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en längst gewünscht und bald regte sich rüstig an einem schönen Morgen frisch und freudig vom Leichenlager empor und stürzte sich, fröhli chen Jugendmuthes voll, mitten hinein in das wogende und brausende Leben, mit Lust, Eifer und M«th nach der längst crschnttn Anerkennung und Geltung in allen Klassen der Gesell schaft ringend. Die Erfolge, die sie gehabt, sind bekannt. Um nur beim Vaterlande stehen zu bleiben, ist es erfreulich, zu sehen, wie aus dem Kunst, dem Körper durch Uebungen nach gewis sen Regeln Fertigkeit, Behendigkeit, Kraft und Ausdauer zu verschaffen. Die Turnkunst ist nichts Anderes; nur in den Beweggründen weichen un sere jetzigen Turner von den alten Gymnastikern etwas ab, wie wir weiter unten zu zeigen Gele« standen fast sammtlich in dem unglückseligen Wah ne, die Lurnerei sei gleichbedeutend mit Demago gie und die Turner seien daher sammtlich Volks- auswiegler und Rebellen. So geschah es denn, daß man zum zweitenmale die systematisch gere gelten Leibesübungen, wie früher in Griechenland, so jetzt in Deutschland, einsargte, wie man viel leicht" hoffte zum Nimmererstehen. Es verstrich eine geraume Zeit, während welcher die edle Turn kunst ringsum im deutschen Lande geächtet war und nirgend eine Freistatt fand, bis lange nach der Freilassung Jahn's die bessere Uebcrzcugung den Sieg gewann und die Diplomatie mit weni ger mißtrauischen Blicken die schcmtodte Leiche, die Turnkunst, betrachtete. Vom Sonnenstrahlc erneuter Fürstcngunst erwärmt, begannen die er starrten Glieder sich wieder zu regen, zu dehnen und zu recken, und siehe, die edle Lurnerei sprang des Landes eine neue .Heimath fand, die er wohl kaum jemals wieder verlassen wird. Aber nicht Loigtlandc, dessen biedere Bewohner die edle Tur- nerci zuerst in ihrem Schooße aufnahmen und mit Liebe und Aufopferung pflegten, die neuere Gym nastik auch den Weg in daS benachbarte Erzge birge fand, und wie der freundlich willkommen geheißene Gast sich bald heimisch fühlte in der Mitte treuherziger, lebensfroher Menschen. Und der Vergessenheit zu entreißen und ihr die längst entzogene practischc Geltung wieder zu verschaf fen. Dies geschah im Jahre 1810 in Berlin, wo Jahn sich damals aufhielt. Anfangs bestan den die körperlichen Uebungen, die der Vater der Turnkunst, Jahn, auch Turnvater genannt, mit den jungen Leuten anstellte, meist im Laufen, Springen und Klettern, bis diese Leibesbewegun gen an Umfang und Ausdehnung immer mehr zunahmen und endlich ein vollständiges System bildeten, nach welchen sie, wie jede andere Kunst, gelehrt wurden. Wir deuten, als zu bekannt, nur auf das traurige Schicksal hin, das Jahn und mit ihm die Turnkunst, im Jahre 1819 erlitt, wo der Begründer derselben als Demagog der ge fährlichsten Art in die Festung Spandau, und später, wenn wil nicht irren, nach Cüstrin wan dern muffte und alles Turnen auf's Strengste und munter manche Hand, um mitzubauen an der Freistatt für den lieben Gast, auf dessen Bitte und nach seiner Angabe, daß auf Kinder und Kin- dcskinder fortcrbe das Gcdächtniß an die bereit willige Rührigkeit ihrer Vorältern. Nicht lange, und die edle Turnerei hielt unter Sang und klin gendem Spiele ihren festlichen Einzug in der ihr bereiteten Stätte, die mit dem anerkcnncnswcrthe- sten Gemeinsinn, vom engherzigen Kastengeist fern, als ein Tummelplatz zu den heilsamsten Körper übungen für Alt und Jung, ohne Unterschied »es Standes, feierlich eingewciht ward. Drauf zog der ruhelose Wanderer weiter, des gelungenen Werkes sich freuend; denn ob auch seine Schritte ihn fort von dem ihm lieb gewordenen Orte ge zogen, sein Geist blieb mitten unter der Schaar seiner Jünger und waltet unter ihnen allen noch heule. zufrieden mit dem errungenen Bürgerrecht im deut schen Florenz, juchte der nie rastende Tourist auch noch anderwärts Jünger für seine Kunst zu wer ben, weshalb man ihm auf fleißigen Excursionen begegnete und noch begegnet. Und so kam es denn auch, wie zu erwarten stand, daß der lebens- frische Wandersmann, der gern auf Bergen und genheit haben werden. Nach dem Verfall des griechischen Reiches scheint die Gymnastik auS dem Grabe, in «elchcs der Sturz des GriechcnreicheS sie mit hinabgczo- gen, nicht wieder auferstanden zu sein, bis es un serm Jahrhundert gelang, sie aus der Gruft hcr- vorzuziehen, ihr Leben wieder einzuhauchcn und wieder Ansehen, Geltung und begeisterte Kunst jünger zu verschaffen. Denn die zu jeder Zeit und namentlich im Mittelalter gepflogenen ritt er- . , lichen Uebungen, sind nur ein Theil der Eym- von den Bergen stieg der ruhelose Wanderer im- nastik und durchaus nicht mit den kunstgerechten mer weiter hinab in das flache niedere Land, dort Uebungen dcS Leibes, wie sie die alten Griechen sich anzusiedeln und Hütten zu bauen, und so betrieben, zu verwechseln. Erst Friedrich Lud- geschah es denn, daß er selbst in der Residenz wig Jahn war es Vorbehalten, die Gymnastik unter dem Namen der Turnkunst oder Turnerei, Felsen umherklettert und dann wieder in munterer Laune lachende Thälcr durchzieht und wohl auch einmal recht gern am klaren Kicsbach sich nicder- läßt, der verdienten Rube zu pflegen, cs geschah, bemerkten wir, daß er nach Tharand seine Schritte lenkte, in der entzückenden Lbalschlucht, in wel cher daS liebliche Städtlcin ruht, seiner Kunst ein bescheidenes, 'aber bleibendes Asyl zu gründen. Der Erfolg bewies, wie wenig sich unser Wan dersmann getauscht hatte. Der Fremdling ward freudig und herzlich begrüßt wie ein alter Bekann- verpünt wurde. Denn die damaligen deutschen ter, den man von Angesicht zu Angesicht zu schau- Staatsmänncr und namentlich die preußischen,