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zu nehmen, denn ich sah hier jund daj so einen Kant stehen bleiben, um mich durch drei Brillen, die er zugleich auf der Nase trug, anzuglotzen, ja einige Extramucker bedienten sich zu diesem über aus löblichen und christlichen Geschäft noch langer Fernröhre. „Wenn ich nur/' sprach ich, doch nicht ganz frei von einer kleinen Aufwallung über solche Frech heit, und bedachte in diesem Augenblicke nicht, daß wir 1862 nach christlicher Zeitrechnung schreiben, „wenn ich nur einmal ein Dutzend solcher Zucker- und Modepüppchen so ums hohe Neujahr herum Lei zwanzig und einigen Graden Kälte mit drau ßen auf meinem Revier hatte zur Treibjagd, ich wollte ihnen Stande anweisen, daß den Bürschchen die Seele im Leibe zerfrieren sollte, den Bürschchen, die im lieben warmen Sonnenschein herumlungcrnd einen alten derben Waidmann keck zu verspotten wagen, dem schon mancher Wind um die Nase ge fahren, als die Gelbschnabel noch in den Windeln lagen. Ich wollte sie, die nur das Geldwechseln kennen, auf Fuchswechsel stellen, daß sie vor Heu len und Zahneklappern Freund Reinecke für einen Dudelsack ansehen und das Mark in den Gebeinen ihnen schlottern sollte, daß sie es gemahnte, ihr letztes Stündlein wäre gekommen. Dann sollte bei der Strecke ein Zagdschluck aus meiner Waidmanns flasche in die vom Theegelutsche halb schon abge standenen Kehlen hinabfahren, daß die Bübchen vermeinten, sie hätten Frost und bösen Weg in leibhaftiger Gestalt mit hinuntergcspült. Dann, denke ich, würde ihnen das Gucken mit Fernröh ren nach einem ehrlichen Manne vergehen!" Nachdem ich meiner Aufwallung durch vorste hende Expectorationen Luft gemacht und Hinein Gefährte mir beigestimmt hatte, sing mein Magen, in den sich die Galle nicht allsogleich ergießt, auf die unzweideutigste Weife an mich zu erinnern, daß der Stand der Sonne die Mittagszeit hinreichend angezeigt und er bedient sein wolle mit konsistenter Speise, auf die er nach der Morgettwanderung gerechten Anspruch hatte. Mein Begleiter sagte mir auf mein Befragen nach einem Speisehause, daß wir gar nicht nvthig hatten, uns dieserhalb in die Stadt zu begeben, und führte mich einem großen, aus Holz gezimmerten zeltartigen Gebäude zu, das wir nach wenigen Schritten erreichten. Wir traten gleich darauf in ein prachtvolles Ge mach ein, und ich prallte erschrocken zurück, als mein Auge von dem Glanz der dort aufgehäuften Herrlichkeiten geblendet wurde, und wollte durch aus nicht weiter gehen; doch mein Begleiter zog mich lächelnd vollends ins Zimmer hinein und be merkte dabei, daß er schon ost hier gegessen und es sich habe wohl sein lassen und stets mit heiler Haut davongekommen sei. Ich fuhr verstohlen mit der Hand in die Tasche nach dem Geldbeutel, und ein schwerer Seufzer entrang sich meiner Brust, als ich zwischen dem magern, welken Beutel und der Tafel und ihren derselben gewiß entsprechenden fetten Gerichten einen Vergleich anstellte, der gar sehr zum Nachtheil des erstem aussiel. Doch machte ich zum bösen Spiel, so gut es ging, eine gute Miene, um meinem Gefährten nicht nachzustehen, und ließ die Pfeife ausgehen, denn diese Räume mit Tabakrauch anzufüllen, schien mir doch wirk lich nicht ganz schicklich. Sobald wir an der noch nicht besetzten Tafel Platz genommen, erschien ein Kellner so dürr wie ein Windspiel, doch auch so flüchtig als dieses und brachte mir, der den Vo gel an den Federn erkennen mochte, zum einst weiligen Amüsement fünfundzwanzig Stück Jagd zeitungen, welche insgesammt den Verlegern alle Ehre machten und das Datum des heutigen Ta ges führten. Ich hielt dies bei meiner großen- Ignoranz mit den jetzigen Zuständen für einen fei nen Pfiff, ersonnen, um den Lesern Sand in die Augen zu streuen und sie glauben zu machen, die altbackene Zeitschrift sei doch eben neubacken. Wie bald ich von meinem Jrrtbum zurückkam, ist wei ter unten zu ersehen. Indem ich nun in den Zeit schriften blätterte, und von zehn- bis zwölfläusl- gcn Flinten, nicht knallendem Pulver, großartigen Vorrichtungen, Schnepfen zu fangen, zur Jagd- abgerichtcten wilden Thieren und andern, an Münch hausen erinnernden Dingen las, füllte sich allmä- lig die Tafel, und auch die Plätze an meiner Seite wurden eingenommen. Mir zur Linken warf sich ein junger Mann nachlässig auf den Sessel hin, während der hinter ihm stehende Kellner wohl ein halbes Dutzend und mehr Weinflaschen vor ihm aufpflanzte, dereg funkelnder Inhalt blinkte wie das reinste Gold. Zu meiner Rechten ließ sich ein feines Frauenbild nieder mit blitzenden Ringenan den Fingern und Geschmeide um den Hals und im Haar. Mein Begleiter saß mir gegenüber und schaute in die glänzende Gesellschaft drein, als habe er niemals einen andern Platz eingenom men und als seien alle diese Leute seines Gleichen. Mir aber ward es ganz eigenthümlich zu Sinne, und eine nie gekannte und gefühlte Beklommen heit bemächtigte sich meiner, und als vollends die fremde Dame in einer Sprache, die ich nicht ver stand und mir wie die Diebssprache klang, mich, wie cs schien, freundlich anrcdete, verlangte ich, um meine Verlegenheit zu verbergen,, von einem eben herbcispringendeu Aufwärter ein Viertelchen Landwein. Der Mensch sah mich groß an und ich wollte eben meine Rede wiederholen, als mein Nachbar ihm zurief: „Der Herr trinkt mit mir," worauf sich der Diener sofort entfernte. In der nächsten Minute stand ein vollgeschenktes Glas vor mir, und in der Bestürzung, die über mich gekommen war, ergriff ich es und trank es zur-' Halste aus. In meinem ganzen Leben hatte ich keinen solchen Wein getrunken. Wie Feuer glitt der edle Traubensast die Kehle hinab in den alten Magen hinunter, der schier verwundert sein mochte ob der so unverhofften Labung und gewiß eher auf einen tüchtigen Schluck Nordhauser oder Küm