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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.05.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-05-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080520024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908052002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908052002
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-05
- Tag 1908-05-20
-
Monat
1908-05
-
Jahr
1908
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vezugS-Preit M LetPtzta «r» >oor«, dnrch »ns«« tttz« >md SpodU««, in» Han« ^»each», Lai-ad« S tma »wraen«) »tertiitthrUch 8 Lt., wmiaUlH 1 M.; «uiaad« > (awrarn« und abend«) vier««!» Ehrlich 4.L0 St., «oaatlich 1.L «. Dnred die Walt »» belieben: <2 «al U,N<d) innerhalb'Deachblmid« und der deutschen Kolonien tnerteliLhrlich d,L>aunaüich 1,7b M. -»Ischl. Po», deftellgew, >tr Oesterreich SL 66 n, Ungarn 8 L oierteljthrlich. Ferner in Bei» sie», DtnemarL den Donanstaatea, Italien, Luiesbnrg, -riederland«, Sionoege», biub- iand. Schweden, Schioet» in» kPanten. In allen stdriae» Staaten nur direkt durch di» Lrv«d. d. Bl. «chstltlich. ilbotolwaendstlnnabia«: AnanAnstplatz 8, bei »»i«rea Lrstaer», Filialen, Spediteuren und Annahmestelle«, iowi» Pofttmter» und Die evqelne dtumwer kostet 1V stifg. Redaktion und Grd«ditto«: Johannttgaste 8. «elevbon «r. 14S8L Rr. I4M8, «e. 140»». Abend-Ausgabe 8. IriWgcrTagMalt Haudelszeituvg. Ämtsvkatt des Mates und -es Mottzeiaurtes der Ltadt Leipzig. Anzeige«'Preit ist» Knierar« au» Ueiptra uno Umgebung di« Saeipalr«»« P«Ntjeil« L Bi., stnan^lcll« «njePe» SV «., «ekr-nren 1 M.; m» a»«wtrt« SV Pi., «ellarnea 1.20 vmaLuslandbllPi., finan,. illn^tge»7SPi., Näklame» l.SO M. Anserat» «. vehbrde» in amtlichen Leil «0 Pi. vrilagegebstdr bvl. p. Lautend erkl. Post gebühr. GrichLstsaazcigen an bevorjugter Stelle im Preis« erhbht. Rabatt nach Laris Aesterteilte Lnstrta« »allen nicht »»rück- ^e^ogen we»««. Kür da« Lrichetnen^en stlarantte übernommen Angetan. Annahm« t Puguftu«plaH 8, bet itunUtchen Filialen u. allen Annoncen- ikMedittonrn de« In» and Auslände«. Haapt.Uiliale SerNnr Carl Dnnller, tzergogl. v-qr. H»fbnch« handln»-, Lü-owftrahe 10. (Lelephon VI, «r. 4603). Paupt-Siltale vre«den: Seestrode 4,1 (Lelephon 4621). Nr. 13S. Das wichtigste r>oin Tage. * In der bayrischen Abgeordnetenkammer wurde der (Gesetzentwurf über den Vollzug des Reichsvereinsgesetzes einstimmig angenommen. (S. Dtschs. R.) * Herrn Geheimen Rat, Professor Dr. Zirkel, dem Direktor des mineralogischen Museums und Instituts der Universität Leipzig, wurden heute aus Aniah seines 70. Geburtstages zahlreiche Ehrungen zuteil. (I. besond. Art.) * Wie uns ein Privattelegramm aus Rom meldet, wird König Peter von Serbien, "der „Tribuna" zufolge, demnächst nach Petersburg und Rom reisen. * Das französische Budget für 1909 weist ein bedeutendes Defizit auf. (S. Ausl) * Die „Times" meldet, daß König Eduard demnächst dem Zarenhofe einen Besuch abstatten werde. * Unter den Anführern der Aufständischen in Nord indien befindet sich ein Bruder des Emirs von Afghani st an. sS. Ausl.) * Die Nachricht, dah Muley Hafid in Nekines eingctrossen ist, wird in Paris lebhaft erörtert. Mehrere Blätter erklären, dah das nun mehr täglich bevorstehende Eintreffen Muley Hafids in Fez eine furchtbare Schlappe für Abdul Aziz bedeuten und die Aufgabe der Franzosen außerordentlich erschweren und verwickeln würde. „Nene Ziele -es Liberalismus." In der „Neuen Revue" veröffentlicht der Reichstagsabgeordnete Siegfried Heck sch er einen Aufsatz über „Neue Ziele und Aufgaben des Liberalismus". Dr. Heckscher gehört zu den Mitgliedern der frei sinnigen Vereinigung, die am frühesten und — so kann man's wohl aus drücken — am freudigsten sich zur Blockpolitik bekannt haben. Dr. Heckscher sieht uns bereits rüstig auf dem Wege, der zur Gesundung der deutschen innerpolitischen Zustände führt. Im Zentrum — so meint er — gewinnen mit der Erstarkung des Arbeitereinflusses die demokratischen Elemente Ueberhand; ein Zusammengehen zwischen Zentrum und Konservativen wird dadurch immer schwerer; immer mehr werden so die Konservativen dazu gezwungen, mit dem Liberalismus gemeinsame Sache zu machen und sich mit ihm zu verständigen. Der Partei der Mitte aber bleibt nur noch eine Bündnisniüglichkeit: die Sozialdemokratie. Aber auch die gedeiht ihr zum Verderben. Die „auflösenden Kräfte", versichert Dr. Heckscher, die in beiden Parteien lebendig sind, werden sich auch in den Wechsel beziehungen dahin geltend machen und nach und nach die Nerven ihrer Macht zerschneiden . . Es läßt sich nicht leugnen datz dies Zukunftsbild sehr erfreulich aus schaut. Ob ihm in jedem Zuge die künftige Wirklichkeit entsprechen wird, ist allerdings erheblich schwerer zu sagen. Weit bedeutsamer scheint uns denn auch, was Heckscher von den Begleiterscheinungen der Zersetzung erzählt. Zentrum und Sozialdemokratie haben den Brand im Haus; nebenher aber geht eine machtvolle Aufwärtsbewegung des Liberalismus. „Der Liberalismus hört auf sein eigener Feind zu sein." Die Gründung einer großen umfassenden liberalen Partei rückt ihrer Verwirklichung näher und näher. Die freisinnige Fraktionsgemeinschaft war die erste Etappe, der Frankfurter Parteitag der freisinnigen Vereinigung die Mittwoch 20. Mai 1908. zweite. So scheint das Jneinanderaufgehen der freisinnigen Vereinigung, der süddeutschen Volkspartei und der freisinnigen Volkspartei nur noch eine Frage der Zeit. Damit aber hätten die Einigungsbestrebungen noch nicht ihren Abschluß gefunden. „Denn", sagt Heckscher, „unser Weg geht weiter. Wir wollen stufenweise auch eine Annäherung und ein Bündnis mit der nationalliberalen Partei, und aus diesem Bündnis soll schließlich die große liberale Partei sich herausbilden, die die verschiedenen Teile in einen einzigen Körper verbindet. Nichts wird auf dem Wege dahin unseren Mut so sehr stärken, unsere Tatkraft so mächtig beflügeln, wie die unerschütterliche Ueberzeugung, daß nur eine starke, durch Eintracht mäch tige liberale Partei die notwendigen Eigenschaften besitzen wird, um der inneren zersetzenden Elemente unseres Volkskürpers, von denen meine Be trachtungen ausgingen, Herr zu werden." Mag es mit diesen schönen Zukunftsplänen auch vorläufig noch gute Weile haben, so ist doch diese Stimme aus den Kreisen der „entschieden" Liberalen ein Beweis, daß man auch dort immer mehr zu der Einsicht kommt, daß die Reichstagsauflösung einen Wendepunkt zur Einigung deS Liberalismus bedeutet. Bemerkenswert ist auch das indirekte Eingeständ. nis Heckschers, daß die ersten Schritte zur Annäherung von den Frei sinnigen aus geschahen, die durch die notgedrungene stärkere Betonung des nationalen Gedankens und die Zurückstellung unfruchtbarer Prinz,- pieller Opposition aus ihren selbstgeschaffenen Schranken herauSgetreten sind, während auf nationalliberaler Seite durch bewußtere Hervorkehrung des Liberalen das Zusammenkommen erleichtert wurde. Deutscher Reich. Leipzig, 20. Mai. * Brandversicherungskammer. Infolge Ernennung zum Kultus minister ist zu Anfang dieses Jahres der damalige Oberbürgermeister von Cbemnitz, Dr. Beck, aus der Ersten Kammer und damit aus dem ständischen Ausschuß für das Plenum der BranbversicherungS- kammer auögeschieden. Obwohl sonst in solchen Fällen ein Stell vertreter einzuberufen ist, bat doch die Brandversicherungskammer aus praktischen Gründen eine Ergänzungswahl beantragt; da nicht nur seit längerer Zeit infolge der großen Zahl der eingehenden Bau unterstützungsgesuche die Mitglieder de- erwähnten Ausschusses min desten« aller zwei bis drei Woche« za Sitzung« «inbernsen werde» müssen, sondern sich ihre Mitwirkung auch bei der künftigen Beratung über den Entwurf emeS neuen Brandversicherungsgesetzes notwendig macht. Der König hat daher dem Landtage mit Dekret Nr. 51 die Aufsorderung zugehen lassen, eine ErganzungSwahl für den Ausschuß vorzunebmen. * Mittrlstandsvereinigung und Wahlrechtsreform. Gegen das Kompromiß der Mehrheitsparteien des Landtags und für den Hohenthalschen Entwurf erklärt sich die Resolution der gestern abend in Pirna stattgefundenen Mittelstandsversammlung, die von der Mittelstandsvereinigung im Königreich Sachsen einberufen worden war. Die Resolution besagt dabei, daß der Vorschlag der Regierung wegen der damit verbundenen Verhältniswahl den wirklichen Bedürfnissen des Volkes besser entspreche, wie das von den Mehrheitsparteien der Zweiten Kammer vertretene plutokratische Pluralsystem. Ferner spricht die Resolution über die in der Wahlrechtsdeputation erfolgte Herabsetzung de Bestrebungen der Mittelstandsgruppen ihr tiefstes Bedauern aus. Eine zweite Resolution war dem Danke für den Abg. Dr. Spieß (Pirna) in Würdigung seines Umsatzsteuerantrages gewidmet. * * Tas Kaiserpaar auf -er Reise. Der Kaiser und die Kaiserin machten gestern nachmittag einen Ausflug in Automobilen über Schlangen bad. Zur Abendtafel war Geheimrat Jakoby-Homburg v. d. H. ge- 162. Jahrgang. laden. Abend- wohnten die Majestäten einer Vorstellung im Königlichen Theater bei, die auf Allerhöchste» Befehl «»gesetzt war. Gegeben wurde «Der Raub der Sabinerinnen". Abends 10 Uhr 30 Mim reiste, wie schon gemeldet, der Kaiser nach Berlin ab. Die Kaiserin ist heule früh 8 Uhr 40 Mio. nach Bonn qesabren. — Auf besonderen Wunsch des Kaiser« soll von der Kaiserin em Oelgemälde gefertigt werden, das seinen Platz in der HohkönigSburg finden soll. Wahrscheinlich wird da» Porträt im Großen Saale oder in einer der Kemenaten seinen Platz finden. Im allgemeinen zeigt die Kaiserin keine große Neigung, Künstlern längere Zeit zu sitzen, so daß es meistens der Ueberredung ihres Gemahls bedarf, um sie hierzu zu bewegen. * Das ReichSveretuSgesetz tu -er bayrischen Abgeor-uetenkammer. (Fortsetzung.) Simon (Soz.) und Oswald (Ztr.) wenden sich gegen die Verteidiger des VereiosgesetzeS. Die Verschlechterung liege darin, daß Jugendliche sich an den Gewerkschaften nicht mehr beteiligen lönnen, weil diese doch sozialpolitische Dinge erörtern und dann für politische Vereine erklärt werde». Ungeregelt geblieben sei das Plakatwesen und die Frage der Geldsammlung in Vereinen. Minister von Brettreich betonte, der Spracheovarayraph sei lediglich aus nationalen Gründen entstanden. Daß «ne sonstige Einwirkung stattgefunden habe, habe der Staatssekretär des Innern bereits zweimal aufs bestimmteste für unrichtig erklärt. Die Jugendlichen unter 18 Jahre« seien zur Beurteilung der Fragen des öffentlichen Lebens noch nicht in der Lage. Zur Regelung des Plakatwesens sei die bayrische Regierung bereit. Die Erlaubnis zum Anschlägen von Plakaten dürfe nur verweigert werden bei Verstößen gegen das Gesetz, die öffent liche Ordnung und die gute Sitte. Bezüglich der Gewerkschaften bleibe alles beim alten. Die bayrische Regierung erachte sie als nichtpolitisch. Nach der Rede des Ministers v. Brettreich wurde ein Antrag auf Schluß der Debatte angenommen. Der Gesetzentwurf über den Vollzug de» Reichsvereinsgesetzes wurde einstimmig angenommen. Die ein schlägigen Anträge aus dem Hause, soweit sie durch inzwischen erlassene Vollzugsbestimmungen überholt sind, wurden zurückgezogen und die übrigen Teile der Anträge angenommen. * Die Novelle zum Börsengesetz wird in der am 18. d. M. aus gegebenen Nummer des „Reichsgesetzblatts" und in der gestern er schienenen Nummer des „ReichSanz." veröffentlicht. Es ist vom 8. Mai datiert, ein Termin für das Inkrafttreten aber nicht ange geben. Nach Artikel 2 der Reichsverfassung tritt infolgedessen das neue Gesetz am 1. Juni („mit Ablauf de» 14. Tages nach seiner Publikation im „Reichsgesetzblatt") in Kraft. * Dir Einberufung de» preußischen Lou-tas«. Die „N. L C" schreibt: Der Landtag wird, wie wir höre», Ende Juni oder Anfang Jnli etnbervfen werden. Da« geschieht, um der Bestimmung der Ver fassung zu genügen, wonach da» Abgeordnetenhaus binnen neunzig Tagen nach den Neuwahlen einzuberufen ist. Es trifft aber nicht zu, wenn gemeldet wird, daß das Abgeordnetenhaus dann schon in irgend- ttzelche materiellen Verhandlungen eintreteu wird. Vielmehr wird das Haus auf Grund einer königlichen Order vertagt werden (wodurch die Diäten in Fortfall kommen) und erst im Spätherbst seine Arbeiten aus nehmen. Erst dann wird auch die Thronrede verlesen werden. * Beamte als Reichstagsabgeordnete. Die Frage, ob zu Abgeordneten gewählte Beamte während einer Vertagung des Parlaments ihren Dienst wieder aufzunehmen haben, hat schon früher die Öffentlichkeit beschäftigt und ist jetzt durch den Fall des Zentrumsabgeordneten Hamecher wieder aktuell geworden. Herr Hamecher, der den Landkreis Köln, eine Zentrums, domäne, vertritt, ist Postsekretär in Berlin. Er hat, wie wir hören, sein Amt auch in diesem Sommer während der Vertagung, wie im Vorjahre, nicht angetreten. Er pausiert also schon 15 Monate. Ohne dem Reich Gegendienste zu leisten, bezieht er sein Gehalt seit dieser Zeit, während andere Beamte, die gleichfalls Reichstagsabgeordnete sind, ihre Aemter während der Vertagung versehen. Es hieß früher, er wolle seinen Dienst quittieren und sich der Schriftstellerei widmen. Bei Sessionsschlüssen kann der Beamte zum Dienstantritt gezwungen werden, wohl aber nicht bei Vertagungen. Feuilleton. Adel. Tüchtigkeit et cetera Ist ohne Mittel nicht die Bohne wert. Horaz. O wiener Theater. Don Ludwig Hirschfeld. Wien, Mitte Mai 1908. Hans Müller hat mit seinem Schauspiel „Die Puppenschule" im Burgtheater mehr Glück gehabt, als bei der Urpremiere in München. Er ist ja überhaupt einer der glücklichsten unter den österreichischen Dichtern, oder richtiger gesagt, unter den im jugendlichen Alter stehen den Autoren österreichischer Herkunft. Denn weder wirkliche dichte rische Jugend, noch wirkliches dichterisches Oesterreichertum ist ihm eigentümlich, sondern eine allgemeine internationale Raffiniertheit und Parfümiertheit. Das hat schon im vorigen Jahre sein Einakterabend gelehrt, und daran kann auch dieses vierartige Stück nichts ändern. Der Inhalt dürfte noch in Erinnerung sein. Die Hauptgestalt Timotheus Oesterlein ist ein Schauspielprofessor, dessen erster pädagogischer Grund- wtz die Uebereinstimmung zwischen Leben und Theater ist. Wer einen Buckel hat, muß Richard III. spielen, und umgekehrt. Romeo, Franz Mohr und Gretchen müssen sich im Leben genau so gehaben, wie aus der Bübne. Seine Schüler befolgen das ganz wörtlich, und der beste unter ihnen, sein jugendlicher Bonvivant, setzt dem Herrn Professor schließlich Hörner aus. Hier hätte nun die Komödie cinzusetzen gehabt, ober gerade die ist Hans Müller schuldig geblieben. Er hat vielmehr «n bitter ernstes und phrasenreiches Schauspiel geschrieben und den Schmerz des betrogenen alten Mannes in den Mittelpunkt gestellt. Anstatt die natürlichen ironischen Ansätze seines Stosses auszunützen, verfährt Hans Müller nach den ältesten französischen Rezepten. Theater auf dem Theater wirkt ja immer fatal und unecht, und nur eine marionettenhafte Behandlung, etwa im Stile Schnitzlers, hätte dieser Sache einen Schein von Echtheit und tieferer Bedeutung geben können. Wie unecht diese ganze Ehetragödie ist, zeigt die fingerfertige Aenderung des Schlusses. In München war er tragisch, die schuldige Frau tötete sich. In Wien ist er versöhnlich, der betrogene Mann ver zeiht. Weiß Gott, wie das Stück in Berlin enden wird. . . . Hans Muller hat mit diesem Schauspiel seinem literarischen Signalement eigentlich keinen neuen Zug yinzugefügt. Das ist noch immer dieselbe oberflächliche Psychologie, der burschikose Humor und die außerordent- siche technische Gewandtheit, lauter Eigenschaften, die dem Stück zu einem großen äußerlichen Erfolg verhalfen, dessen Hauptanteil aller dings Sonnenthal, dem Darsteller des Timotheus Oesterlein, gebührt. Ihm galten eigentlich di« stürmischen Huldigungen; da aber das Haus- oesetz das Erscheinen der Schauspieler verbietet, so kam der Autor nach ledern Akt«. Aus der Hofoper dringt nichts Neues und Erfreuliches, höchstens ab und zu irgendeine Dissonanz, durch ein verunglücktes Gastspiel her- vorgerusen, oder durch eine Verordnung des Direktors Weingartner, der ein recht streitbarer und sckreibseliger Herr zu sein scheint. Eine viel positivere Tätigkeit entwickelt die Volksoper, die oben mit den Mai- sestspieten eine rühmliche Saison beschlossen hat. Nachzutragen wären noch einige Worte über die letzte Novität dieser Bühne, „Frau Holde", eine romantische Oper von Max Eager. Der Komponist, ein Wiener Bürgerschullehrer, hat sein Textbuch selbst nach Rudolf Baumbachs gleichnamiger Dichtung verfertigt. Er hat es nicht besonders drama tisch gestaltet und die romantische Liebesgeschichte eigentlich noch un klarer und komplizierter gemacht. Auch in seiner Ntusik ist noch wenig Klarheit und planvolle Absicht, außer der, sich an Richard Wagner an zulehnen, sowohl in der melodischen Erfindung, als in der Instrumen tation. Aehnlich wie bei einem anderen österreichischen Komponisten, bei Julius Bittner, ist auch hier das Volkstümliche das Echteste und Beste, und dies hat wohl dem Werke zu so einem großen, fast de- geisterten Erfolg verhvlsen. Auf zwei sehr interessante Abende kann das Deutsche Dolkstheater zurückblicken. Es brachte die deutsche Uraufführung von Bernard Shaws „Lustspiel der Liebhaber". Es ist schon vor 15 Jahren ent standen. Damals hatte Shaw, Ibsen für England entdeckt und für ihn heftig gekämpft. Und bekanntlich ist Ibsen nirgends so gründlich miß- verstanden worden, wie in England, nicht nur von seinen prüden, konservativen Gegnern, sondern auch womöglich noch mehr von seinen Anhängern. Alle diese Pedanten, namentlich jene, die aus ,,Nora" falsche Schlüsse auf Frauenbewegung zogen, karikiert hier Shaw in dem Jbsenklub, der nur unmännliche Männer und nur unweibliche Weiber aufnimmt, wo es keine Galanterie, überhaupt keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt. Natürlich entwickeln sich zwischen diesen modernen und fortgeschrittenen Männlein und Weiblein genau dieselben zärtlichen und eifersüchtigen Beziehungen, wie in der altmodischen Zeit, und der einzige Vernünftige in der ganzen Gesellschaft ist eigentlich der Titelheld, der prinzipienlose, unverschämte Liebhaber. Das Ganze ist sehr grotesk und satirisch gehalten, aber stellenweise auch von einer wirk lichen Lustspielheiterkeit erfüllt, namentlich im dritten Akt, der im Heim des Jbsenklubs spislt. Durch stilvolle Inszenierung und treffliche Dar stellung erzielte das Stück einen bemerkenswerten Erfolg, wenngleich es auch nicht völligem Verständnis begegnet«. Nach dem grotesk-tiefsinnigen Shaw kam der ihm geistesverwandte Frank Wedekind zum Wort. Und zwar mit seiner Kindertragödie „Frühlingserwachen", in der er selbst die Rolle des vermummten Herrn spielt. Auch für Wien war dieses Stück keine Neuheit mehr, denn man hat es im vorigen Jahre schon von dem Brahmschen Ensemble spielen gesehen. In der stark mildernden Inszenierung des Volkstheaters wirkt es viel geschlossener und stimmungsvoller. Und von einigem Wider spruch abgesehen, war es vielleicht der größte stürmischste Erfolg, den Wedekind je erzielt hat. Das sind so ziemlich die wertvollsten Ereignisse der letzten Wochen. Was die übrigen Wiener Bühnen treiben, ist bloßes Geschäft, und mehr oder weniger Glück und Geschicklichkeit. Das Bürgertheater, das seinen Kurs verloren zu haben scheint. brachte ein Lustspiel „Bruder Jacques" von Henry Bernstein und Pierre Veber. Man kennt diese beiden Autoren, den einen als geschickten, oft brutalen Theatraliker, den anderen als amüsanten, oft empfindsamen Komödienschreiber. Aber in ihrer ersten Theaterjugend scheinen sie recht unbeholfen und schwerfällig gewesen zu sein, wie dieses Lustspiel beweist. Es schildert, wie ein junges Mädchen sich und ihre Millionen an einen aristokratischen Hanswurst verheiraten läßt, auf den Rat ihres doppelt so alten Freundes Jacques, bloß weil beide nicht den Mut finden, ein ander ihre Liebe zu gestehen. Natürlich finden sie den Mut schließlich doch, aber erst nach vier umständlichen Akten, die mit jener unechten pathetischen Sentimentalität beladen sind, die man aus französischen Unterhaltungsromanen zur Genüge kennt. Nach den beiden Franzosen kamen zwei hierorts unbekannte Engländer Monezy Eon und Armont daran, mit einem Sensationsschauspiel, dem Hamptonklub. Wieder ein mal eine andere Richtung: Sensation, Spannung und Nervenkitzel. Die erste Probe davon ist dieses widerwärtige Stück. Es schildert einen Selbstmörderklub, dessen Statuten im wesentlichen lauten: Die Klub- Mitglieder werden ins Jenseits befördert, ohne vorher zu erfahren, wie und wann. Der Klub stellt sozusagen seinen Mitgliedern die Energie, die Verzweiflung und die Mittel zum Selbstmord bei. Das Ganze ist, wie man sieht, sehr albern und kolportazehaft und dazu noch mit einer peinlichen Kraßheit ausgeführt. Bei den Premieren in New Pork und Paris soll «3 Ohnmachtsfälle gegeben haben. Auch das Wiener Premierenpublikum schien sich eine Weile erstaunt zu fragen: Wo bin ich? Aber dann ermannte es sich und zischte sehr lebendig. Im Raimund-Theater haben Alexander Engel und Julius Horst, die erfolgreichen Autoren des Schwankes „Die blaue Maus", noch ein äbn- liches Stück in französischem Gewände herausgebracht. Es heißt „Seine Kleine", und schildert die Tätigkeit eines Instituts „Cerberus", bei dem der wider Willen ungetreue Ehemann auf lebendige Ausreden und Lügen abonniert ist und durch welches er auch seine Geliebte, eine kleine Statistin, überwachen läßt. DaF Ganze wird sehr beweglich, manches- mal auch etwas schleppend vorgeführt, mit einem sehr lustigen Dialog, in dem häufig brillante Witzworte funkeln. Am seltensten kommt die Literatur zum Wort. Höchstens ab und zu an einem der Literarischen Abende, die Jarno veranstaltM. Er brachte Gustav Wieds Provinzkomödie „Der Stotz der Stadt". Das keines- Wegs bnhnenstarke, aber stellenweise sehr ergötzliche Stück, erweckte ver ständnisvolles Lachen. Zu erwähnen wäre aucki ein kleiner Einakter „Goldblondinen" von Armin Brunner, der im Kleinen Schauspielhaus zur Ausführung kam. Eine lustige Intrige aus dem Milieu einer großen Bank. Di« Kleinigkeit, die ganz auf Bewegung und Dialog ge stellt ist, wurde sehr animiert ausgenommen. * * Die dänischen Dichter im Urteil der deutschen Literatur. Da» lite- rarisl': hervorragendste Blatt de» Nordens, ..Politiken" ,n Koven- Hagen, veröffentlicht soeben eine interessante Enquete, d-e Adolph Donath (Berlin) auf den Wunsch der dänischen Zeitung veranstaltet hat. Diese Enquete behandelt die Frage, wie sich die deutschen Schriftsteller und Dichter zu den jüngsten Strömungen in der dänischen Literatur
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