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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Giebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche GerichLsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. ^7 T Freitag, den 29. Januar 187A In dem zu dem Vermögen des hiesigen Schneidermeisters Bernhard Lorenz eröffneten Creditwesen sollen Seiten des unterzeichneten Gerichtsamtes den 11., 12. und 13. Februar d. I. in dem Saale des Gasthofes zum weißen Ädler hier von früh 9 Uhr an die vorgefundenen Vorräthe an fertigen neuen Kleidungsstücken und rohen Waaren, bestehend in circa 90 verschiedenen Röcken, Jaquets, Joppen und Jäckchen für Erwachsene und Kinder, ca. 60 Paar Hosen, feinen und ordinären, und ca. 50 Stück Westen, verschiedenen Sommer- und Winterstoffen und Stoffrestern, sowie Futterzeugen, Borden, Knöpfen, Schlipsen, ingleichen einige Wäschstücke und Mobiliar meistbietend gegen sofortige Baarzahlung öffentlich versteigert werden. Es wird dies mit dem Bemerken hiermit bekannt gemacht, daß die an einem jeden Tage zu versteigernden Gegen stände von früh 8—9 Uhr in dem erwähnten Saale in Augenschein genommen werden können. Königliches Gerichtsamt Wilsdruff, am 27. Januar 1875. Leonhardi. Das 24. Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes für das Königreich Sachsen vom Jahre 1874 enthält: Nr. 180. Einkommensteuergesetz, vom 22. December 1874. Nr. 181. Dccrct wegen Bestätigung der Mäkler-Ordnung für Dresden; vom 22. December 1874. Nr. 182. Bekanntmachung, eine anderweite Anleihe der Actiengesellschaft „Vereinigte Bautzner Papierfabriken zu Bautzen" betreffend; vom 24. December 1874. Nr. 183. Bekanntmachung, die Anleihe der Stadt Radeberg betreffend; vom 29. December 1874. Nr. 184. Bekanntmachung, die Postordnung vom 18. December 1874 betreffend; vom 31. December 1874. Nr. 185. Bekanntmachung, die Verfassung der Stadt Stolpen betreffend; vom 30. December 1874. Nr. 186. Verordnung, die Aufhebung einer im Z 45 der Ausführungs-Verordnung zum Schulgesetze vom 25. August 1874 enthaltenen Bestimmung betreffend; vom 30. December 1874. Gedachtes Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes liegt in hiesiger Naths-Expedition zur Einsicht aus. Wilsdruff, am 28. Januar 1875. Der Stadtgemeinde-Rath. Ficker, Brgmstr. TagesgeschichLe. Der deutsche Reichstag hat am 22. Januar das Land sturin gc setz in 3ter und letzter Lesung endgültig angenommen und zwar bei namentlicher Abstimmung mit 198 gegen 84 Stimmen. Gegen das Gesetz stimmten nur das (clcricale) Centrnm, die Social demokraten, die Elsässer und der Frankfurter Sonnemann. Das Ge setz lautet: tz 1. Drc Landstum besteht ans allen Wehrpflichtigen vom .vollendeten 17. bis vollendeten 42. Lebensjahr, welche weder dem Heere, noch der Marine angehören. Der Landsturm tritt nur zu sammen, wenn ein feindlicher Einfall Theile des Reichsgebiets be droht oder überzieht. (§ 3 al. 2 und K 16 des Gesetzes vom No vember 1867.) — ß 2. Das Aufgebot des Landsturmes erfolgt durch kaiserliche Verordnung, in welcher zugleich der Umfang des Aufge bots bestimmt wird. — § 3. Das Aufgebot kann stch auf die ver fügbaren Theile der Ersatz-Reserven erstrecken. Wehrfähige Deutsche, welch« nicht im Heer verpflichtet find, können als Freiwillige in den Landsturm eingestellt werden. — § 4 Nachdem daS Aufgebot ergangen ist, finden auf die von demselben betroffenen Laudsturmpflichtigen die für die Lamdwchr geltenden Vorschriften Anwendung. Insbe sondere sind die Aufgcbotcucn den Mililärstrafgesetzcn nnd der DiS- ciplinarordnung unterworfen. Dasselbe gilt von den in Folge frei williger Meldung w den Lilien des Landstnrmes Eingetragenen. — § 5. Der ^Landsturm erhält bei Verwendung gegen den Feind mili tärische, ans Schußweite erkennbare Abzeichen und wird in der Regel tu besonderen Ablheiluugcu sormirt. In Fällen besonderen Bedarfs kann die Landwehr aus den Landstnrmpflichtigen ergänzt werden, jedoch nur daun, wenn bereits sümmUiche Jahrgänge der Landwehr und die verwendbaren Mannschafwn der Ersatz-Reserve Unberufen sind. Die Einstellung erfolgt nach Jahresklassen, mit der jüngsten beginnend, soweit die militärischen Interessen dies gestatten. — Z 6. Wenn der Landstnrm nicht aufgebolen ist, dürfen die Landstnrm pflichtigen keinerlei militärischer Kvntrole oder Uebungen unterworfen werden. — § 7. Die Auflösung des Landsturms wird vom Kaiser angcordnet. Mit der Auflösung der betreffenden Formationen hörst das Militärverhältniß der Landsturmpflichtigen auf. — H 8. Die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Bestimmungen erläßt der Kaiser. — Z 9. Gegenwärtiges Gesetz kommt in Baisrn nach näherer Bestimmung des Bündnißvertrages vom 23. November 1870 zur Anwendung. Dasselbe findet auf die vor dem 1. Januar 1851 geborenen Elsaß-Lothringer keine Anwendung. Wir machen unsere Leser auf Z 79 des CivilehegesetzeS für das deutsche Reich aufmerksam. Da heißt es: „Die kirchlichen Ver pflichtungen in Bezichnng auf Taufe und Trauungen werden durch dieses Gesetz nicht berührt." Der Kaiser sprach in einer Abendge sellschaft seine Freude gegen Abgeordnete aus, daß man diesen Pa ragraphen unangefochten gelassen habe, da er von ihm selbst sei. Der Unterstaatssecrctair Friedberg nahm ihn so in Schutz, daß die ganze Versammlung Ja und Amen dazu sagte. In Frankreich sind die Bonapartisten täglich eifriger bemüht, der Nation das dritte Kaiserreich plausibel zu machen. Notizen über die kaiserliche Familc und über deren Aussichten auf Wieder kehr nach Frankreich durchziehen die französische und englische Presse. Dabei wird geflissentlich über den verstorbenen Kaiser und über Eu genie mit Stillschweigen hinweggegangen; desto mehr spricht man von dem hoffnungsvollen Lulu. Dieser hat eben seine Studien an der Militäracademie zu Woolwich beendet, „liegt" gegenwärtig „im Examen" und wird nach Absolvirung seiner Prüfung — die natürlich glänzend ausfallen wird — die Academie verlassen; er wird sie verlassen als ein zum Manne gereifter Jüngling, als ein Helles Kirchenlicht im Fache der Artillerie und des Festungswesens und überschüttet von Beifallsbezeugungen seiner Lehrer, die voll seines Lobes sind. Diese bonapartistischen Ausstreuungen werden zwar von den Republikanern mit Hohn ausgenommen, aber in vielen Kreisen verfehlen sie ihre Wirkung nicht. Man sehnt sich nach definitiven Zuständen, die Sünden Napoleons III. sind schon fast vergessen, und wenn sein Sohn die Kaiserkrone nur Halbwegs mit Anstand zu tra gen weiß, so wird man gern rufen: „I-o soptonnat ost wort; vivs l'Ewxiro!" (Das Scptennat ist todt; es lebe das Kaiserreich!)