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307 geist ausgestachelt, vielleicht die ihm zugekehrten Mündungen russischer Kanonen hinter seinem Rük- ken wissend, bereit, den Fliehenden mit einem Kar tätschengruß zu empfangen, wird der russische Sol dat zu Kampfe sich dahintreibcn lassen. Ob er den Sohn der Freiheit tödte und mit ihm die Frei heit, das gilt ihm gleich: er ist ja nur Maschine und das seelenlose Werkzeug fremden Willens. UNdSchcmil wird die Seinen gleichfalls zur Schlacht führen und mit edlem Zorne werden sie gegen ihre Unterdrücker anstürmen. Der Kampf wird furcht bar sein und des Blutes wird viel fließen: aber wer auch Sieger bleibe und welch Ende der Streit nehme, die Geschichte wird eine That in ihre un vergänglichen Annalen aufzcichncn, die, mit blu tigem Griffel geschrieben, neben der Schilderung der Schrcckensffcnen in den Gebirgen deö Kauka sus eine traurige Stelle einzunchmen die Bestim mung zu haben scheint. Wir meinen nämlich das Niedcrbrcnnen der kaukasischen Wal der durch den Fürsten von Woronzoff. Es gibt unmoralische Handlungen die der, welcher sie begangen, durch fruchtbare und erfolg reiche Reue und Buße wieder gut machen und das verübte Böse durch entsprechende gute Thatcn wenn auch nicht ungeschehen, aber doch in seinen Folgen von minder verderblichem Einflüsse erschei nen lassen kann. Die Tbat aber, welche Fürst Woronzoff zu begehen im Begriff steht oder im Augenblicke, wo, wie diese Zeilen schreiben, bereits begangen hat, kann durch keine Buße und Reue gesühnt werden, weil auch das höchste Menschen alter dazu zu kurz sein würde. Fürst Woronzoff ist nun vollends ein Greis und seine Tage sind gezahlt. Die Flammen, welche mit verzehrender Gier nagen werden an den hohen Wäldern der kaukasischen Gebirge, sie werden auch gleichzeitig zehren am fürstlichen Ruhme Dessen, der das Element entfesseln ließ. Ob aber die leuchtenden Riesenflammen Rußland .den längst ersehnten Sieg verkünden werden, oder ob, ein Phönix aus der Asche, dem Schutt und den Schlacken ein dunkler Rachcgeist entstehen wird, der die Tschcrkefsen zu neuen Siegen fuhrt: so können wir jenes nur fürchten und dieses hoffen. Thun wir denn das Letztere im Hinblick auf die Würdigung bisheriger russischer Siege im Kaukasus! Ultramontane Unverschämtheit. In Köln haben ohnlängst mehre Dom bau- freunde einen Gegenstand von ganz eigenthüm- licker Natur berathen. Nach Beendigung der ge wöhnlichen Wochenversammlung ward nämlich zur Entwerfung einer Adresse an die Königin von England, bezüglich ihres dem Dombauvcrein überwiesenen Geschenks von 3300 Thlr., welches diesen Leuten als zu geringfügig erschien, geschrit ten. Nach dem Anträge der Wortführer sollte die Summe von 3600 Thlr. durch Beiträge aufge bracht und dieses Geld an die Königin mit der Bitte gesendet werden, es nach Gutdünken zum Besten der Irländer oder der anglikanischen Kirche zu verwenden. Während nun diese säubern Ver handlungen gepflogen wurden, trat plötzlich ein Polizcicommissar in den Saal und foderte die Versammlung zum Auseinandcrgehen auf, was nach einigen Weigerungen auch geschah. Ein halbes Dutzend Gendarmen unterstützten nämlich die Rede des Polizeicommissars nachdrücklich, und im Hause war ein Piquet Soldaten ausgestellt. — Dieses Betragen hat, wie man vernimmt überall den tiefsten Unwillen erregt. Die ultra- montane Partei hat einen neuen Beweis ihrer Taktlosigkeit gegeben. Abgesehen von ter Frage, ob die Größe des in Rede stehenden Geschenks mit der Größe der Geschenkgeberin in gleichem Verhältnisse stand, ist es denn gerecht, Geschenke, d. i. freiwillige, durch keine Nöthigung hervorge rufene Gaben, mit irgend einem Maßstabe zu messen? Und sind denn 3500 Thlr. ein so ge ringes Geschenk? Wenn sich die Dombauer, und zwar mit Reckt, nicht schämen, auch das kleinste Scherflein des Dürftigen anzunchmen, warum sollten sie sich durch eine Gabe die nach Tausen den von Thalern zählt, beleidigt fühlen? War je eine Dombaugabc gering, so war cs das un- vcrhältnißmäßig erbärmliche Almosen von 300 Thlr., welches die Trier den kölner Dombauern von dem Erlöse der Opfcrgaben von mehr alS einer Million zum Theil sehr reicher Rockgängcr zuwarfen. Dennoch hat sich damals nicht der lei seste Vorwurf, nicht einmal eine Klage hörbar gemacht. Freilich waltet hier ein Unterschied statt; die Rockgänger und die Einnehmer ihrer Rockstcuer sind römisch, die Königin von England ist aber protestantisch, ein Unterschied, über welchen sich diese Herren nicht erheben zu können scheinen. Und sehen eS die Verblendeten nicht ein, wie sehr sie ihrer Sache durch dieses ihr Betragen schaden? Sie sind nun einmal notorisch nicht im Stande, ihren römischen Dom ohne ketzerische Beihülfe aus- zubaucn. Sie haben auch, freilich gewiß mit rö misch betrübten Herzen, die ketzerischen Gaben bis« her angenommen und scheinen die Fortdauer der selben zu wünscken. Aber welcher protestantische Fürst und Große wird sich fortan der Gefahr aussctzen wollen, seine Gabe dem Urtheil einer ungeschliffenen Menge zu unterwerfen! Dieses grobe Benehmen der fraglichen Dombauer ist es, was jeden gebildeten Deutschen besonders schmer zen muß. Hoffentlich wird das Betragen dersel ben den Engländern keinen Maßstab zur Beur- theilung des deutschen Nationalcharaktcrs liefern. Sie werden Römisch und Deutsch zu unterschei den wissen. Uebrigens sollen bereits über 2000 Thaler zu dem beabsichtigten römisch-kölnischen Geschenke für die Königin Victoria gezeichnet ge- 20 *