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202 und einmal außerhalb, der Sonne gerade gegen über (als Vollmond) zu stehen kommen müsse; warum er bei diesem Laufe nicht allemal, also all monatlich bei der Sonnenscheibe vorbei gehen und eine Sonnenfinsterniß erzeuge und als Vollmond nicht allemal von dem Schatten der Erde getrof fen und dadurch verfinstert werde u. s. w., u.s.w. Wir wollen hier nur das Publikum auf die wich tigsten Momente der in einigen Tagen zu erwar tenden großen Sonnenfinsterniß aufmerksam ma chen, thcils um überspannte Erwartungen zu berichtigen, theils Indolente zu einer bewußt- volleren Betrachtung dieses Phänomens anzuspor nen. Wenn man auf den Tisch ein Buch auf did hohe Kante, und dahinter zwei Lichter neben ein ander, jedoch in etwas größerer Entfernung als das Buch breit ist, stellt, so wirft das Buch zweier lei Schatten. In der Mitte derselben ist der dunkle, kegelförmige Kcrnschatten, zu beiden Seiten der Halbschatten. Denkt man sich die beiden Lichter als die äußersten Punkte der Sonnenscheibe, so könnte ein im Kernschatten befindliches Auge gar nichts von der Sonne sehen, ein im Halbschatten befindliches aber um so mehr, je weiter es vom Kernschatten entfernt ist. Da die Sonne größer ist als der Mond (circa 400 Mal im Durchmes ser, aber auch fast ebenso viel mal weiter entfernt, daher beide am Himmel gleich groß erscheinen), so ist der Kernschatten desselben, wie der des Bu ches, kegelförmig; so auch der Kcrnschatten, den die Erde stets hinter sich in den Wettenraum wirft. Die Lange des Mondschattenkegels ist ungefähr so groß als seine mittlere Entfernung von uns (20,000 Meilen), daher kann dieser Kernschatten die Erde nur dann treffen, wenn der Mond, wäh rend er in gerader Linie zwischen uns und der Sonne steht, uns auch zugleich naher ist, als feine mittlere Entfernung beträgt. Diejenigen Punkte der Erde, welche von dem Kernschatten des Mondes getroffen werden, können daher einige Zeit lang) höchstens Min.) von der vomMonde verdeckten Sonne gar nichts sehen, d. h. sie se hen eine totale Sonnenfinsterniß. Befindet sich der Mond aber gerade in dem entferntesten Punkte feiner länglichen Bahn, in der er die Erde um kreiset, so kann uns die Spitze des Schattenke gels nicht erreichen; wir können nur im Halb schatten sein, und müssen bei allen Seiten des Mondes vorbei noch einen Theil der Sonnen- schcibe sehen können, sofern derselbe nämlich ziem lich mitten durch die Sonne geht. Eine solche Verfinsterung heißt ringförmi^. GM der Mond aber nicht durch die ganze Sonnenscheibe, sondern verdeckt nur einen äußern Theil derselben bei seinem Vorübcrgange, so ist die Sonnensin- sterniß eine partiale und ihre Größe wird da durch bezeichnet, daß man sich den Durchmesser der Sonne in 12 Theile gethcilt denkt, die man Zolle nennt, und angiebt, wieviel Zolle der Mond in die Sonnenscheibe bei der größten Bedeckung, d. i. beim Mittel der Finstcrniß, eindringt. Eine totale Sonnenfinsterniß ist einHimmels- ercigniß, welches die wenigsten Menschen auf Er den an ihrem Wohnorte erleben. Durch schnittlich vergehen 200 Jahre, ehe derselbe Ort wieder eine solche zu sehen bekommt; im ungün stigen Falle können Jahrtausende verfließen, , im höchst seltensten Falle aber nur kann in wenigen Jahren derselbe Ort eine nochmalige totale Son- nensinsterniß haben. Dieß Letztere findet dieß Jahr in Ungarn mit der Umgegend um Lemberg statt, welche dieß Jahr 'wieder wie im I. 1816. von dem Kernschatten des Mondes getroffen wird. Obgleich nun die zu erwartende Sonnensin- stcrniß für unsere Gegend keine totale ist, indem der Weg des Kernschattcns mindestens 60 Meilen südlicher vorbeigeht, so ist sie dennoch eine sehr große für uns, denn die Größe der Verfinsterung beträgt über 10^ Zoll, so daß von der Sonnen scheibe nur noch eine Sichel übrig bleibt, deren größte Breite kaum 1^ Zoll beträgt. Man darf aber nicht erwarten, daß eine starke Lichtabnahme bemerkbar sein wird; denn vermöge der Einrich tung unscrs Sehorgans kann eine mehr als lOOma- lige Lichtschwächung statt finden, ohne daß wir dieselbe in solchem Maaße wahrnehmen. Sehr wahrscheinlich ist die verhältnißmäßige Erweiterung der Pupille und eine gesteigerte Thätigkeit der Sehnerven die Ursache. Es wird dieß meinen Le sern erklärlicher werden, wenn ich ihnen sage, daß bei schweren Gewittern mitten am Tage die Be leuchtung 100 Mal schwächer und der stärkste Vollmondschein 90,000 Mal geringer ist als das Helle Sonnenlicht. Selbst wenn daher bei Son nenfinsternissen nur der 1000 Theil unbedeckt bleibt, tritt nur eine merkliche Dämmerung ein; und bei der zu erwartenden, trotzdem, daß sie eine sehr große auch für uns zu nennen ist, bleibt noch weit mehr als der lOOste Theil unbedeckt. Sind zufällig Wolken am Himmel, fo ist die Dämme rung noch viel geringer, weil diese Licht reflekti« ren. So war z, B. am 19. Nov. 1816, wo in Breslau nur noch Zoll v. d. Sonnenscheibe sichtbar bleiben mußte, die Dämmerung gar nicht so bedeutend, weil der Himmel bewölkt war, wäh rend in Prag bei reinem Himmel und einer Be deckung von nur II Zoll die ganze Gegend in Dämmerung und in eine eigne magische Beleuch tung versetzt wurde. Totale Verfinsterungen aber, namentlich wo sie gegen Mittag, also im höchsten Sonnenstände, statt finden, bringen einen imposanten Contrast hervor. Das Tagesgestirn verschwindet bei völ lig heiterem Himmel; tiefe Dämmerung sinkt auf die Erde herab; Nebel dagegen steigen von ihr hinauf; die Sterne werden sichtbar; die Vögel gehen zu Neste rc. Am grellsten werden diese Er scheinungen dießmal im südlichen Sibirien her vortreten, weil dort die Verfinsterung beim Höch-