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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.05.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-05-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080521011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908052101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908052101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-05
- Tag 1908-05-21
-
Monat
1908-05
-
Jahr
1908
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zeiclMete den Religionsunterricht in der Schule als Notwendigkeit und führte weiter aus, daß dieser Unterricht ein wahres Schmerzenskind fei, indem er für viele kirchliche Mißstände mit verantwortlich gemacht und mit entgegengesetzten Besserungsvorschlägen beglückt wird und hin sichtlich seiner Ueberwachung eine Ursache heftiger Kämpfe ist. Die ent standenen Schwierigkeiten seien nicht allein durch die Persönlichkeit des Lehrers zu beseitigen, sondern es bedürfe hierzu auch deS rechten Lehr planes. Die Kundgebungen auf diesem Gebiete seien erfüllt von dem Gedanken, daß man mit der christlichen Religion den Kindern das Beste gebe, was es gibt. Der Religionsunterricht müsse berücksichtigen, daß das Elternhaus den Kindern heute weniger mitgibt, als früher, daß Kirche und Schule Sondevansprüche an ihn stellen und daß die Kinder seele weitgehende psychologische Berücksichtigung fordert. Die Bewegung zur Besserung des Religionsunterrichtes sei erfreulich. Nach diesen Bemerkungen stellte der Redner folgende Leitsätze auf: 1) Religion ist nicht lehrbar, doch kann und soll der Religionsunter richt die Ausbildung eines sittlich-religiösen Charakters an seinem Teile anbahnen und fördern. 2s Zur Erreichung dieses umfassenden Zieles haben sich Kirche und Schule zwecks Klärung und Erledigung entstan dener Reformfragen ernstlich die Hand zu reichen. 3s Alle Reformen des religiösen Lehrplanes sollen allseitig als hochgesinnte Versuche ver standen werden, unter den neuen Verhältnissen der Gegenwart die ewigen Schätze des Evangeliums den Kindern möglichst erfolgreich inner lich anzueignen. Sie dürfen nicht dazu mißbraucht werden, daß die dogmatischen Lehrausprägung unserer Kirche als etwas an sich Neber- flüssiges oder Ueberwundenes den Kindern erscheint oder daß sie die Frömmigkeit ehrwürdiger Vorfahren und älterer Zeitgenossen als etwas Rückständiges anschauen. 4s Durch möglichste Beschränkung des Lehr stoffes auf das unbedingt Nötige soll erhöhte Rücksichtnahme auf di«. Natur des Kindes und auf die Vertiefung der Behandlung erfolgeln. 51 Alle anschaulichen Lehrstoffe sind aufs stärkste zu betonen und aus dem Neuen wie Alten Testament sowie der Kirchengeschichte und dem reli giösen Gegenwartsleben zu entnehmen. Auch die Ausgestaltung des SchullebenS durchSchulandachten, sowie die nach der inneren Stellung des Lehrers verschiedene, aber immer aufrichtige Bekundung eigner Reli giosität gehört zur Veranschaulichung. 6s Alles abstrakte Vortragen und Änlernen dogmatischer Sätze ist, soweit es im Lehrpläne geschehen kann, schon hier zu unterbinden; da noch Lage der Verhältnisse auf die Lehren der Konfessionskirche nicht verzichtet werden kann, so sind dieselben in lebendigem Anschauen der Lehre und des Lebens Christi materiell M gewinnen. 71 Die sittlichen Forderungen des Christentums sind auf an schaulichem Wege aufs kräftigste zu betonen, wobei jedoch auf ein ethisches System zu verzichten ist. 8) Der religiös-sittliche Katechismusinhwlt sollte stets in Zusammenhang mit der geschichtlichen Mschauung ge wonnen nnd zu einer fystemotischenChristenlehre oder zusammenhängenden Katechismnsbehandlung erst dann verdichtet werden, wenn bei dem Kinde das Interesse an solchen Zuscnnmensassungen und folgerichtig deren innere Aneignung erhofft werden darf. Vermutlich rückt der zusammen hängende, besondere Katechismusunterricht immer mehr in die oberste Klasse. 91 Eine Neugestaltung des religiösen Memorierstoffes nach Nm- fang und Inhalt unter Berücksichtigung bereits geschehener Vorarbeiten ist unvermeidlich nnd hat sowohl die Interessen der Schule als auch die der Kirche zu berücksichtigen. — Die anschließende Aussprache über die Frage zeigte, daß man auf der Konferenz nicht vollständig mit einzelnen Thesen einverstanden war, daß man aber die Notwendigkeit einer Reform des Religionsunterrichtes aner- kennt. Ein Beschluß wurde nicht gefaßt. Verb.^n-staft der Sächsischen Fleischer-Innungen. r. Glauchau, 19. Mai. In unserer festlich geschmückten Stadl fand heute der Ver bandstag der Sächsischen Fleischer-Innungen statt, nachdem gestern eine Delegicrtensitzuna die zur Verhandlung kommenden Fragen »orberaten hatte. Eröffnet wurde die von ca- 900 Fleischermeistern be suchte Versammlung, denen Vertreter der königlichen und städtischen Behörden, der Gewcrbekamnvern von Chemnitz. Plauen usw. beiwohnten, von dem Vorsitzenden des Bezirksvereins Herrn Nietzschmann- Leipzig mit herzlichen Begrußungsworteu an di« Erschienenen und einem Hoch auf den Köniz. Aus dem vom Obermeister Nietzfchmann erstatteten Jahresbericht sei hervorgehoben, daß in dem Fleischergewerbe seit dem letzten Jahre eine Besserung konstatiert werden könne. Die Mitglieder zahl des Verbandes Sachsen ist von 4064 auf 4228 Ende 1907 gestiegen, die Zahl der Innungen beträgt 128 freie, 13 gemischte und 21 Zwanasinnungen. Die staatliche Schlachtviehver- sicherung bezeichnet« Redner als noch sehr mangelhaft; man müsse sich deshalb zur Selbsthilfe susammenschließen. Von der Innung Riesa waren vier Anträge eingebracht worden, über di« Herr Ober- meister P. Fischer-Riesa referierte. Antrag a, wonach nur diejenigen Hausschlächter das Gewerbe auSüben dürfen, die di« Meisterprüfung bestanden haben, wurde einstimmig angenommen und der Vorsitzende beauftragt, geeignete Schritte hierzu zu unternehmen. Antrag b, der dahin ging, di« Unsitte der Verabreichung von Trinkgeldern bei Vieh käufen abzufchaffen, wurde, da man sich einen Erfolg nickst versprach, abgelehnt. Zu Antrag e, betreffend den Mehlzusatz zu Brühwürstchen, bemerkt« der Referent, daß seitens mancher Gericht« immer noch «in Stärkemehlzusatz von 2 bis 3 Pro-, als unerlaubt angesehen werde, trotzdem es kein anderes Bindemittel gäbe, um eine gute Brühwurst herzustellen. Der Deutsche Fleischerverband möge daher da hin wirken, daß rm ganzen Reiche 3 Proz. Stärkemehl verwendet wer den dürfen. In d«r sich über diesen Punkt entspinuenden längeren Debatte bemerkt« u. a. Herr Oebrmerster Vogel-Leipzig, daß über di« Verwendung von Stärkemehl die «in-eliren Stadtgemeinden befinden, nur müsse man im Laden einen diesbezüglichen Aushang anbringen. Landtagsabg. K i cke lhay n-Chemnitz empfahl, sich den Chemnitzer Fleischern anzuschließen, die sich ans eine Anfrage des Stadtrats für Mehlbrühwürstel entschlossen hätten. Der Antrag Riesa wurde schließ lich mit allen gegen b Stimmen ab gelehnt. Der letzte Antrag be traf di« Verwendung von Konservierungsmitteln. Nach kurzer Debatte wurde dieser Antrag abgelehnt, dagegen fand der An trag der BornaerJleischer»Jnnung,di«Chemiker zu veranlassen,bei derEnt- nähme von Nahrungsmittelprobcn zur Vorbeugung gegen Verwechselun gen versiegelte Gegenproben zurückzulassen, einstimmige Annahme. Ein Antrag der Fleischer-Jnnnng zu Freiberg, beim Ministerium dahin vor stellig zu werden, daß auch die Nichtfleischer, -. B. die Kolonialwaren händler, veranlaßt werden sollen, ihre Wurst- und Fleischwaren in be sonderen Räumen herzustellen und zu verkaufen, wurde ebenfalls ein stimmig angenommen. Einige Anträge, betreffend di« Entschädigungen bei Beanstandungen, Rückerstattung der Schlachtsteuer usw., wurden dem Vorstande zur weiteren Behandlung überwiesen. Bei den Vorstands wahlen wurden die Herren Beyer- Gablenz und Meyer- Zwickau neu in den Vorstand gewählt. Als Ort des nächstjährigen Verbands tages wurde Aue bestimmt. Hierauf wurd« die Tagung geschlossen. Im Anschluß hieran fand Festmahl im „Lindenhof" mit Ball statt. Den Abschluß der Festlichkeiten bildet morgen ein Ausflug mit an schließendem Frühschoppen. Ans Sachsens Nrngebnng. 8. Delitzsch, 19. Mai. (Länderaukauf zur Erbauung von Ar be i t e r w o h » h äns«rn.) Eine Kommission der Halleschen Eisenbahndirektion kaufte an der Bitterfelder Chaussee ein 32 Morgen großes Feld zur Errichtung von etwa 120 Arbeiterwohn- hä ufern, die von einer vom Staate unterstützten Baugenossenschaft erbaut werden sollen, da infolge der Errichtung der hiesigen Eisenbahn- werkstätte Mangel an kleinen Wohnungen emtritt. ll. Delitzsch, 20. Mai. (Auszeichnung.) Der Zigarrenarbeiterin Frau Berta Lange hier, die vor kurzem aus eine 40jäbrige Tätigkeit bet der Firma G. Wagner zurückblicken konnte, ist von der Kaiserin ans dieseni Anlaß eine goldene Broiche verlieben worden. Barbh, 20. Mai- (Eine arme Reiche.) Vor einig«n Wochen starbhier an Influenza die alleinstehende, anscheinend sehr dürf tig lebende Mari« Carl. Aus der Wohnung waren wertlose Gegen stände. alte Papierabfälle usw., zum Verbrennen nach dem Schuttablade platz am Brucktor geschafft worden. Eine Arbeiterfrau, die einige Tage später dort noch Holzabfällen suchte, sand dabei ein altes, vergilbtes, mit einem roten Band umwickeltes Zeitungsblatt, in dem sich ein Schuld- kchein über 3000 ^l befand. Außerdem wurden in dem Nachlaß der Verstorbenen jetzt von Verwandten noch 20 000 „E gesunden. H Kahla, 19. Mai. (Der Bezirkstag) der Fleischerinnungen im Herzogtum Altenburg, den beiden Fürstentümern Reutz, dem meiningischen Osterland (Pößneck) und dem Neustädter Kreis im Großherzogtum Sachsen sprach sich in seiner gestrigen Versammlung im Aürstenkeller energisch gegen eme Trennung des Bundes in einen nord- und süddeutschen aus. * Arnstadt i. Th., 20. Mai. (Einen grausigen Fund) machten zwei Einwohner im Jonastal sbei Arnstadt) am sogenann ten Sonnenberg. Dort stießen sie auf die L ei ch e eines etwa 35iährig«n Mann«s, die schon stark in Derwesuuz übergogangen ist. Der da neben liegende Revolver ließ di« Todesart erkennen. Der Uederzieher trägt die Buchstaben X. Außerdem sand man bei der Leiche nur eine Fahrkarte der Leipziger Straßenbahn irnd einen Pfand schein vor, während Barmittel oder eine Uhr nicht im Besitze des Toten waren. X. Dessau, 20. Mai. (Selbstmordversuch im Ruder boot s h a u s e.j Ein 20 Jahre alter Banklehrling H., Sohn des Bahnhofshoteliers H., schoß sich gestern fvüh, nachdem er zuvor das Training unterbrochen hatte, im Bootshause des-Dessaucr Ruderklubs, wo jetzt die Raceleute schlafen, eine Kugel in die Brust. Der Schwer verletzte wurde in das Krankenhaus üoerzesührt. Gerichtssaal. Königliches Schwurgericht. Der MafsenmeineidSpro;eft gegen Reichert und Genoffen. (Fortsetzung.) ; Leipzig, 20. Mal. Die Zeugenvernehmung wurde bezüglich des vierten Anklagepunkles fort gesetzt und beendet. — Ter Untersuchungsrichter Dehn äußerte sich über den Angeklagten Goldmann, daß dessen Verhalten während der Voruntersuchung angemessen war, ebenso ordentlich hat sich Kühnert benommen. Beide haben sich nicht auf hartnäckige- Leugnen verlegt, sie haben teilweise ein Geständnis abgelegt; Müller hat seine Angaben allerdings ost geändert. Den Angeklagten Tränkner bezeichnete der Untersuchungsrichter als einen sehr intelligenten Mann, der sich sehr gut in daS System Reicherts hinelngefunven habe. Reichert ist gegen den Untersuchungsrichter öfters im höchsten Grade unverschämt gewelen. Mehrere der Angeklagten haben sich aus geistige Unzurechnung-sähig- keit hinausspielen wollen, so auch Kaatzsch. der sechs Wochen lang in Wald heim beobachtet worden ist. Das Resultat der Beobachtung war, daß Kaatzsch für geistig vollkommen gesund erklärt wurde. Der Untcrftlchungsrichter Dehn sagte daun noch, daß er sehr vorsichtig gewesen sei, ec habe alles in den Akten nicdergelegt, weil er schon gewußt habe, daß er in dec unverschämtesten Art angegriffen werden würde. Daraus wurde der Mitangeklagte Sommerlat als Zeuge aus der Untersuchungshaft vorgeführt. Seine Bekundungen sind im ganzen nicht wesentlicher Natur. Der schon genannte Pönisch machte davon Mitteilung, daß Reichert ihn 1906 beauftragte, sich die Handaktcn in Sachen Sckaaf von dessen Verteidiger zu verschaffen. Pönisch hat diesem Auftrage auch entsprochen, hat die Akten geholt und Reichert hat sie ganz genau durch studiert. Auf Grund des Inhalts der Akten, die Auszüge des ganzen Anklage materials und der Zeugenaussagen enthielten, hat Reichert dann Vie Rollen verteilt, er bat bestimmt, in welcher Weise die einzelnen Zeugen und zu welchen Punkten sie auszusagen hätten. Die Bemühungen Reicherts haben aber keinen Erfolg gehabt, Schaaf wurde verurteilt. Als Reichert die Rollen verteilte, bat er auf die Eigenschaften seiner Zeugen sorgsamste Rücksicht genommen, so hat er bekannt, das; dem „Lügen-Müller" die Auslage schriftlich gegeben werden müßte, der sei sonst nicht zuverlässig genug, auch setzte Reichert ganz genau die Zeit fest, zu der die fraglichen Vorgänge stattgesunden haben sollten. — Reichert bezeichnete die ganze Aussage Pönischs als eine ganz un verschämte Lüge, er müsse cS bedauern, daß der Zeuge seine eigene Familie in Unglück und Schande zu bringen versuche. Darauf erfolgte die Vernehmung des Gastwirts Theile, der sich in der zweiten Periode dieses Riesenprozesses wegen Meineids in einem Falle und Anstiftung zum Meineide in vier Fällen sowie in der dritten Periode wegen Meineids in einem Falle zu verantworten haben wird. Seine Vor führung aus der Untersuchungshaft wurde mit allen Vorsichtsmaßregeln ins Werk gesetzt. Als er vernommen werden sollte, machte er einen un gemein erregten Eindruck. Er bemerkte, er könne über die Sache Straube nur aussagen, wenn man ihm gestattete, aus seinen Notizen vorzutragen. Er behauptete darauf, daß der Zigarrenbändler Straube mit Reichert über die Gewäbrnng eines Zieles gesprochen habe. Kaatzsch habe zu Straube, als derselbe mit ihm, Theile, ein Geschäft habe machen wollen, ge äußert, dem Reichert sei ja auch Ziel gegeben worden, La könne er doch Theile auch Ziel gewähren. Im weiteren Verlause seiner Aussage schreit Theile seinen ebemaligen Freund Kaatzsch an, sagt, Laß er lüge, bier vor Gericht solle aber die reine Wahrheit endlich an den Tag kommen. Er stehe hier vor einem Gottesgericht, und La solle ihn niemand hindern, sich auszusvrechen. Theile wurde dann wieder abgeführt und der Vorsitzende teilte mit, daß der Oberarzt Dr. Nerlich in Waldheim nach Beobachtung das Theile auf seinen Geisteszustand erklärt hat, Theile leide an dem sogenannten Querulantenwahnsinn. Auf Betreiben deS Untersuchungsrichters ist dann ein Obergutachten deS LandesmrdizinalkollegiumS eingebolt worden, nach diesem sei Theile wohl geistig minderwertig, aber durch- aus zurechnungsfähig. Bei dem fünften Anllagepunkt kommt nur der Angeklagte Tränkner in Frage, der im Jahre 1904 in einem Wechselprozeß gegen den Bäckermeister Krämer einen Meineid geschworen haben soll. Im September 1903 kam Krämer eines Tages in Reicherts „Dresdener Hof", er mar ziemlich angetrunken und auch Tränkner war nicht mehr ganz nüchtern, der sich schon im Lokale befand. Die beiden kamen ins Gespräch und Tränkner offerierte dem Krämer eine Uhr znm Preise von 100 ./6, die Krämer aber nicht haben wollte. Nun hänselte Tränkner den »dränier, er lei so bezecht, daß er nicht einmal mehr seinen Namen schreiben könne, das wollte Krämer sich nicht sagen lassen, und als Tränkner ihm dann ein zusammengefaltetes Papier vorlegte und ihn ausforderte, Loch seine Nüchternheit zu beweisen und seinen Namen hinziychrcibeu, da machte Krämer das auch. Seine Be ¬ stürzung war sehr groß, als ihm nach einigen Monaten ein Wechsel über 100 zur Einlösung präsentiert wurde, der seine Unterschrift trug. Dieser Wechsel war jenes Papier, daS ihm Tränkner zur Unterschrift vorgrlegt hatte. Tränkner batte Las Formular dann nachträglich über einen Betrag von 100 ausgefüllt. Krämer hat die Einlösung des Wechsels verweigert, es kam zur Klage, er mußte die Echtheit seiner Unterschrift anerkennen und wurde zur Zahlung verurteilt. In Lieser Wechselklage hat Tränkner als Zeuge beschworen, daß es mit dem Wechsel seine Richtigkeit habe, Krämer habe die Uhr von ihm gekauft und habe dafür das Akzept hergegeben. Heute legt Tränkner ein Ge ständnis dahin ab, daß er sich von vornherein einen Scherz mit Krämer habe machen wollen, er habe, als er den Wechsel weitergegeben habe, auch ausdrück lich gesagt, er werde das Papier selbst einlösrn. Als Krämer dann nachher überall erzählt habe, der Tränkner habe ihn hineingelegt, da sei er ärgerlich geworden und habe sich rächen wollen. Nach Vernehmung mehrerer Zeugen zu der Sache wurde die Verhandlung auf Donnerstag vertagt. Königlicher Schöffengericht. * Leipzig, 19. Mai. Ein verfehltes Leben. Auf der Anklagebank saß unter der Beschul digung des Diebstahls und des Betrngsverjuchs der 35jährige Arbeiter und Leutnant a. D. Wolfgang H. Der Angeklagte hat schon ein sehr bewegtes Leben hinter sich, die Trunksucht hat ihn immer weiter bergab gebracht, bis der ehemalige Offizier jetzt die Bekanntschaft mit der Ge- fängniszelle macht. Bis zum Jahre 1897 war H. Leutnant in einem an der russischen Grenze liegenden preußischen Infanterieregiment, dann mußte er seinen Abschied nehmen und wurde Grenzciusseher. Seine Aussichten auf Beförderung waren aber sehr gering und so quittierte er den Dienst, wandte sich dem Versicherungsfache zu und bekam im Mai 1898 Anstellung bei der Viktoria in Berlin, wo er es im Laufe der nächsten sechs Jahre bis zum Buroauvorsteher brachte. In Berlin heiratete H. auch im Jahre 1899, die Ehe ist aber 1905 schon wieder geschieden worden. Im Juli 1904 trat H. aus den Diensten der Viktoria aus und wurde Sozius eines kaufmännischen Geschäfts, das aber im April 1905 in Konkurs geriet. Jetzt suchte H. sich wieder als Versichernngs- und Warenagent durchzuschlagen, sein monatlicher Ver dienst schwankte zwischen 40 und 60 ^k. Nach zweijährigem Plagst» und Herumlaufen hatte er ein solches Leben indessen satt, er wandte sich im Juli !907 nach Holland, um sich für die Kolonialarmee an werben zu lassen. Seiner Aufnahme stand aber der Umstand entgegen, daß er auf dem rechten Auge stark kurzsichtig gelvorden war, und wegen dieser Kurzsichtigkeit wurde er auch zurückgewiesen, als er sich in Frank reich für hie Fremdenlegion meldete. Er wanderte dann nach Westfalen, wo er bis in den November hinein bei einem Bauern als Knecht arbeitete. Nachher war er kurze Zeit in einer Arbeiterkolonie in der Provinz Hannover, reiste darauf nach Potsdam, um seine Verwandten nm Unterstützung zu bitten, und als er schroff abgewiesen wurde, suchte er einen alten Schulfreund im Erzgebirge ans, der ibn auch unterstützte, bis H. in einem Dorfe bei Rochlitz wieder Arbeit fand. Am 24. April ist H dort in Untersuchungsbast genommen worden, weil er seinen Wirtsleuten im Mai 1907 ein Paar Granatohrringe im Werte von 9 und zwanzig Pfandscheine, die ibm die Wirtin anvertraut hatte, verun treut und für zusammen 12 .il verkauft hat. Ferner hat H. ebenfalls im Mai vergangenen Jahres eine Schneiderin nm 30 .4l und einem' Kellner um 2 anzuborgen versucht, indem er ihnen vorsviegelte, er bäte im Namen und Auftrage seiner Wirtin nm die Darlehen, die er in Wirklichkeit für sich selbst haben wollte. Das Schöffengericht er- kannte gegen den Angeklagten tz. unter Anrechnung von drei Wochen der Untersuchungshaft auf eine Gefängnisstrafe von acht Wochen. Gin Rachspiel ;rnc Hau-Affäre. (Olga Molitor als Klägerin.) (Fortsetzung.) 8- u. Karlsruhe, 20. Mai. Bei der Eröffnung der gestrigen Sitzung wird zunächst Nedakteu» Lippe von der „Badischen Korrespondenz" über seine Beziehungen zu Rechtsanwalt Dietz ausführlich gehört. Er bekundet, daß er sofort auf die Nachricht, datz Freiherr v. Lindenau alö der Mann mit dem grauen Bart in Frage komme, erklärt habe: »Oh je, da haben wir ja einen bösen Zeugen!" Der Zeuge bekundet weiter: Soweit er mit Rechtsanwalt Dietz über die Persönlichkeit Lindenaus und sonstige Feststellungen im Falle Hau und das Wiederaufnahmeverfahren verhandelte, sei dies nur ge- schehen, um seiner Pflicht als ZeitungSkorrespondent zu genügen. — Justizrat Bernstein teilt mit, daß d,e Verteidigung zu folgender Em. schlietzung gelangte: Der Vorwurf deS Vertreters der Nebenklage und der Anklage, daß hier ein Wiederaufnahmeverfahren im Falle Hau betrieben werden soll, ist durchaus unberechtigt. Wir sind uns durchaus bewußt, daß es sich hier um den BeleidigungSprozeß Herzog und Graf handelt. Was meinen Klienten betrifft, so steht er auf dem Standpunkte, daß für ihn der Hau-Prozeß nur insoweit in Bettacht kommt, als von der Un- zuverlässigkeit des Urteils gegen Hau und der Kritik des Hau-ProzesseS seine journalistische Behandlung der Angelegenheit ausging. Er ist sich auch bewußt, daß der Prozeß nicht vor den Zeitungen und der Oeffent. lichkeit geführt wird, sondern vor dem Gerichtshöfe. Justizrat Bern- stein bittet, den Rechtsanwalt Dietz zu vereidigen, und erklärt sich be reit, in diesem Falle auf weitere Zeugen und Sachverständige zu ver. zichten. — Der Staatsanwalt ersucht, die Vereidigung, auf Grund der Aussagen des Zeugen Lippe, abzulehnen, ebenso Rechtsanwalt v. Pann. Witz. Dieser erklärt, nach den Aussagen de» Lippe stehe fest, daß Rechts, anwalt Dietz im Wiederaufnahmeverfahren mindestens ein dutzendmal mft ZeitungSkorrespondenzeu verhandelt habe, die für da» Wiederaufnahme- verfahren wirken sollten. Der Gerichtshof beschließt, die Vereidigung des Rechtsanwalts Dietz abzulrhnen und in der Vernehmung der Sachverständigen fortzufahreu. Der nächste Sachverständige ist Gutsbesitzer Dr. B a ck h a u s e n - Nettehammer. Er erklärt, daß er ein Freund des Rechtsanwalts Dietz sei. Dadurch könne sein Urteil aber nicht beeinflußt werden. Im Hau-Prozetz hat der Zeuge die Meinung gehabt, datz da etwas versehen worden sei. Es sei gesagt worden, der Mantel der Ermordeten sei gewaschen worden. Er habe sich gefragt: Wer hat ein Interesse daran, ein Beweisstück zu vernichten? Jetzt sei er anderer Meinung. Der Mantel sei gar nicht gewaschen worden. Was den Schutz anlange, so fei er entweder als ein Unglück- kicher Treffer einer zu früh losgegangenen Waffe, oder als der von einem kleinen Manne in einer Entfernung von 10—IS Zentimeter abgegebene Schutz anzusehen. Wenn Hau der Täter war, dann war der Schutz so ungeschickt wie nur möglich. Er stelle noch fest gegenüber den Jnsinuo- tionen des Herrn v. Pannwitz, der im Prozetz zu behaupten für gut be fand ... (Rechtsanwalt v. Pannwitz — erregt aufspringend — „Ich ver. bitte mir durchaus eine solche Kritik!") — Bors.: Ich bitte doch, alle spitzigen Redensarten zu unterlassen. — Sachverst.: Ich ging am ersten oder zweiten Verhandlungstage zu Oberleutnant Molitor, der erklärte, die zwölf Sachverständigen seien nur dazu da, um zu beweisen, datz Fräulein Olga Molitor eine Mörderin und Meineidige sei. Ich sagte, das sollen Sie nicht denken. Wir sind dazu da, die Wahrheit zu erforschen. Allerdings könne auch eine Dame einen Revolver fuhren, ohne datz man an ihrer Kleidung davon etwas bemerke. In Betracht komme ein amerikanischer Revolver von 7,32 Millimeter. Es müsse eine sehr gute Waffe gewesen fein. Ein bewußter Meisterschuß war es nicht, sondern ein liederlich hingeworfencr Schutz aus nächster Nähe. Er saß so tief, daß ein größerer Mann nicht imstande gewesen wäre, so tief zu treffen. — Vors.: Wäre es nicht mög lich, auf den einen oder anderen Sachverständigen zu verzichten? — Rechts anwalt Vögele widerspricht. — Sachverst. Rittergutsbesitzer Theiß« n bekundet, er könne sich den ganzen Mordvorgang nicht er- klären. Ihm sei eS mit einer Länge von 1,67 Meter nicht möglich ge wesen, einen solchen Schuh zu tun. — Orientmaler Richard Fuchs- Berlin-Friedenau hat SO Jahre in Afrika gelebt, wo er ständig mit Waffen zu tun hatte. Ec interessierte sich für den Fall, nachdem er von ihm durch die Zeitungen Kenntnis erhalten. Mit Sicherheit könne kein Mensch angeben, welche Waffe und welche» Projektil von dem Täter benutzt worden sei. — Der nächste Sachverständige ist Direktor P r e u tz - Wilmersdorf. Er hält es für höchst wahrscheinlich, daß die Waffe nur 5, höchstens 10 Zetimeter vom Körper entfernt war, es sei auch nicht ausgeschlossen, daß sie direkt auf den Körper aufgesetzt wurde. Es komme ein 9-Mrllimeter-Revolver in Betracht mit einer Ladung ton Schwarzpulver. Nicht wahrscheinlich sei es, datz der Täter in vorgebeugter Haltung den Schutz abgab. Aus dem Verlaufe des Schutzlanals sei auf dir Grütze des Täters nicht zu schließen. Ebenso unwahrscheinlich sei eS, datz eine neben Fran Molitor hergehende Person den Schuh abgegeben habe. Wenn man an- nehme, datz Hau der Täter war, so sei dieser schon insofern Schietzsach- verständiger, als er nach der Verwundung seiner Frau im Hotel Reaip auf dem St. Gotthard wußte, datz nicht jeder Revolverschutz tödlich sei. Hatte er die Absicht, unter allen Umständen seine Schwiegermutter zu erschießen, so wußte er auch, datz mit einem Schüsse nichts erreicht sei. Er mußte sich aber sagen, nicht» ist leichter, als Frau Molttor das ganze Revolvermagazin in den Leib zu schießen. Hieraus geht hervor, datz Fräulein Olga nicht als Mittäterin in Betracht kommen kann. Wenn er nur einen Schutz abgab, so fürchtete er jedenfalls, erkannt zu werden. Vielleicht hat er auch die falsche Person getroffen. — Bildhauer und Hauptmann der Reserve P f r e t s ch n e r - Tharlottenburg gibt als Sach- verständiger an, er habe den Prozetz nur stückweise verfolgt, in Wiener, Münchener, Berliner und amerikanischen Blättern. Da sei ihm schließ lich die Sache wie ein Mühlrad im Kopfe herumgegangen. Er könne da- her nur auf Grund der bisherigen Gutachten und der SektionSprotokollc urteilen. Der Sachverständige schließt süh den Gutachten der übrigen Sachverständigen an. — Der letzte Sachverständige bekundete: Wahr- schcinlich sei der Täter klein gewesen. Er müsse im Augenblick des Schusses dicht hinter Olga Molitor gestanden haben, falls er nicht links händig war. Es brauche nicht ein Revolver verwandt worden zu sein, auch eine Pistole könne in Bettacht kommen. Ausgeschlossen sei eS, daß der Täter knieend oder in einer ähnlichen Stellung geschossen habe. Die Waffe sei wahrscheinlich auf den Körper fest aufgesetzt worden. Ans- geschlossen sei eS, datz ein Mann von 1,82 Meter Größe den Schutz ab gab. Ein Mann von solcher Grötze müßte eia Parterregymnastiker sein, wenn er einen solchen Schuß abgeben wollte. — Auf Befragen des Vorsitzenden erklärt Fräulein Olga Molitor, datz sie mit ihrer Mutter nicht gerade sehr schnell gegangen sei. E» kommt dann wieder zu langen Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Sachverständigen und dein im Hau-Prozeß als Schiehsachverftändigen vernommenen Büchsenmacher Andre, sowie dem Geh. Medizinalrat Reumann. Im Anschluß an die Auseinandersetzungen der Sachverständigen bemerkt Justizrat Bern, stein: Wollen wir so lange miteinander verhandeln, bis die Sachver- ständigen unter einen Hut gebracht sind? — Vors.: Nein, nein, da wird wohl nicht möglich sein. — E« trat sodann eine Pause ein. Nacb Wiederaufnahme drw Verhandlungen verkündete zunächst der Vor- sitzende folgenden Gerichtsbeschluß: Der Antrag der Verteilst- gung auf Herbeischaffung dr» Karl Hau au» dem Zuchtbause Bruchsal wird abgelehnt. Das Gericht hat die Erheblichkeit des Au. träges verneint aus Gründen tatsächlicher Natur und aus der ganzen Sachlage heraus. Es bandelt sich darum, zu erkennen, ob der Angeklagte Herzog sich der Beleidigung von Fräulein Olga Molitor schuldig gemawl hat und auf welche Strafe demgemäß zu erkennen sei. Hierzu kann die Beurteilung der Frage, ob die durch die Berufung auf Hau behaupteten Tatsachen richtig sind, nicht in Bettacht kommen. Die Vernebmung des Karl Hau hierfür als Zeugen ist daher belanglos. — Darauf wird die Beweisaufnahme fortgesetzt. — Ts werden eine Reihe Artikel der „Badischen Presse" verlesen, die sich auf den Fall Hau beziehen. Der '.''n geklagte Herzog gibt Auskunft, auv welchem Material sich die Ar.stke! Auf der Hardaubabn in Zürich fanden am letzten Sonntag internationale Rennen statt, von denen H. Roos daS 10-tcm-Rennen auf dem dcutjchen Rade Brennabor gewann. Diese Marke hatte am gleichen Tage einen weiteren grohen Erfolg, indem der Weltmeister L. Darragon in Brüssel seine Konkur renten EolliaS nnd Walthonr abserttgte. »«»7
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