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Dem heil. Vater in Rom ist's zu Muthe, als ob Hannibal vor den Thoren stände. Garibaldi siedelt nämlich nach Rom über, um seinen Sitz im Parlament einzunehmen und mehr unter Menschen zu sein. Seine alten Kriegskameraden wollen ihn feierlich in rochen Hemden und Hahnenfedern empfangen. Spanien. König Alfons erließ einen Aufruf an die Bewohner von Biscaya und Navarra, worin er den lebhaften Wunsch nach Frieden ausdrückt, feine Thronbesteigung sei seinem Wunsche gemäß ohne Blutvergießen erfolgt. Wenn sie ihre factische Gewalt bestritten hätte, so blieb« nur Krieg übrig, gälte ihr Kampf der Anhänglich keit an die Monarchie, so sei er der Repräsentant der Dynastie, gelte derselbe dem katholischen Glauben, so sei er katholischer König und er werde die der Kirche zugefügten Unbilden wieder gut machen. Er wolle constitutionellcr König sein, sie würden ihre Freiheiten und ihren Wohlstand wieder erlangen. In der Proclamation an die Armee hebt der König herv»r, daß dieselbe Landsleuten gegenüber stehe, sie bedürfe Energie nicht für Waffenruhm, sondern für Frieden; wenn die Gegner seinen Aufruf unbeachtet ließen, dann bleibe nur Kampf übrig. Gott werde die beschützen, welche den Frieden woll ten, nicht die, welche die Waffen gegen das Vaterland trügen. Neuesten Nachrichten zufolge zieht Don Carlos plötzlich die weiße Fahne auf und reicht seinem Vetter Alfons die Hand der Versöhnung. Es hat bereits eine Besprechung zwischen den Unter händlern des Prätenden und denen des Königs stattgefundcn. Ueber die Bedingungen, unter denen Carlos den Rivalen anerkennen will, hört man nichts. Nach seinem bisherigen schroffen Auftreten zu ur- theilen, dürfte er sich gewiß nicht allzubillig abfindrn laffen. Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Das königl. Bezirksgericht zu Dresden hat einen Aufruf er- laffen, wonach Jedermann, welcher über den Verbleib des dem er- > mordeten Spritfabrikanten Fleischer geraubte» Geldes und über das Treiben der beiden Brüder Ziegeldecker Franz in der Nacht vom 4. zum 5. Januar Auskunft ertheilen kann, aufgcfordert wird, seine Wahrnehmungen dein Untersuchungsrichter Herrn Assessor Becker (Landhausstraße 9, 3. El.) mitzutheilen. Königstein. Vor ungefähr 10 Wochen kam auf dem Wege über Struppen, Thürmsdorf, der Bahn und Elbe entlang ein ziem lich großer der Tvllwuth verdächtiger Hund durch unsere Stadt und biß fowohl in den Elbhänsern, als auch in der innern Stadt nicht nur Hunde, sondern auch Kinder und Erwachsene, auch auf seinem weitern Wege nach Hütten, Pfaffendors, Papstdorf und Krippen, woselbst er endlich gctödtet wurde. Obschon die Gebissenen allent halben sofort ärztliche Hilfe in Anspruch nahmen, besonders nachdem durch den Bczirksarzt Symptome der Tollwuth bei Obduction des Hundes constatirt wurden, so sind doch die Bisse des Thiercs leider nicht »hne traurige Folgen geblieben. Der Anfang Deccmber zum Soldaten einberufene 20jährige Montag aus den Elbhänsern, der von den Zähnen des Hundes an der Hand nur leicht geritzt worden war, erkrankte in Dresden und starb in wenigen Tagen, nicht ohne daß die Aerzte des Krankenhauses Symptome der Wuthkrankheit constalirten. Der 13jährige Sohn des Schiffers Bretschneider in den Elbhänsern war leider von dem tollen Thiere mehrfach gebissen und hatte beim Hinsallcn sich förmlich balgen müssen. Dem Knaben wurde die aufmerksamste ärztliche Pflege zu Theil und derselbe war augenscheinlich gänzlich genesen und besuchte die Schule, als nach neun Wochen sich Merkmale zeigten, daß der Knabe nicht gesund sei. Tags darauf trat die förmliche Tollwuth aus, die den dritten Tag den Tod herbeiführte. Unter Beweisen der innigsten Theilnahme wurde er am Dienstag zur Erde bestattet. In Liebertwolkwitz hat sich der frühere Gemeindevorstand und Sparcassendirector Nebe bedeutender Unterschlagungen schuldig gemacht. Die Höhe der unterschlagenen Summen wird auf etwa 3000 Thaler angegeben. Nebe ist von der Gendarmerie verhaftet worden. Man glaubt, daß er Mitschuldige hat. Nach Mittheilungen aus Radeburg sind bei der dortigen Post expedition mehrere Fälle zur Anzeige gekommen, wo dort aufgegcbene Geldbriefe ihres Inhaltes ganz oder theilweise beraubt an den Be stimmungsort «»gelangt sinh. Die cingelcitetcn Erörterungen sollen ergeben haben, daß der Poüschreibergehilfe N. den betreffenden Brie fen die Summe von mehr als achlzehnhunderl Mark entnommen habe, auch sollen mehrere Gegenstände bei demselben vorgcsunden worden sein, welche darauf schließen lassen, daß R. schon seit einiger Zeit sich an den durch seine Hände gegangenen Postsendungen, na mentlich auch an Packeten, vergriffen habej Wie man hört, ist das aus den Briefen geraubte Geld zum größten Theile noch vorhanden. R. befindet sich in Haft. In Brambach hat man am 21. Januar, Nachmittags 4 Uhr, ein heftiges Gewitter erlebt. In Pausen von 2 bis 3 Minuten folgte dreimaliger lang anhaltender Donner auf einander. Anfangs fiel heftiger Regen hernieder, innerhalb der nächsten 5 Minuten aber erhob sich ein gewaltiger Sturm und begann ein so dichtes Graupel wetter, daß man kaum 5 Schritte weit sehen konnte. Regen und Schnee wirbelten in einer furchtbaren Weise. 4 Uhr 5 Minuten sah man einen Blitz leuchten und hörte unmittelbar darauf den heftigsten, jedoch auch letzten Donncrschlag. Das Gewitter war infolge des heftigen Windes in dieser kurzen Zeil in südlicher Richtung entwichen, während Regen und Schneegestöber noch bis 4 Uhr 15 Minuten an dauerten. — Zu derselben Zeit zog über Hof ein Gewitter unter Donner und Blitz, dem ein heftiger Schneesturm folgte. Kurz nach dem sich dieser wieder gelegt hatte, beschien die Sonne frisch be schneite Höhen und Flächen. derrathen und verloren. Criminal-Novelle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Theodor, von der Natur mit einer lebhaften, viel zu überschwäng lichen Phantasie und mit einem nur zu weichen Gemüth ausgestattet, war schon früh zu einem Landprediger in Pension gekommen, wo er hart und rauh behandelt worden, und so — einer verschüchterten Taube gleich — bereits als zartes Kind vor den herben Berührungen des Lebens sich stets in die stille friedliche Welt seines Innern ge flüchtet. Und bei den Besuchen im Vaterhansc ward er durch die grobe, lieblose Behandlung des Vaters noch mehr eingeschüchtert, so daß er dann Tage lang umhergehen oder in den Ecken sitzen konnte, ohne auch nur ein Wort zn sprechen, — oder auch nur durch Blicke seine Theilnahme an den Vorgängen um ihn her zu verratheu. Dies Wesen war aber dem Alten nur zu sehr zuwieder, und oft hatte er schimpfend aiisgerufen: „Der Jung' dögt für dies' Welt nischt!" Später waren Vater und Sohn ganz entzweit, denn auf dem Gymnasium hatten die Mitschüler dem Letzteren die ganze unglück selige Familiengeschichte von Kleinfurra und die schreckliche Behand lung seiner armen Mutter erzählt, und seitdem hatte er eine unüber windliche Abneigung gegen den Alten gcsaßt, welche er, trotz seines weiblichen Naturells, und trotz aller Brutalitäten seitens des Vaters doch offen zur Schau trug. Um den fortwährende» Mißhandlungen vorzubeugen, hatten Fabia» und Dor» — die beiden Einzige», welche noch etwas über den starrköpfigen Alten vermochte» — es durchge setzt, daß Theodor nie mehr in den Ferien und zu den Festen hier her kam, sondern auch diese Zeit hindurch stets in der Pension blieb. Auch als der junge Rajowitz das Abilurienten-Examen gemacht und die Universität bezogen, Halle er nur jchiifllich vom Valer Abschied genommen. Jetzt, nachdem er zwei Semester Jura studirt und im Ganzen seit drei Jahren nicht in Kleinfurra gewesen, war er auf den Wunsch des Vaters zu dessen Geburtstag nach Hause gekommen. Sei es nun, daß er verständiger geworden und der Alte nachgiebiger und weicher, ihr Zusammenleben war seit den vierzehn Tagen seines Hirseins ein immerhin leidliches, obwohl Theodor fast noch zurückhaltender war als sonst, und obwohl der Vater dagegen sich jetzt noch mehr über das verschlossene und träumerische Wesen des juugen Mannes ärgerte, an dem selbst das lustige Wesen in der Universitätsstadt spurlos vorübcrgegangen zu sein schien. Auch war bereits mehrmals sein Jähzorn zum Losplatzen üahe über das sonderbare, sich fortwährend in Widersprüche verwickelnde Lügen des Sohnes, von dem mau wirk lich annehmen konnte, daß es ihm völlig unmöglich sei, auch nur eine einzige Thatsache wahrheitsgemäß anzugebe». Der gute alte Dorn entschuldigte dies immer mit der zu lebendigen Phantasie des jungen Herrn und hatte auch wohl Recht; denn die selbe malte dem armen Jungen die wunderbarste» Dinge vor und ließ ihm keinen Augenblick Ruhe. Ja, zuletzt wußte er meistens selbst nicht, ob er all' die tollen Geschichten seiner Einbildungen wirklich durchlebt, oder nur geträumt hatte. Für den practische» Sinn des Alten konnte es jedoch nicht leicht irgend etwas Verächtlicheres geben, als eine Unwahrheit ohne Zweck und Ziel, während sonst seine Grund sätze in Bezug auf Sittlichkeit und Moral von irgend welchen Schranken allerdings gar keine Ahnung hallen. Wie sehr er selbst schon in dem Knaben durch sein heftiges, rohes Auftreten denn Sinn für Lügen und Ausflüchte geweckt, das viel ihm freilig nicht ei». Theodor hatte niemals den Muth gehabt, denn Valer gegenüber eine Wahrheit zu bekennen, sich ängstlich bei jeder Veraiilassung aus's Leugnen gelegt, und so war in dem jungen Menschen allmälig diese — von einer lebhaften Phantasie unterstützte Neigung zur Lüge ausgebildet worden. Wer vermag die Empfindungen eines Wachmannes zu beschreiben, wenn er an einem klare», prachtvollen Herbstmorge» allein, — mindestens in einiger Entfernung von seinem Nebenmann, so laut los und erwartungsvoll dasteht! Wie mächtig wirkt dann auf jedes dafür empfängliche Gemüth die großartige Schönheit, die erhabene, friedliche Stille der Natur! Hie und da pfeift ei» Meiscbe», dann »»d wann macht ei» Windstoß die letzte» Blätter der allen Baum- riesen rausche»; sonst kein Ton kein Laut. . . Plötzlich hörte man das Bellen der Hunde, das „Uh, la lala! Such, such! Hei, hei! Hubei, Hubei!" der Jäger, die auf der Spur des aufgeschrccktcn Wildes dasselbe mit dem anhaltenden, lärmenden, für den Jäger aber wie liebliche Musik klingendeii Jubel verfolgten, unr es dem tödteudeu Blei zuznjagcm Wie krampfh ist griff der junge unerfahrene Schütze nach der Flinte, während er vor Erregung am ganzen Leibe zitterte, — und die Augen aus ihren Höhle» zu trete» drohte». In jede»! Augen blicke glaubte er de» Rehbock, oder auch nur ein Häsche» hcrvor- sprmgeu zu sehen; doch, — sei es, daß er unwillkürlich sich bewegt oder der schlaue Reineke, den die Hunde aufgeüöbcrt, Wind von ihm be kommen, die Jagd drehte sich einige Male dicht bei ihm, dann wurde das Gebell allmälig schwächer, bis eS sich zu letzt in weitcsterFerne verlor. Mochte cs nun diese übertricbcnjabgcspannte Aufmerksamkeit sein, die den Geist nach und nach erschlafft und eine ähnliche Wirkung