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huldigen, in den von ihm verwalteten Districten in die engsten Schranken zurückgcwiescn, sodaß der Beamtendruck und der Despotismus im All gemeinen in jenen Gegenden weniger sich zeigt und cs dort dem Menschen vergönnt ist, etwas freier aufzuathmcn. Woronzoff ist daher, wie uns kürzlich von einem Reisenden, dessen Aussa gen vollen Glauben verdienen, mündlich versichert wurde, allgemein geachtet und geliebt, was in Rußland etwas sagen will. Wenn nun ein Mann mit solchen Eigenschaften sich dazu entschließt, den französischen Razzias in Afrika ähnliche Gräuel auszuüben, so muß er in der That daran ver zweifeln, auf andere, dem Krieger des neunzehnten Jahrhundert-, würdigere Weise die kühnen L>öhne der Berge zu unterjochen. Wenn nun, was gar nicht bezweifelt werden darf, Woronzoff wirklich die Wälder Kaukasiens niederbrennen laßt, so begeht er nicht nur einen schweren Frevel an den Menschen, sondern er ver sündigt sich auch auf nicht zu rechtfertigende Weise an der Natur selbst. Wer mit mordbrennerischer Faust Hand legt an die Werke Gottes in der le benden Schöpfung, um selbstsüchtigen Zwecken zu frohnen, der greift eigenmächtig ein in die weise Weltordnung des höchsten Wesens. Wenn das Gebot der Norhwcndigkeit zuweilen Handlungen entschuldigen mag, welche vor dem Richterstuhle der Moral sich durchaus nicht rechtfertigen lassen, so ist im vorliegenden Falle, gerade wie bei den Franzosen in Afrika, von dem unabweisbaren Machlspruch: „es muß sein!" ganz und gar keine Rede. Die Russen haben viele Jahre hindurch mit den Bewohnern der kaukasischen Gebirge Krieg geführt, und cs ist ihnen bisher nicht gelungen, diese Hand volle Leute weder durch ihre riesige Ucbermacht noch durch List oder Verrat!) unter ihre Bothmäßigkeit zu bekommen. Die Russen haben in unzählichcn Scharmützeln und Gefechten fast immer den Kürzern gezogen, denn die Tschcr- kesscn vermieden cs stets, ihren Feinden in offener Feldschlacht entgegen zu treten, wohl wissend, daß dann die Ucbermacht sie buchstäblich erdrücken würde und müßte. Der sogenannte kleine Krieg aber, den die Bergvölker, durch die Oertlichkeit und die genaueste Kenntnis; derselben unendlich begünstigt, mit außerordentlichem Geschick, glän zender Tapferkeit und dem günstigsten Erfolge führen, hat den Russen bereits unerhörte Opfer gekostet. Es ist kein Gehtimniß mehr, daß ganze Regimenter sowohl als Einzelne, welche das aller höchste Mißfallen sich zugezogen, zur Strafe an den Kaukasus versetzt werden, wo sich bald darauf die Reihen furchtbar lichten, da der Tod in allen Ge stalten seine Opfer sucht und findet. Denn nicht allein die Kugel und das Schwert des Feindes dccimirt die russischen Bataillone, sondern cs steht ihnen noch ein anderer schrecklicher Bundesgenosse zur Seite, die Seuche und der Hunger. Die ungewöhnlichen Anstrengungen, welche der Kriegs dienst in der Armee am Kaukasus erfordert, sowie üble Witterungseinflüsse und der schnelle Wechsel der Temperatur, verbunden mit der schlechten Ver pflegung des Heeres, das gewissenlose hohe Be amte oft an den nöthigsten Lebensmitteln Mangel leiden lassen, erzeugen pestartige Epidemien, die schnell die davon Befallenen dahinraffen oder sie doch wenigstens zum ferneren Kriegsdienst untüch tig machen. Nur einem Ricsenrciche wie Rußland ist es möglich einen seine Kräfte so erschöpfenden Krieg mit so zäher Energie und gänzlicher Verach tung von Menschenleben fortzuführen. Eine Folge der vielen Niederlagen und der verheerenden Krank heiten ist natürlich die Entmuthigung unter den russischen Truppen, die in offenbare Feigheit um schlagen würde, wenn nicht dem Despotismus Mittel und Wege zu Gebote standen, die Solda ten zu einer allerdings nur zeitweiligen und nicht nachhaltigen Tapferkeit, die meist in blindem An- rennen gegen den Feind besteht, aufzustacheln. Non moralischem Muthc weiß natürlich der ge meine russische Soldat nichts und kann nichts wissen. Der Kaiser aber, der den Krieg um jeden Preis beendet zu sehen wünscht und wünschen muß, ruft einen Oberfeldherrn um den andern ab, um neue an die dornenvolle Stelle zu setzen und von ihrem Talent und ihrer Thatkrast ent scheidendere Erfolge zu erwarten. Bor nicht langer Zeit berief der Czaar den greisen Woronzoff zu dem gefährlichen, wenig Ruhm eintragendc», Posten eines Generalissimus des rus sisch-kaukasischen Heeres, und bald darauf, vor wenigen Monden, erhob er den Grafen wegen eines angeblich erfochtenen Sieges über die Berg völker in den Fürstenstand. Von Dankbarkeit, vielleicht auch von dem Gefühle getrieben, die ihm zu Theil gewordene Auszeichnung nicht verdient zu haben, scheint Fürst Woronzoff alle ihm zu Gebote stehenden Mittel und Kräfte in Bewegung setzen zu wollen, um die Bergvölker endlich mit Einem Schlage zu vernichten. Er beschließt, die Zierde der Berge, den Stolz der Tschcrkessen, die Krone Kaukasiens, die Wälder, durch Feuer zu vernichten. Die Anstalten, welche zu diesem bar barischen Vorhaben getroffen worden sind, lassen auf den besten Erfolg und ein glückliches Gelingen schließen, und bald werden riesige Feucrsäulen zum Himmel emporlodcrn, daß die gräßliche Glut die Nacht zum Tage unnvandclt, bis der letzte Stamm zu Asche verkohlt ist. Bald wird der Wehcruf der Araber in den afrikanischen Wüsten über ihre gleichfalls durch Feuer vernichteten Acrntcn und mit der Axt gefällten Fruchtbäumc auf den fernen Bergen des Kaukasus ein Echo finden, das, Fluch, tausendfältigen Fluch auf die Russen hcrabrufcnd, die unglücklichen Bewohner der waldbcraubten Ge birge zum letzten entscheidenden Kampfe vereinigen wird. Gleichgültig und fühllos werden die russi schen Kolonnen über die rauchenden Trümmer der verkohlten Walder dahin schreiten, und vom Fusels