeitetcs neues Projekt, welches dem königl. Finanzministerium bereits Vorgelegen hat und dessen An forderungen durchaus entspricht, liegt nebst den Kostenanschlägen dem Stadtrathe zur Entschließung vor. Die neue Brücke, welche nicht nur dem Verkehre, sondern auch der Uebcrleitung von Gas und Wasser über den Strom zu dienen bestimmt ist, soll von Sandsteinen erbaut werden und besteht aus der eigentlichen, 152 Meter langen Strombrücke mit nur 4, je 31 Meter weit gespannten flachen Stich- bogen, und aus den auf beiden Ufer» an die Strombrttcke anstoßen den Landbrücken, deren jede aus 5 Bogen besteht und 82 Meter lang ist. Die gesammle Brücke würde sonach 316 Meter lang werde» und 14 Bogen erhalte». Die Brückenweile vo» Geländer zu Geländer ist auf 18 Meter bemesse», wovon 6 Meter auf die beiderseitigen, je 3 Meter breiten Fußwege, 12 Meter aber auf die Fahrbahn kommen. Ihre Lage würde die Brücke ein wenig oberhalb der jetzigen Dampffäyrlinte erhalten, deren Betrieb während Les Baues nicht gestört werden würde. Unter den Dresdner Schulkindern und zwar namentlich unter den kleinen Knabe», welche im erste» Schuljahre stehen, treten gegen wärtig Masern und Scharlachfieber häufig auf. Es giebt Elcmcn- tarclassen hier, in denen 20 und mehr Kinder fehlen. Für die be treffende» Lehrer ist dies um so unerfreulicher, da das Examen vor der Thüre steht, an welchem die Kleinen des mechanischen Lesens mächlig sei» solle». In Burghausen bei Leipzig hat sich nach dem „Leipz. Tgbl." am vorige» Freilag ein tragischer Fall zugelragen. Ein dortiger Gutsbesitzer wollte seine» bereits 39 Jahre alten Soh», »ach einer alten auf dem Lande leider noch vorkommenden Gewohnheit, salnilien- ordmmgshalber noch nicht heirathcn lassen, oder verweigerte es ihm, das Gul zu. überlassen. Der Sohn drohle nun bei seiner letzten Vor stellung dem Vater, daß er sich im Verwcigerungssalle erschieße» werde, aber auch das führte nicht zu der gewünschten Erlaubniß, und so wurde die Drohung zur Wahrheil, der unglückliche Mann schoß sich mitten durchs Herz^ nachdem er sich vorher noch mit dem besten schwarzen Anzüge bekleidet hatte. Meißen. De» 1. Februar feierte die hiersige Töpferiunung ihr ZOOjähriges Jubiläum. Sie ward gegründet am 1. Februar 1775 von 5 Meistern; noch befinde» sich die Artikel, welche auf Schweins- haut geschrieben und noch leserlich sind, in den Hände» des Ober meisters. Wohl ah»ten einst jene Manner nicht, baß nach 3 Jahr hunderten dieser Industriezweig aus eine so hohe Stufe der Voll kommenheit gelangen würde. Bischofswerda. Der Gesundheitszustand hiesiger Stadt ist zur Zeit ein guter nicht zu nennen, denn das Scharlachfieber grassirl unter de» Kindern ziemlich stark. Es sind seit dem epidemischen Auftreten desselben circa 30 Kinder daran gestorben und liegen gegen wärtig noch 60 bis 70 krank daran nieder. Seiten des Bezirksarztes sowohl, als des SladtralheS sind die strengsten Vorsichtsmaßregeln «»geordnet worden. derratljen und verloren. Criminal-Novelle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) II. Im Hcrrenhause. Ei» ganz eigenlhümlichcr Geist mußte in dem großen stattlichen Gebäude walten, das konnte man schon von draußen erkennen. Diese blankpolirte» Fenster mit den schneeweißen Gardinen sahen so ein ladend aus, daß man, ohne sich zu besinne», gewiß gern in das sonst ziemlich geschmacklos gebaute Schloß trat. Hier aber begegnete man erst einer wahrhaft holländischen Sau berkeit und Accuratesse, die, so wohlthuend nach einer Seite, nach der andern hin doch wieder etwas Beengendes hatte. Die weder gebohntcn noch gestrichenen Dielen der großen Zim mer waren fast ebenso spiegelblank gescheuert, als das goldig glänzende Kupfer- und Messinggeschirr in der reich ausgestatteten Küche. Wehe dem Stubenmädchen, wenn irgendwo ein Stäubchen zu entdecken gewesen. Das sauberste, blendend weiße Leinen schmückte die lange Tafel, — und auch noch weit wählerische Gäste, als die hier verkehrenden, hätten ohne Bedenken ebenso gut auf der Außen seite des Geschirres den delikaten Braten zu zerlegen oder die wunder vollen Compols genießen köime». War es aber nicht ei» Wunder, daß der wilde, tobsüchtige Najowitz, dem all' dies Wasche» uud Scheuern doch »och hundertmal widerwärtiger sein mußte, als de» meisten andern Männern, die, wohl von der Nothwendigkeit solcher Operationen überzeugt, aber doch dagegen gern Protest erheben, sich Henn so fügsam zeigte? Es grenzte frcilig an's Fabelhafte, und dennoch entging es selbst dem oberflächlichsten Beobachter nicht, daß die Wirthschaslerm Josephe de» wüsten, rohen Patron gründlich unter dem Pantoffel hatte. Ihr gegenüber wagte er äußerst selten einen Widerspruch, und sobald sie nur mit ihrer blendend weiße» Schürze sich a» die Augen fuhr und von der Sehnsucht »ach einem ruhigen Leben sprach, gab er gern „klein bei" und fügt« sich in jede» ihrer Wünsche. Was hätte Rajowitz auch ohne seine „Josephe" anfangen sollen? Sie war ihm Alles! Eine zärtlichere, ausmerkjammcre und besorgtere Pflegerin konnte cs aber auch nimmer geben, als sie. Er mochte vo» seinen: fatalen Rheumatismus geplagt oder ge sund sein, er mochtc verreisen oder zu Hause Gesellschaft haben, oder allein still am Ofen sitzen, jederzeit fand er, ohne eine» Wunsch aus zusprechen, Alles, was zu seiner Zuträglichkeit oder seiner Behaglich keit gehörte: eine Einreibung aus der Apotheke, gewärmten Pelz und eingcpackteil Imbiß, die delikatesten Gerichte lind seltensten Lecker bissen, rin gut gestopftes Pfeifchen und»ein unterhaltendes Auch, eilt großes Glas warmes Eicrbier und daneben die Numflaschc, um es nach seiner Gewohnheit erst mundrecht zu machen. Merkwürdig war es, wie Josephe hier auf dem Lande und noch dazu in einer von jedem regen Verkehr sernabgelcgene» Gegend stets das Alles zu verschaffen wußte. — Doch sie war in dieser und auch in anderer Beziehung ei» wahres Wirthschaftsgenie. Als ein kleines, verwahrlostes Kind von sechs Jahren war sie bettelnd hierhergekommcn. Von der gulmüthigcn Hausfrau ausge nommen und erzogen, hatte sie sich bald eine staunenswerthe Ge wandtheit «»geeignet, so daß die etwas kränkelnde Dame ihr all- mälig immer mehr die Wirlhsckast überlassen konnte, bis sie mit der Zeit ihr ganz das Feld räume» mußte. Jetzt war Josephe eine stattliche Erscheinung in den dreißiger Jahren, an deren glättet», faltenlosen Antlitz die Stürme der Jugend zeit spurlos vorübergegangen zu sein schienen, und deren flammende Blicke immer noch mehr als erralhen ließen, daß ihr die Huldjgtmgen der Freunde des Hauses ganz erwünscht, ja, daß sie dieselben sogar als schuldigen Tribut sordere. Mil eiserner Energie führte sie das Hausregimcnt, und außer vom Alte» imd von Fabian duldete sie von Niemand, nicht einmal von den Gästen oder ganz Fremden — Widerspruch. Ja, es galt bei ihr von vornherein das Gesetz, daß, wie sie für die Behaglichkeit, den Comfort und die ungcnirlcste Bequemlichkeit eines Jede» sorgte, der Kleinfurra besuchte, sie auch von Jedermann den gebührenden Respekt emzufordern berechtigt sei. Natürlich war ihreni Sceptcr auch das ganze Haus-und Wirth- schafts-Personal unterthan, und obwohl sie stets eine offene Hand hatte und in dem Dorse wie in der ganzen Gegend durch ihre Frei gebigkeit bekannt war, so wurde sie doch nur von wenigen Menschen geliebt, und selbst Diejenigen, die ihr viele» Dank schuldig waren, besonders aber sämmtliche Dienstboten und Arbeitsleute, — haßten sie im Geheimen ihrer übermäßigen Strenge uud Grausamkeit wegen gar bitter. Ma» fühlte, daß sie nur schenkte, um alle Welt an sich zu fessel», daß ihre Wohlthatcn niemals aus dem Herzen, sondern aus dem Kopfe kamen, und deshalb vermochten sie so wenig zu er wärmen. Wenn sie als Königin zu betrachten war, so mußte als ihr erster Minister der frühere Besitzer des nahen Gütchens Krämpe, der jetzt als Rentier in Tryncck lebende Gottfried Lange, gelten. Er war ein eigenthümlicher Kauz dieser Man», i» höchst schlauer Weise verstand er es, sein ganzes Thun mit einem gewissen Nimbus zu umgebe», so daß eigentlich Niemand wußte, was er trieb und wovon er sich nährte. Sein Gut hatte er Schuldenhalber verkaufen müssen; dennoch trat er stets überall sehr elegant auf, ließ zuweilen Etwas darauf gehen, ja, es hieß sogar, daß er selbst seiner Fran, die längst von ihm getrennt lebte, noch Etwas zukomme» laste. Es waren freilich nur Gerüchte, Bestimmtes ließ sich darüber so wenig erfahren, wie über sein ganzes Leben überhaupt, das er in ein geheimnißvollcs Dunkel zu hüllen wußte. Man sagte nur, daß er bei den häufigen Gelage» der Herren stets sehr hoch und mit Glück spiele, und das er überhaupt in jeg lichem Erwerb, der einen klaren Lichtstrahl nicht sicher zu ertragen