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hohen Gnade nicht theilhaftig. Ein Droschkenfüh rer mehr oder weniger in Warschau, was thut's? Solch Lumpengesindel schießt ja wie Pilze auf der Düngerstätte empor! Darum, Herr General, nur zugcstoßen! 's ist ja ein Pole! Wenn es wenig stens Ihr Leibhund wäre, da dürfte Gnade für- Recht ergehen. So ist's recht! Lie Bestie war gut getroffen. Sie führen einen Meisterstoß, Herr- General; wie schade, daß Sie kein Bandit ge worden! Eine andere Droschke für den Herrn General, der Fuhrmann ist „alle" geworden! Schnell auch noch ein Waschbecken für den Herrn General, der Kerl da hat sich unterstanden Ihre erlauchren Hande mit etwas Blut zu besudeln. Er verstößt selbst im Tode gegen die gute Sitte und den feinen Anstand. So, mein Herr, nun ist Alles besorgt. Entschuldigen Sie den Aufent halt, denn cs ist 3 Uhr des Mittags und Sie werden zur Tafel erwartet. Fahren Sie mit — nun ja, fahren Sie mit Gott — wenn Sie cs können. Und was kann ein russischer General nicht Alles! Wenn Sie aber, wie zu vermuthen steht, bessere Gesellschaft lieben, nun so fahren Sic mit dem Tcufel. Sie werden vortrefflich bedient werden, Herr General. Da wir uns einmal herausgcnommen haben ein kleines Zwiegespräch — freilich sonst möchten wir uns in nicht langer Zeit in der schöncn Gegend, die man Sibirien nennt, mit den Zobclfang amüsiren — mit Ihnen anzuknüpfcn, Herr General, so gestatten Sie uns noch in Gna den Ihnen dazu Glück zu wünschen, daß Gott groß und der Kaiser weit ist. Der unbedeu tende Mord, den Lie an einen noch,unbedeutende ren Wesen, das der Zufall hatte Mensch werden lassen, verübt haben, wird gänzlich ungerochen bleiben und kein Hahn wird darüber krähen, ge schweige denn die Warschauer Polizei. Sie kön nen ganz ruhig darüber sein und morgen zum Frühstück, oder wenn es Ihnen sonst gefällig ist, wieder zum Amüsement ein Bißchen menschliches Herzhlut vergießen: Sie werden nach wie vor der kaiserlich russische General Graf Tolstoi bleiben und der allerhöchsten Gewogenheit Ihres kaiserli chen Herrn sich zu erfreuen haben. Wenn Lie nur — woran kein vernünftiger Mensch zweifelt — der fortwährenden allerhöchsten Gnade sich versichert halten dürfen, was braucht cs Sic da zu kümmern, wenn Ihnen die Gnade deS Höch sten nicht zu Theil wird? Wir sind fest überzeugt, daß Sie sich darüber hinwegsetzcn werden, Herr- Graf, denn wer sich der Gunst des Adlers erfreut, darf darüber getröstet sein, wenn er die Gewogen heit des Falken sich verscherzt hat, und wer mit dein Löwen befreundet ist, braucht den Leopard nicht zu fürchten. Vom Sonnenglanzc der aller höchsten Huld umstrahlt,;haben Hie das Auge des Höchsten nicht zu..füt-chten, das — Sie wer den es nicht läugnen können, Herr General — auch de» armen Droschkcnsührer,-vzm ihrem To- dcsstreich getroffen, sterben sah. Denn wenn die allerhöchste Person des Kaisers, wie das russische Sprichwort sehr treffend sagt, weit ist, so hat doch der Höchste den kleinen Vorzug nie weit, sondern stets sehr nahe, stets allgcgcnwär- tigzusein. Dabei ist er freilich auch allwissend, Herr Graf, und das allschendc Auge drückt er nie zu, wie es zuweilen bei Menschen, die Mächtigsten nicht ausgenommen, vorkommt. Nun ist aber auch dieser Höchste allgerccht, was wie derum manche Menschen, die allerhöchsten nicht ausgenommen, nicht sind. Zufolge dieser Allge- rechngkeit sind vor diesem vollkommensten Wesen alle seine Geschöpfe gleich, und der tvdte.Drosch- kenführcr in Warschau gilt ihm eben so viel, als der kaiserlich russische General Graf Tolstoi, Rit ter von so und so viel Orden, Mitglied tc. Da wird cS denn nun geschehen, daß zu seiner Zeit die Gnade des Allerhöchsten mit dcr Gerechtigkeit des Höchsten in zwei Wagschalen nach dcr beider seitigen intensiven Lchwere verglichen werden wird. Die Hand aufs Herz, Herr General, welche Halb schicd wird hoch in der Lust schweben? Wir müs» sen Ihnen freilich die Antwort erlassen, und statt Ihrer mögen wir sie nicht geben. Unterdessen zeich net eine uns unsichtbare Hand die Thatcn , der Menschen, die guten wie die bösen, mit unverlösch- barer Flammenschrift auf. Den mächtigen Foli anten, in welchen die bösen Handlungen dcr Men schen eingetragen werden, nennt man nach mensch licher Begriffsweise das große Schuldbuch der Vergangenheit. Auch für Sie, Herr General, gibt cs cin solches Contobuch. Der Mord des Droschkcnführcrs, verübt von Ew. Hoch geboren im Jahre des Heils 1815 zu Warschau, der Hauptstadt des ehemaligen Königreichs Polen, wird sicher darin ausgezeichnet stehen und mit sei ner Flammenschrift Ihr gräfliches Auge blenden. Wohl Ihnen, Herr General, wenn Sie dann bei der großen Abrechnung recht viele gute Thaten der begangenen bösen Handlung — wir können natürlich hier nur von den vorliegenden reden — entgegenhaltcn können, daß die Wagschalc dcr Ge rechtigkeit zu Ihren Gunsten sich neige. Doch Ihr Wappenschild, Ihr Degen, Ihre Rittcrsporen, Ihre Orden wiegen nicht mit auf der Wagschalc des ewigen Wcltcnrichters. Sie, nur Sie ganz allein, Tolstoi schlechtweg, werden vor den Thron seiner Gerechtigkeit treten: die Orden und der De gen, das Wappenschild und die Rittcrsporen sind dann zu Staub und Asche vermodert, und den Gene ral und den Grafen kennt man dort Oben nicht. Bis dahin, Herr kaiserlich russischer General Graf Tolstoi, leben Sic wohl, äußerst wohl! Vermischtes. Unter den Studenten in Gießen befindet sich einer, dcr fett 1820 des Studiums wcgcn sich