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IM Denn die Mittel und Anstalten, die uns auf dem Lande zu diesem Zwecke zu Gebote stehen, sind fast ohne Ausnahme so mangelhaft, oder werden so nachlässig und gewissenlos verwaltet, daß es uns, wenn wir mit der Sache näher be kannt werden, in der Seele schmerzt, keinen Aus weg finden zu können, auf welchem Vollkomm- ncrcs zu erreichen wäre. Ich will mich hierbei ausdrücklich gegen den möglichen Verdacht, als wollte ich hiermit den Gemeinde-Vertretern irgend welchen Vorwurf machen, ernstlich verwahren; -denn sie allein tragen die Schuld nicht, wenn die Armen und Kranken des Orts auch jetzt noch nicht viel besser daran sind, als zu Anfänge des Jahr hunderts, wo Niemand «x oKc'o um diese Leute sich bekümmerte; es müssen hier vielseitige Kräfte Zusammenwirken, tlebereinstimmung der Grund sätze und des redlichen Willens, (denn die Sache ist weder leicht, noch lohnend,) die Erreichung des guten Zweckes fördern und unterstützen. , Ich selbst gehöre als Vorsitzender einem Armen- Verein an, der es seit 4 Jahren an eifriger, und ich kann wohl sagen, aufopfernder Thätigkeit kei neswegs hat fehlen lassen. Wir haben, da es uns an einem Fonds bisher gänzlich gebrach, in jedem Vierteljahr über 20 Thlr. an freiwilligen Beitragen gesammelt; und in den Versammlungen der Armenvereinsglieder wurden die Bedürfnisse der einzelnen Bittenden so ernstlich erwogen und so umsichtig befriedigt, als es unter den noch ob waltenden Verhältnissen immer möglich mar. Allein die 5 oder 8 oder 10 Ngr., die die Benesiziaten wöchentlich erhalten, thun es nicht, das Gemeindehaus, der einzige Aufnahmeort für die Nahrung- und Obdachlosen ist in demselben Zustand, wie tausende in unsrem Vaterlande; of fenbar nicht würdig ein öffentliches Gebäude zu heißen, und unfähig, wegen mangelnder Räum lichkeit, die Armen" der Gemeinde auch nur zum kleinen Theil auszunehmen. Ich frage Sie, meine Herren, wer von ihnen geht nicht mit einer Arc von Ekel und Widerwillen an den meisten Armen häusern in den meisten Gemeinden vorüber? Da starrt uns in der Regel eine Fülle von Koth und Unrath an. Widerliche, zerlumpte Gestalten tre ten aus der Thür oder schauen aus dem Fenster; halbnackte Kinder ergreifen bei unserm Anblick die Flucht, und eilen in die Höhle zurück, wo Hun ger und Kälte sie empfangt. Und drinnen? Da wohnt, wie das die Natur der Sache mit sich bringt, rin wunderliches Gemisch verschrobener, lüderlicher, alter und junger, gesunder und kran ker Personen, Greise und Kinder, halb ehelicher, halb unehelicher Herkunft, im bunten Gemisch un ter einander; die moralische Verworfenheit übt ihren giftigen Einfluß, bereits mächtig auf die ju gendlichen Gcmütder, die Faulheit und das Laster kreuzen sich, um eine neue, solchen Gemeindehau ses würdige Generation einst ins Leben zu rufen. Won Arbeit nämlich und Brodverdienst ist in jenen Spelunken meist nicht die Rede. Das dar gereichte wöchentliche Almosen, auf das diese Leute, wie der Arbeiter auf seinen Lohn, zu pochen pfle gen, reicht leidlich hin, ihre Trägheit zu rechtferti gen, und fehlt es ja, so gibt es im Dorfe ja mit leidige Seelen, die Brod, Kartoffeln, Milch und zu Festzeitcn ein Stück Sohlenkuchen zu spenden willig sind. — An regelmäßiger, täglicher Aufsicht fehlt es endlich ganz und gar. Und wen, wäre sie anzu- muthen? Der Ortsgeistliche, der Lehrer, der Ge- meindevorstand, die Aeltesten, haben, wie wir zu geben müssen, ganz andre Geschäfte. Die übrigen fühlen sich dazu weder versucht noch berufen. Gleich wohl kann es nicht anders werden, so lange es an geregelter Aufsicht gebricht. Da es am Tage liegt, daß diese Seite einzel ner Dörfer, bei gegenwärtiger Einrichtung, nicht erreicht werden kann, so har der Staat öffentliche Anstalten geöffnet, wohin die Gemeinde kranke, unnütze oder schädliche Individuen, gegen ein jährliches Aequivalent von 23 Thlr. unter gewis sen Bedingungen bringen kann. Während mei ner Amtsführung haben wir 7 Personen auf solche Weise dahin gebracht. Allein mit den 25 Thlr. ist es bei weitem nicht abgethan. Die vorschriftmäßigen Kleider und Betten, sowie der immer kostspielige Trans port nehmen außerdem nicht geringe Geldmittel in Anspruch, so daß das erste Jahr auf minde stens 50 Thlr. erfordert. Ich kann die Rechnun gen darüber vorlegen. Wie selten kann und wird eine Gemeinde zu solchen Opfern sich entschließen, und wie wenig ist sie im Stande aus eignen Mitteln Räumlichkeiten, Aufsicht, Kost, Licht, Hei- zimg und andere Bedürfnisse in hinreichender Masse ihren Armenhäusern zu gewähren? Ich kann mich, seit ich vor 11 Jahren ins öffentliche Leben trat, meine Herren, von der Ue- berzeugung nicht trennen, daß solche Anstalten, bei zweckmäßiger Einrichtung, wenn nicht ganz, doch großentheils, sich selbst zu erhalten im Stande sind, und ich habe dabei die Meinung anerkannter Staatswirthe zur Seite. Von einer Gemeinde aber, das sieht eben so fest, kann eine solche Ein richtung nicht getroffen werden. Wie nun, wenn in unsrer Zeit, der Zeit des Gemeinsinns, der Vereine und der fast über Angelegenheiten d«S Lebens im weitern Sinne gebreiteten Bezirke; jetzt, wo wir Schulbezirke, Medizinalbezirke, Jmpfbezirke, TodtenschaWkezirke und verschicdne dergleichen haben, auch Armen-oder Armenhaus- bczirke ins Leben träten? Wenn 4, 5, 6, 8 Ge meinden sich vereinigten, und ein gemeinschaftliches Armenhaus errichteten? Verkaufen wir doch unsre elenden Hütten, die wir Gemeindehäuser nennen, und erbauten mit dem gewonnenen Gclde ein Bzirks-Armenhaus, eingerichtet für 40 bis 50 Bewohner, worin für