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S67 veranlaßt, eine Abteilung der Garnison als mili- tairischc Hülfe Herbeizuziehm." „Es rückte nun auch diese Truppe heran und drängte die tobende Menge von der Nahe des Hotels zurück. Doch die Massen rottirten sich aufs neue zusammen und wollten nicht weichen, setzten vielmehr das Schreien und Wersen mit Steinen fort. Die Befehlshaber der Truppen haben ihrer dienstlichen Versicherung nach, das Volk zum Auseinandergehen aufgefordcrt, da aber dies ohne Erfolg war, immer wieder Steine gegen die Truppen geworfen worden und mehrere Sol daten und Ofsiciere Stcinwürfc erhielten, ward zum Fcrtigmachen commandirt, dann aber noch einmal das Gewehr beim Fuß genommen, hierauf aufs Neue fertig gemacht und endlich Feuer ge geben." Die bewaffnete Macht hat also den bestehenden Gesetzen nach gehandelt, sic ist aus vorgängige Requisition der Königlichen Civilbehörden einge schritten und esjleuchtet zugleich aus dieser, ofsiciellen Berichten entnommenen Darstellung ein, daß der Prinz Johann den Befehl zum Feuern nicht ge geben hat und solchen Befehl hier gar nicht ein mal geben konnte, und daß diejenigen, welche daher den Grund zu Unglimpf nehmen, den Hergang der Sache nicht kennen oder nicht kennen wollen. Jeder redlich Gesinnte wird, wie man erwartet, dergleichen Gerüchten widersprechen." Hierauftheilte nun Se. Ercellenz der Wirkliche Ge heime Rath von Langenn den Anwesenden die voranstehendc Antwort Sr. Majestät vorlesend mit. Am Schluß der Versammlung brachte der Vorsteher der Stadtverordneten, Äppellationsrath V,-. Hase, Sr. Majestät ein Lebehoch aus, in welches die sämmtlichen Anwesenden einstimmtcn. Die Hoirathsgesuche in öffentlichen - Blättern. Vor wenigen Jahren noch machte es nicht ge ringes Aufsehen, wenn in einem öffentlichen Blatte ein heirathsfahigcr und heirathslustiger Mann die Kühnheit, oder besser gesagt die Unverschämtheit hatte, als Ehecandidat sich Witwen und Jungfrauen anzupreisen und förmlich auszubieten. Das betref fende Blatt — meist die Leipziger Zeitung — wanderte von Haus zu Haus, von Hand zu Hand, und die Anzeige wurde nach allen Seiten hin be leuchtet und bildete den Gegenstand des Gesprächs auf öffentlichen Orten so gut wie im stillen Fa milienkreise. Damals glaubten nur wenige an die Echtheit derartiger Inserate, die Meisten hiel ten sie für Ausgeburten des schlechten Witzes oder- jugendlichen Uebermuthcs. Wenn nun schon die Zweifel, daß es Jemand um eine eheliche Verbin dung auf dem Zcitungswegc im Ernst zu thun sei, groß waren, so standen sie doch in keinen Ver- hälmiß zu dem Unglauben an die Möglichkeit, daß wirklich Personen weiblichen Geschlechts sich finden könnten, welche auf solche Gesuche einzu gehen geneigt wären. Die große Masse konnte sich damals noch nicht der Ansicht hingebcn, daß das zweite Geschlecht Würde und Zartgefühl also hintansetzen würde, um die Ehe als Geschäftssache, als einen in Handel und Wandel gangbaren Ar tikel und sich selbst als Waare zu betrachten. Man hielt in diesem goldnen Zeitalter, das freilich kaum ein Jahrzehent hinter uns liegt, es nicht für mög lich, daß die zarte, schüchterne und verschämte Jung frau sich so weit vergessen und ihrer Weiblichkeit sich dergestalt entäußern könne, um zu einer Zu sammenkunft mit einem ihr gänzlich unbekann ten Manne zum Zweck der Abschließung einer ehe lichen Verbindung die Hand zu bieten. Man konnte sich durchaus nicht mit dem Gedanken be freunden, daß ein weibliches "Wesen eine unter solchen Umständen mehr als peinliche Ocularin- spection freiwillig über sich abhalten lassen und sich nicht entblöden würde, auch ihre geistigen Fähigkeiten, ihre Talente, mit einem Worte ihre ganzen Tugenden und Vollkommenheiten zur Schau auszustellen, und zwar als Mittel zum Zweck, dem Manne nämlich zu gefallen, der seine Person als prciswürdige Heirathsacquisition in den Zeitungen ausgeboten. Leider wahrte dieses goldene Zeitalter nicht lange, mit der erlangten faktischen Gewißheit, baß wirklich hier und dort Zeitungsehen geschlossen würden, riß der schöne Wahn entzwei und an die Stelle des Unglaubens trat der Glaube. Es konnte natürlich nicht fehlen, daß die Macht des Beispiels auch hier wirkte und zur Nachahmung aufforderte. Dies geschah und geschieht noch jetzt um so leichter, als alle die in den öffentlichen Blattern als Hciratbscandidatcn Austretenvcn tief in den Mantel der Anonymität gehüllt sind und ihre Person oder ihre Stellung bei ihren Gesuchen vor aller Welt zu compromitliren nicht fürchten dür fen. Für Manche mag auch das eigenthümliche und etwas seltsame Einhergehen auf Freiersfüßen einen besonder» Reiz haben und ihrem Beginnen einen Anflug von Romantik geben, obschon recht oft die Jntrigue des Romans - in der simpelsten und ordinairstcn Prosa ihre Entwickelung und Lö sung finden soll. Nicht selten dürste es auch Vorkommen, daß diein Rede stchendenZeitungsannoncen die Ge« burt eines müßigen Kopfes, eines lachlustigen Witzlings oder eines schadenfrohen Neugierigen sind, um damit die mannwüthigen und heirathstollen Witwen und Jungfrauen in das nicht eben fein gesponnene Netz zu locken und dann den Enttäuschten einen argen Streich zu spielen. Leider aber bleibt es wohl nur immer nur zu wahr, daß solche Inserate eine Ausnahme von der Regel bilden, indem die wirklich ganz ernsthaft gemeinten Heirathsgesuche als die große Mehrzahl der in den össcntlichen Blättern' befindlichen Inserate betrachtet werden 34*