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die Scheffelzahl des gewonnenen urbaren Landes berechnet und Schocke mit Schocken addiret, be denket ihr nicht, daß der ne-uus d. i. die belebende Kraft, der Mist in euren Miststat ten, euch fehlen wird, um das Feld in ein er tragreiches umzuwandeln, und daß der Dünger, als da ist Kalk, Knochenmehl, Vogelexcremcnte von der Peruanischen Küste u. s. w., nur für schweres Geld zu haben ist, da nicht überall im Lande an den Landstraßen Miststatten hocken, die da suchen, welchen Acker sie düngen. Wenn aber der Wintersturm über das Blachscld daher fahren, euer Gehöfte umtosen und sein eisiger zu dringlicher Hauch durch die kleinste Lücke und Ritze Einlaß suchen und finden wird; wenn ihr ver geblich auf das Verschwinden der Eisblume an den Fensterscheiben warten, der kalte winterliche Gast vielmehr geschäftig den Frühling mit seinen Blu men und Blüthen auf höchst unangenehme Weise euch versinnlichen wird; wenn die zärtlichste Um armung des gewaltigen Kachelofens euer Blut nicht zu schnelleren, belebenderen Kreisen treiben und dem Schornstein nur ein spärliches Rauch wölklein entsteigen wird, und die Flamme, die es geschaffen, eben nur hinreicht, das liebe bischen Kaffeewasser zirm Kochen zu bringen: — dann, o dann werdet ihr mit vergeblicher Sehnsucht zu rückdenken an die ewig grüne Fichte, die schlanke Erle, die knollige Eiche, die weithinschimmernde Birke und das niedere Gestrüpp, das als Reiß holz eine so herrliche prasselnde Flamme abgiebt. Ihr werdet daran zurückdenkcn, wie an einen schönen Traum, und versuchen, noch einmal dem Schlummergott in die Arme zu sinken: doch euer Mühen wird ein vergebliches sein, denn ihr werdet frieren, der Frost aber scheucht den zarten weichen Gott zurück, und so bleiben denn auch die Traume ganz von selbst weg." Ich hielt jetzt erschöpft inne, denn das viele Reden hatte mir den Athcm fast benommen, er wartend, daß mein Begleiter seinerseits den Fa den des Gesprächs aufgreifen und meiner Ansicht beitreten oder, wenn möglich, dieselbe bekämpfen werde. Dem war aber nicht also, denn er schwieg beharrlich und lächelte nur pfiffig vor sich hin, wie Einer, der da zu verstehen geben will, daß er es nicht der Mühe für werth finde, eine so haltlose Behauptung zu Sreitfrage zu erheben. Dieses, wie mich dünkte, verächtliche Schweigen erhitzte mich noch mehr, und ich ließ mich über den obenerwähnten Gegenstand auf eine Weife aus, die ich für den Druck nicht geeignet halte, da ich sogar den Staat mit hineinzog und ich jetzt bei ruhiger Erwägung die Ueberzeugung ge wonnen habe, daß ich nicht berechtigt bin, in Din ge mich zu mischen, die mich nichts angehen und die ich nun einmal doch nicht ändern kann. So hatten wir denn wieder ein tüchtiges Stück Wegs zurückgelegt und eine Höhe erreicht, von welcher herab wir die Stadt, das Ziel unserer Wande rung, vor uns liegen sehen konnten. Wäre ich der Gegend nichtso ganz kundig gewesen, würde ich kaum geglaubt haben, daß dies Z. sei, so verän dert hatte sich AllcS, was meinen Blicken sich darstcllte. Durch Neubau war die Stadt noch einmal so groß geworden, und wo früher, nament lich in den Vorstädten niedrige schwarzbcrußte Hütten das Auge beleidigten, erhoben sich an den selben Stellen palastähnliche Häuser mit Söllern und Balkonen, mit griechischen und was weiß ich für Dächern. Wie ich nun so hinschaute auf die zu meinen Füßen liegende reizende Stadt, fiel mein Blick auch auf den schonen breiten Strom, der, ihren Saum fast berührend, seine grünen Wogen ruhig und stolz dahinwälzte. Da mein Blick den Lauf des Flusses weithin verfolgen konnte, siel cs mir auf, nicht ein einziges Fahrzeug auf seinem friedlichen Rücken dahingleitend zu erblicken, einige Fischernachen ausgenommen, die die glänzende Fläche belebten. Ich thcilte mei nem Genossen meine Verwunderung darüber mit, erhielt aber keine andere Antwort, als das vorbe merkte pfiffige Lächeln, dessen Deutung ich ver geblich versuchte. Ich wurde fast unwillig über das Benehmen meines früher so freundlichen und gesprächigen Begleiters und richtete weiter keine Frage an ihn, sondern überließ mich still meinen Gedanken, die etwas verworren meinen Kopf zu durchkreuzen begonnen. So geschah es denn, daß wir kurz vor der Stadt eine große Pläne erreichten, die ich früher nie gesehen hatte, auf welcher eine gewaltige Masse von Menschen aus allen Standen sich umhertricb. Es kam mir vor, als ob ich auf einem Jahrmarkt mich befän de, obschon weder Buden noch Krämer sich zeig ten, so drängten und schoben sich die unauf hörlich Auf- und Abwogenden durcheinander. Mit Mißbehagen mußte ich bemerken, daß ich ein Gegenstand der Neugier und Schaulust ward, so bald ich in den dichten Mcnschenknäuel eingedrun- gcn war, denn wo ich auch erschien, wandten sich die Blicke der Menge auf mich, ja einige lose Bu ben hatten sogar die Unverschämtheit öffentlich mit Fingern auf mich zu zeigen. Wären sie nicht aus gerissen und hätten sie Stand gehalten, ich würde sie zusammengewalkt haben, daß ihnen das Fin gerzeigen auf Lebenszeit hätte vergehen sollen. Wurde ich nun mit Verwunderung betrachtet, so erregten nun wiederum die Vorübergehenden meine besondere Aufmerksamkeit und mein Erstaunen. Ich glaubte mich um mehr denn ein Jahrhundert in der Zeitrechnung zurückversetzt, in die Zeit et wa, wo der starke August, der auf dem Neustadt- Dresdner Markte hoch zu Pferde sitzt, das Regi ment führte, der kühne Schwedenkönig, der zwölfte Karl, die Pferde zu Schanden ritt, und in Frank reich der sogenannte große Ludwig um das Frauen zimmer buhlte. Die Herren zeigten sich in ge waltigen Perücken oder in steifen, lang auf den Rücken hinabhängendcn Zöpfen mit diversen Ver-