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Ein Abentheuer auf der Lampers- dorfcr Anhöhe. (Fortsetzung.) . Während ich nun fast dicht an dem Holze, der Sangrund genannt, vorüberschritt, konnte ich mich des Gedankens nicht erwehren, wie doch die fortgeerbte Bezeichnung dieses Laubwaldes in jez- . ziger Zeit zur tiefsten Lächerlichkeit herabgesunken sei. Den Thiergarten zu Moritzburg ausgenom men, haust nicht ein einziges wildes Schwein mehr in Sachsens Forsten. Diese ganze Thiergattung — versteht sich im wilden Zustand — ist bei uns gänzlich vertilgt, und so ist es natürlich auch ge kommen, daß der Saugrund von seiner einstigen Berühmtheit,, der er den Namen verdankt, nichts mehr aufzuweifcn hat als eben nur den Namen, was wenig genug ist. Welchen angenehmen Wi derhall mag doch sonst das Wort „Saugrund" im Ohr des Waidmanns gefunden haben! Und welche ganz andere Empfindungen mag der Ge danke. an die borstigen Ungeheuer in der Seele des Landmanns hervorgcrufcn haben! Damals fiel es wohl keinem Landwirth ein, einen elenden erbärmlichen Hasen, dessen kaum gedacht wurde, die wenigen Gras- und Getreidchalmen und das Bischen Klee zu mißgönnen, das der Be scheidene in stiller Harmlosigkeit allnächtlich von den Feldern sich zu entnehmen erlaubte, den An- foderungen seines Magens zu genügen, wenn er, der Landwirth, des Morgens hinausging aus seine Fluren und seine Saaten und Felder aufgewühlt, von den Rüsseln der nimmersatten Eber erblickte, daß. er vor Jammer und Herzeleid mit beiden Beinen in den Gräuel der Verwüstung hätte springen mögen.. Er sah sich, sein Eigenthum zu schützen, gezwungen, im Verein mit den Nach barn für schweres Geld Feldhüter zu besolden, und demohngeachtet geschah cs doch nur zu oft, daß der aufmerksamste Wächter mit den besten Hunden der schwarzen gefräßigen Schaar nicht Herr werden konnte. Jetzt kann der Landmann sich getrost zur nächtlichen Ruhe niederlegen, weil er weiß,, daß fast seit Menschengcdenken selbst der Eber letzter von der tödtenden Kugel, die der Jä ger im Widerstreit mit sich selbst entsendet, hinge streckt wurde zum Nimmererstehcn. Er kann ruhig und sanft schlafen, denn auch kein Nothwild be tritt mit flüchtigem Fuße seine Fluren mehr oder benagt die jungen Schößlinge in seinen Hölzern. Es beleidigt nicht mehr sein Auge der Anblick des „großen" Hirsches mit den gewaltigen „Hör nern", cs sei denn im Traum. Es war zu der Zeit, da man schrieb 1800 nach christlicher Zeit rechnung, als in Sachsen auch gegen das Roth wild der unerbittliche Vertilgungskrieg begann, den man den vierjährigen nennen könnte, denn nach dem Verfluß des kurzen Zeitraums von viermal zwölf Monden war den große. Feldzug beendet. und die Jäger kehrten in die Winterquartiere zu rück, die sie wohl kaum wieder, zu cssnem ähnli chen großen Morden gerüstet, verlassen werden. So waren denn nun die Niederungen Sachsens zusammt dem platten Lande von diesem „Unge ziefer" gesäubert und der Forstmann konnte aus- ruhen von der Blutarbeit und kann cs noch jetzt. Nur im höhern Erzgebirge, im Tharander Wald und in der Dresdner Haide zeigt sich zuweilen ein versprengter Flüchtling, der durch einen gün stigen Zufall des Geschicks dem Schlachtfeld mit heiler Haut entronnen. Doch auch für ibn ist die Kugel bereits gegossen, und wenn er eben jetzt noch des Lebens, das man ihm vom rechtli chen Standpunkt aus streitig zu machen sucht, sich erfreut, so verdankt er die „süße Gewohnheit des Daseins" nur dem unzeitigen Mitleid des Forstbcamten, auf dessen Revier er sich aufhält, denn nach sächsischen Gesetzen ist er von der Stunde seiner Geburt an, der Buchse, wie der Verbrecher dem Schwert oder dem Beile, verfallen, oder man hat ihn zu einem „nobeln Vergnügen" aufgespart, wie man etwa die römischen Gladiatoren zu Fest spielen mästete. Dennoch wird in Sachsen die Jagd in die hohe, mittle und niedere eingethcilt, wie man sich noch jetzt durch die Leipziger Zeitung überzeugen kann, welche zuweilen Bekanntmachun gen, die Verpachtung der hohen Jagd betreffend, enthält. Auch sind die meisten Rittergüter in Sachsen mit dem Recht zur Ausübung der hohen Jagd beliehen, welches Recht unter den obwalten den Umständen begreiflicher Weise zur ungeheuer sten Ironie herabgesunken ist. Da es mir nicht geziemt und wohl kaum zur öffentlichen Bespre chung in dieses Blatt gehört, zu untersuchen, ob man ganz wohl daran gehandelt habe und cS mit den Pflichten der Menschen gegen andere Geschöpfe ganz vereinbar sei, eine ganze Thicr- gattung, die doch ohnmöglich als gemein schäd liche betrachtet werden kann, so gut wie auszu rotten, oder ob man, um den gemachten Anfoder- ungen nach allen Seiten bin möglichst zu genü gen, nicht vielleicht durch Unterhaltung eines mä ßigen Wildstandes die fast grausame Maßregel des gänzlichen Vertilgens dieser Thiere hätte mil dern können, bleibt mir nur übrig, zu sagen, daß ich mich vielleicht einmal spater über die Vortheile und Nachthcile des Wildes, sowie über die Mög lichkeit einer gegenseitigen vollständigen Ausglei chung zwischen den Jagdberechngten und den Gü terbesitzern in einem besonder» Artikel, wo mög lich in diesem Blatte aussprechen werde. Laßt daher ruhig die Büchse am Nagel hängen, ihr sächsischen Wachmänner, ihr seid derselben nicht mehr bcnöthigt, cs sci denn ibr rüstetet euch zum — Scheibenschießen.. Der Hirschfänger an eurer Seite ziert eure Hüften wie zum Hohn, und eure Mützen und Hüte schmückt kein grüner Bruch mehr, denn! eines armseligen Nebes wegen,, das ihr bequem mit der Schrotfliyte erlegt, knickt kein