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366 dratfuß binnen 100 Jahren 60—70,000 Leichen beerdigt. In Lille ist der fünfzigste Jahrestag des Bombardements dieser Festung, jedoch ohne Mit wirkung der Beamten, von den Einwohnern ge feiert worden. Am Abend war die Stadt illumi- nirt und unter den aufgestellten Transparenten sah man auch einen Barbier, der angeblich unter den Kugeln des Feindes eilf Personen rasirt ha ben und ein Stück von einer geplatzten Bombe als Seifcnschalchen dabei benutzt haben soll. Am 3. October d. I. hatte cs in Wiesenthal geschneit und eine Georgincnflur mit Schnee be deckt; daneben blühte ein Aepfelbäumchen. Zu Selke im Altenburgischen blühte ein Kirschbaum, sowie in Burghausen bei Leipzig am 17. Sept, ein Obstbaum, während mehre andere in der Nahe in der Blüthe standen. Auch blühten in demsel ben Monat Kastanienbaume an den Canälen in Amsterdam. Um den König der Franzosen gegen mögliche Mordanfällc zu schützen, ist ein eigcn- thumlicher Wagen construirt worden. Alle obern Theile dieses Wagens, namentlich die Seitenblät ter des Wagenkastens und die Rückenlehne, sind von gewalzten Eisenplatten gemacht, welche mit der üblichen Schußprobe für Kürasse belegt sind und als kugelfest sich erwiesen haben. Die Wa genfenster sind schmäler als sonst üblich, auch bedeutend mehr nach vorn gerückt, wodurch der eigentliche Wagensitz eine größere Tiefe erhält. Dadurch, und wenn die Person, die im Wagen sitzt, sich dicht an die Rückwand lehnt, kann sie von der Seite nicht gesehen und also auf sie auch nicht geschosseti werden. Ueberhaupt ist der Wa genkasten so eingerichtet, daß alle Schußlinien, welche durch das Fenster in das Innere hincin- gchen, sie mögen nun von einer Richtung kom men, welche es auch sei, sich vor den im Fond sitzenden Personen kreuzen, ohne sie treffen zu könnend Nur erst, wenn sie den Körper vorbicgt und so den Fenstern sich nähert, tritt Gefahr ein, und diese vermeidet der König, indem er, wenn er die lauten Acclamationen denkend erwiedern will, nur mit dem Hut eine Vorwärtsbewegung macht und ihn vor den schmalen Fensteröffnun gen sehen läßt. — Es ist aber doch eine traurige Sache, wenn die Industrie und mechanische Kunst fertigkeit eines Volkes auf so hohem Standpunkte steht, um, eine Maschine zu erfinden, in welcher der Monarch ohne Furcht, erschossen zu werden, inmitten dieses Volks spazieren fahren kann! Die bairische Regierung hat sich jüngst ver anlaßt gesehen, die schon aus älterer Zeit gegen das Betteln der Studenten auf dem Lande in Vacanzzeiten erlassenen Verfügungen neu ein zuschärfen. Den über dem Betteln Betroffenen haben die Behörden das Vergehen in ihre Zeug nisse einzutragen, und bei zu häufigen Wiederho lungen tritt Dimision ein. Daß das Herum ziehen der Studenten von Haus zu Haus in den Städten, um die Mildthätigkeit der Bewoh ner in Anspruch zu nehmen, ebenfalls noch mehr beschränkt werden dürfte, darf kaum bezweifelt werden. — Also hatte jener französische Reisebe schreiber doch Recht, den dazumal deutsche Blätter höhnisch abfertigten mit dcrVermuthung, daß er wohl fechtende Handwerksburschen für Studenten an gesehen habe — also hatte er doch Recht. Wir erfahren es officiell: es gibt in Deutschland, we nigstens in Baiern, Bcttelstudentcn, die von Haus zu Haus ziehen. Die treuen Bauern von Conerov. In dem ehemals schwedischen Antheil von Pommern, jetzt Preußisch Neu-Vorpommern ge nannt, liegt nicht fern von Greifswalde ein Dorf, Namens Conerov, das sich durch die treue An hänglichkeit seiner Bewohner an den heldenmürhi- gen König Karl XII. von Schweden in der Pommerschen Geschichte einen Namen erworben hat. Als dieser nämlich in Bender war, und dort unter den Türken Gefahren und Drangsale aller Art zu bestehen hatte, hörten die Bauern von Conerov: wie seine Noth bereits so hoch ge stiegen sei, daß er seine Lieblingspferde habe er schießen lassen müssen, um mit deren Fleisck) die wenigen Getreuen, die, mit ihm von den Türken eingeschlossen, wie die Löwen kämpften, am Leben zu erhalten. Alsobald machte sich einer der Bauern, Peter Müsebeck mit Namen, zu Pferde auf dm Weg nach Bender, steckte links und rechts in seine großen Stiefeln, was er nur irgend an Gold mit Hilfe sämmtlicher Bauern hatte auf- treiben können, und brachte so dem König, wenn auch nicht durchgreifende Hilfe, doch einen rüh renden Beweis von der großen Anhänglichkeit seiner Pommern. Man erzählt, daß Karl XII., der sonst nicht leicht weich wurde-, durch das Er scheinen Müsebecks wahrhaft erschüttert gewesen sei, und ihm befohlen habe, niederzuknieen, damit er ihm den Ritterschlag ertheile. Dessen aber hat sich Müsebeck nicht bequemt, sondern dem Könige zu verstehen gegeben^ daß es ihm als Bauer gar wohl ums Hetz fei, und wenn der König ja was thun wolle, so möge er sämmtliche Bauern von Conerov für ewige Zeiten aller Steuern los und ledig erklären. Dies hat denn der König Karl auch wirklich gethan, ein Dokument darüber aus gefertigt, und in das große Wachssiegcl desselben, wie man sagt, einen Theil seines Schnurrbartes mit dem Petschafte, welches er an dem Handgriffe seines Degens trug, eingcsiegelt. Dieses Doku ment ist aucb in der Hauptsache von der preußi schen Regierung bis zum heutigen Tage respektirt worden.