Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.05.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-05-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080521011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908052101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908052101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-05
- Tag 1908-05-21
-
Monat
1908-05
-
Jahr
1908
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Ar. 140. 102. Jahrg. Leipziger Tageblatt. Donnerstag, 21. Mai 1008. baden zu dem Resultacke geführt, daß da« Reich-schatzamt sich mit einer solchen Ausprägung ««verstanden erklärt hat. Die vonunehmrnden Probeprägungen dürste« sich „'nächst auf kleinere Nickelmünzen im Werte von » And 10 Cent« erstrecken, wobei auf ein handliche«, auch in ästhetischer Hioflcht genügende« Modell Bedacht zu nehme« sein wird. Dem Plavgeschäft in Tsingtau, wo namentlich die kleiner« Geschäftsleute seit langem über Schädigungen durch die im Umlauf befindlichen, unterwrrtia ausgeprägten Teilmünzen de« mexikanischen Dollar« berechtigte Klage führen, werden die deutschen ' Scheidemünzen außerordentlich erwünscht kommen. Immerhin wird sich mit dem AuSgeben der Münze, wenn e« soweit ist, zunächst einige Vorsicht empfehlen, da e« füglich ungewiß ist, wie sie der übrige Handel aufnimmt. Da« Mißtrauen der Chinesen allem Fremden gegenüber ist bekannt. Unter sorgfältiger Ueberwachunz de- Umlaufe« sowie der Einlösung seitens Le« Gouvernement« dürfte es jedoch keinem Zweifel unterliegen, daß sich die deutschen Münzen nicht nur bald den Handelsplatz Tsingtau völlig erobern, sondern auch im Hinterlande und den übrigen ostasiatischen Handelsplätzen die Bedeutung erlangen, die die knapp vor Jahresfrist von der Ostastatischen Bank ausgegebenen deutschen Banknoten ge nießen, die, wie die .Tfingtauer Neuesten Nachrichten" melden, im Innern sogar bereits mit einem Aufgelde gekauft werden. Deutsche Aolorrien. * Neue« ZollaebSude für DareSialam. Als ein erfreulicher Be weis, welchen Aufschwung der Hand el in DareSsalam nimmt, kann die Tatsache gelten, daß daS neue ZollgebSuve, das dort erst vor einem Jahr gebaut wurde, sich jetzt schon als zu klein und unzureichend erweist. Die Waren, die ein- und ausaesührt werden, häufen sich dort mit jedem Tage mehr an, so daß ihre Aufstapelung im Freien notwendig wurde. Man will nun zu ibrer Unterbringung zu nächst provisorische Schuppen und Baracken errichten und hofft, daß bald ein neues Gebäude vom massiver Bauart errichtet werben wird. Aus dem regen Warenaustausch, der sich jetzt hier entwickelt hat, geht hervor, daß Handel und Wandel in der Kolonie entschieden im Auf blühen begriffen sind. Die optimistischen Prophezeiungen des Staatssekretärs Dernburz scheinen sich demnach trotz manchen Widerspruchs auS kolonialen Kreisen erfreulicherweise zu erfüllen. Arirlaird. Oesterreich.Ungar«. * An der Universität Innsbruck ist es zu keinen weiteren Ruhe störungen gekommen. Innsbruck, 20. Mai. (Tel.) Die vergangene Nacht verlief ruhig. Die Vorlesungen an der Universität find heute vormittag im vollen Umfange ausgenommen worden, ohne daß es zu einem Zwischenfall kam. Die Zahl der gestern Verletzten war bis jetzt nicht festzustellen. Der Rektor erließ eine Kundmachung, in welcher die sofortige Relegation der Studenten angedroht wird, welche auf akademischem Boden die Ordnung stören. * Die Verhältnisse in Galizien sind nun im Abgeordnetenhause zur Sprache gekommen: Wicn, 20. Mai. (Tel.) Da» Abgeordnetenhaus verhandelte heute über den ruthenischen DringlichkeitSantrag, betreffend das Verwal tungssystem in Galizien. Der Antragsteller Ceglinski betonte nach drücklich, die terroristische KampfeSmethode widerstrebe dem politischen Programm der Jungruthenen. Wenn dennoch ein so ungeheuer liches Hinausgreifen über die Rechtsordnung geschah, so müßten auch ungeheuerliche Ursachen hiefür bestehen. Dagegen forderte der Pole Glombinski dazu auf, durch unmittelbares Studium die in Galizien herrschenden Verhältnisse kennen zu lernen; dann würden Uebertreibungen und Verunglimpfungen, wie sie borge» bracht worden seien, künftig unmöglich sein. Redner betonte, die Be- völkerung Galiziens erwarte, wenngleich die Verwaltung Galiziens gerade unter dem Statthalter Grafen Potocki Wesentliche ^-Fortschritte gemacht habe, eine Beschleunigung der von der Re gierung angekündigtcn Vcrwaltungsreform, zumal die Ver- waltuug in Galizien unter äußerst schwierigen Verhältnissen arbeite. Redner wies dann, als Beweis dafür, daß von einer Unterdrückung des Ruthenenvolkes nicht die Rede fein könne, auf die Fortschritte hin, die die Ruthcnen auf allen Gebieren in den letzten 40 Jahren gemacht hätten. Die Polen würden alles tun, um dem ganzen Lande und beiden Völkern eme friedliche Entwicklung zu sichern; sie würden aber in Ostgalizien bleiben, und zwar nicht als fremde Gäste, sondern als einheimische Ureinwohner, und bestrebt sein, die polnische Landbevölkerung vor der Ruthenisierung zu schützen. * Die Erhöhung der Offiziersgchälter, für deren Durchführung sich der österreichische Ministerpräsident verpflichtet batte, scheint nun doch noch Tatsache zu werden, obwohl die Meinungsverschiedenheiten noch nicht ganz beseitigt sind. Es wird uns berichtet: Pest, 20. Mai. sTel.) Obwohl es halbamtlich in Abrede ae- stellt wird, muß festgebalten werden, daß die zwischen der österreichi schen und d;r ungarischen Regierung wegen der Erhöhung der Offi- ziersgagen ichweoenden Meinungsverschiedenheiten sowohl hier als in Oesterreich zu einer Kabinettskrise führen können. Es heißt, daß die ungarische Negierung sich entschlossen hat, die Erhöhung der Gagen für das Jahr 1909 zu bewilligen, und daß sie dieser Maßregel auch rückwirkende Kraft bis zum 1. Oktober 1908 zuaestehen will, wogegen aber die Heeresverwaltung sowie die österreichische Regierung daran festhalten, daß die rückwirkende Kraft bis zum 1. Juli 1908 ausgedehnt werde. k'. Wien, 20. Mai. lPrivattelegramm.) Wie bestimmt ver- lautet, hat Graf Andre ssy in der heutigen Audienz dem Kaiser dargelegt, daß die ungarische Regierung in der Frage der O ff l z r e r s g ag e n zu stimmt, die Erledigung aber erst in der Herbstsession einräumt. Italien. * Der Agrarstrrik in der Provinz Piaeenza steckt auch andere Er werbskreise an. Mailand, 20. Mai. (Tel.) Der Agrarstreik in der Provinz Piacenza gewinnt an AuSdehung und umfaßt bereits 25 000 Land, arbeiter. Auch die Arbeiter einiger industrieller Eta- blifsements haben sich der Streikbewegung angeschlossen. Frankreich. * Neue Steuern werden zur Beseitigung des im Voranschlag für 1909 vorhandenen Defizits in Vorschlag gebracht. Paris, 20. Mai. (Tel.) Der Voranschlag für 1900 steht 64 Millionen Mehrausgaben vor. Minister Eaillaux will die fehlenden Millionen durch Verdoppelung der Gewerbesteuer für Absinthkneipcn, durch Erböhung der Robpetroleum- und durch strengere Uebcrwachnng der Zinsscheinsteuer hereinbringen. Bei der Erklärung der Erbschaften sollen die Erben einen Eid ablegen, ein bisher hier unbekanntes Ver fahren. * Die Einführung der Prügelstrafe wird in Paris erörtert. Paris, 20. Mai. (Tel.) Aus Nichterkreisen wird die Einführung der Prügelstrafe für die „Apachen" genannten jungen Großstadt- Verbrecher angeregt. Ein Teil der öffentlichen Meinung bewillkommnet offen den Vorschlag. England. * Zur Reise des Königs nach Rußland wird uns noch berichtet: London, 20. Mai. sTel.) Wie das Reutersche Bur-au er fährt, wird die Zusammenkunft zwischen dem König von England und dem Kaiser von Rußland in Reval stattfinden, wo der König am 9. Juni auf der Jacht „Victoria and Albert" einzutreffen gedenkt. In offiziellen Kreisen wird darauf hingewiesen, daß dies der erste Besuch ist, den König Eduard seit seiner Thronbesteigung dem russischen Kaiser abstatten kann, mit dem er durch Bande der Freund schaft und naher Verwandtschaft eng verbunden ist. Wie Reuter noch weiter erfährt, ist eine Zusammenkunft der beiden Herrscher schon seit einiger Zeit ins Auge gefaßt worden, wurde aber infolge des rustisch- iapanischen Krieges und der inneren Krisen in Rußland aufgeschoben. Obwohl der Besuch keinen besonderen politischen Hintergrund besitzt, betrachtet man ibn als einen weiteren Beweis der engeren Be ziehungen, die zwischen beiden Ländern durch das englisch-russische Ab- kommen geschaffen worden sind. Vom Balkan. * Ter Plan einer Tonau-Adriabahn geht der Verwirklichung ent- gegen. Mailand, 20. Mai. (Tel.) Laut einer römischen Meldung des „Corriere della Sera" sind die Unterhandlungen zwischen den an der Erbauung der Donau-Adriabalm interessierten Mächten so weit fort geschritten, daß ein vollständiges Einverständnis erzielt wurde. In wenigen Tagen werd« in Varis eine Zusammenkunft stattfinden, um die letzten Modalitäten des Finanzplanes zu genehmigen. Marokko. * Die bewiihrte Initiative des Generals Liautey, wie die amtliche Ausdrucksweise lautet, soll nun in Marokko zur Entfaltung kommen. Paris, 20. Mai. (Tel.) Nach dem gestrigen Ministerrat erhielten der Oberkommandeur General Liautey, sowie General d'Amade auf telegra- vbischem Wege Kenntnis der jedem von ihnen zugewiesenen Aufgaben. d'Amade soll so rasch alS möglich mit den ihm geeignet erscheinenden Mitteln den SchaujaS-Stämmen die Lust zu ferneren Krieaszügen nehmen, und man erwartet von d'Amade Vorschläge für die Anzahl und Stärke der südlich von Tasablanea bi« auf weitere« zy. behauptenden französischen Posten. Liautey« Instruktionen beziehen sich auf ein Zusammenwirken mit dem Großvester Ben Soliman und die Ausbildung und Schaffung einer Greuzgendarmerie, eine« Zollwächterkorps und Wehrfähigkeit der Be völkerung im allgemeinen. Alle diese Rechte, sowie die Erhebung von Lokal- steuern zur Verbesserung der Straßen und de« Mllitärwesen« leitet Frank reich au« dem Vertrage von 1901 und 1902 ab. Im übrigen vertraut die Regierung auf Liautey« bewährte Initiative. * Urbrr die jüngsten Erfolge Mnley Hasid« wird noch berichtet: London, 20. Mai. (Tel.) Wie einem hiesigen Blatte aus Tanger gemeldet wird, sollen auf dem Marsche befindliche Trup- pen des Sultans Abdul Aziz im Gebiet der Beni Snasscii von feindlichen Stämmen in ihrem Vormarsch angehalten und abge. schnitten worden sein. Eine Abordnung Muley Hafids soll im Lager eingetroffen sein, um über die Uebergabe der ganzen Streitmacht zu verhandeln. Paris, 20. Mai. (Tel.) Alle heutigen Nachrichten bestätigen nicht nur Muley Hafids Einzug in Nekines, sondern melden auch, das; dre Mahalla des Sultan« Abdul Aziz unter Buchta ed Bagdadis' Ober- befehl ringsum von hasidischen Truppen eingeschlossen ist und über ihre Waffenstreckung unterhandelt. Da dies die letzte Streitmacht Abdul Aziz' ist und er nach ihrem Verlust weder Geld, noch Waffen, noch Leute mehr hätte, würde diese Waffenstreckung das Ende seiner Herr schaft bedeuten. * Die Franzosen wissen sich zu helfen, das muß anerkannt werden. Sie erklären zwar, daß das nunmehr täglich bevorstehende Eintreffen Muley Hafids in Fez eine furchtbare Schlappe für Abdul Aziz bedeute und die Aufgabe der Franzosen außerordentlich erschweren und verwickeln würde, haben aber doch auch für diesen Fall schon Vorsorge getroffen, um ihres Einflusses nicht verlustig zu gehen. Sie änderten einfach das marokkanische Ministerium. Sie haben es durchgesetzt, daß der bis herige Grohwesir G harrt vom Amte zurücktreten muß und durch den bisherigen Minister des Aenßern Abdel Krim Ben Sliman er setzt wird. Während der abtretende Grohwesir der französischen Pro tektoratspolitik aufrichtig abweisend gcgenüberstand. ist Ben Sliman völlig in französischem Fahrwasser. Das Ministerium des Aeußern wird vorläufig durch Ben Slimans bisherigen Gehilfen Drrs- bukili verwaltet, der als französisches Werkzeug gilt. * Eine Herausforderung gegen Deutschland. Ein deutscher Schutz befohlener, der dem Kommandeur einer französischen Truppcnabteilung ein Schreiben des deutschen Konsuls Luederitz überbringen sollte, war von französischen Truppen mißhandelt worden. Damit noch nicht genug, wurde, wie die „Hamb. Nachr." melden, auch noch das Schreiben des Konsuls von einem französischen Offizier angespien. Konsul Luederitz hatte deshalb Beschwerde bei der deutschen Gesandtschaft in Fez erhoben, die Bericht an das Auswärtige Amt in Berlin erstattete. Dieser Bericht ist, wie die „Post" erfährt, nunmehr eingegangen und zur zeit Gegenstand amtlicher Verhandlungen. Hoffentlich läßt das Resultat dieser Verhandlungen nicht zu lange auf sich warten. Persorialveränderunqen in der sächsischen Armee. Offiziere, yiihnriche nsw. Den 11. Mai. Lorenz, Ltnt. der Res. des 1. Feldart.-Negts. Nr. IS, der Mschied bewilligt. Im Saiütätskorvs. Den 15. Mat. Dr. Schulz, Oberarzt beim 1. Fcldart.-Regt. Nr. IS. unter Beförderung zum Stabsarzt zum 1. (Leib.) Gren.-Regt. Nr. 100 verseht und vom 1. Oktober d. I. ab auf ein weiteres Jahr ohne Behalt nach Teheran beurlaubt. — Die A s s i st e n z- Srzte: Dr. Kluge beim 12. Jnf.-Regt. Nr. 177, Dr. Langbein beim 6. Ins.- Regt. Nr. 105 „König Wilhelm II. von Württemberg", zu überzähligen Oberärzten, Dr. Schütz, Unterarzt der Res. im Landw.-Vez. II Leipzig, zum Assistenzarzt, be fördert. — Den Stabsärzten der Res.: Dr. Reuter im Landw-Bez. Borna, mit der Erlaubnis zum Tragen der bisherigen Uniform, Dr. Hi I l m a n n ini Landw.-Bez. II Leipzig, den Oberärzten der Landw. S. Aufgebots: Dr. Hofmann im Landw.-Bez. Meiden, Dr. Noth im Landw.-Bez. Plauep, be- hufS Ueberführnng zum Landsturm S. Aufgebots der Abschied bewilligt. Beamte der Militiirverwalttnm. Durch Verfügung des Krtegsministertums. Den 14. Mai. Dr. Berber, Unterapotheker der Landw. 1. Aufgebots im Landw.-Bez. II Leip zig, zum Oberapotheker des Beurlaubtcnstandes befördert. — den Oberapo. thekern der Landw. 1. Aufgebots: Dr. Wunderlich im Landw.-Bez. II Leipzig, Büttner im Landw.-Bez. Wurzen, behufs Ueberführung zum Land- sturm 2. Aufgebots der Abschied bewillig t. Durch Verfügung des Generalkommando«. Die Zahlmstr.: Kunzk« vom 12. Jnf.-Regt. Nr. 177, kommandiert zur Dienstleistung beim 2. Gren.-Regt. Nr. 101 „Kaiser Wilhelm, König von Preußen", zum III. Bat. dieses Negts., Lonrad der rett. Abt. 1. Feldart.-Regts. Nr. 12, zum II. Bat. 2. Gren.-RegtS. Nr. 101 „Kaiser Wilhelm, König von Preußen", Feuilleton. Im afrikanischen Laf6. Von W. ZachiiuS. ES ist ein klassischer, sagenreicher Boden, auf dem Tunis steht. Hier gründete Elista mit den Riemen einer Rinderhaut ein Weltreich, an dessen Größe und Zerstörung sich die Namen HamilkarS, HannibalS und der Scipionen knüpfen; hier tauchten im Laufe der Geschichte bunt nach, einander die Scharen der Vandalen, Mauren und Kreuzfahrer, die Krieger Karls V-, Cromwells und Ludwigs XIV. auf. und vor allem hier, an diesen träumerischen Ruinen Karthago-, zog zum großen Teil die Glanz. Periode dcS siegreichen Halbmondes vorüber. Man muß eS wohl deshalb natürlich finden, daß die jetzige Bevölkerung dieses Landes mit besonderer Vorliebe von dessen romantischer Vergangenheit zehrt, und die Weise, m der sie cs tut, stimmt mit dem öffentlichen Leben und Treiben, dessen orientalischer Ursprung unverkennbar ist, ebenso überein, wie die schreienden Warenaubrufer und die offenen Werkstätten im Zuck (Basar). Ter letztere ist der Zentralpunkt des Verkehr», der da» ganze lärmende und ostensible Gepräge eines Handelsplatzes trägt, auf welchem sich die Nationen der verschiedensten Art ein Stelldichein geben. Nachdem wir die große Moschee und die Kasbah, oder wie sie von den Franzosen genannt wird, das Fort La Goulette, in Augenschein ge nommen und uns mühsam durch da« bunte Gewimmel der Beduinen, Araber, Juden, Neger, Griechen, Portugiesen usw. gedrängt haben, ver spüren wir eine faktische Sehnsucht nach jener Erquickung, die in diesem tropischen Himmelsstriche eine wahre Gottesgabe zu nennen ist: nach einer Tasse echtem Mokka, und da sich nahe vor uns ein alter maurischer Bau erhebt, der sich durch den zerlumpten Araber, der oben auf den Stufen behaglich eine Taste des heißen Labsals schlürft, sozusagen als Kaffeehaus zu erkennen gibt, so zögern wir nicht, einzutreten. Durch einen engen, dunklen Gang gelangen wir in eine hohe, düstere Halle. Das Mauerwerk ist verwittert und die weihgestrichcnen bhzanti- Nischen Bogen werden von grün und rot bemalten schlanken Säulen ge tragen. Auf dem roh getäfelten, mit Steinsitzen und Binsenmatten ver sehenen Fußboden haben sich Männer jeden Alter« gelagert und bilden in ihren hellfarbigen Trachten malerische Gruppen. Schweigend und ernst trinken sie ihren Kaffee oder rauchen ihre Zigarette, ihren Haschisch, wäh rend der Kaffeediener leichtfüßig und faß unhörbar umhertripvelt, um yrit der glimmenden Kohle das aromatisch duftende Kraut in Brand zu stecken. Die ganze träge Ruhe, die sich im Wesen des Orientalen aus spricht, kommt in einer solchen Tabagie zum vollen Ausdruck. Da es hier aber keine Kaffeehauslitcratur nach europäischen Begriffen gibt, so ist auf andere Weise auch für geistigen Genuß gesorgt. Ein Grei», der schon durch seine schöne, imposante Gestalt Aufmerksamkeit erregt, er- hebt sich, besteigt einen der Ruhesitze und beginnt zu sprechen. Alles lauscht; immer fliehender und feuriger tönen seine Worte; lebhafte Gesten begleiten sie und verfehlen auch auf die scheinbar Teilnahmlosen unter den Anwesenden ihren Eindruck nicht. Was erzählt dieser Mann im fremden Idiom seines Landes? — Ist c« der Scheiterhaufen der Dido, oder sind es die Ruinen des alten Karthago, die ihm dieses Pathos ent. locken? Sind es die Kriegszüge der Kalifen und die Heldentaten seiner Voreltern, die ihn und seine Zuhörer so begeistern, oder sind cs roman tische Rhapsodien aus der Geschichte der spanischen Mauren, Bruchstücke jenes herrlichen Märchenschatzes, der in der Alhambra Granadas ver graben liegt? Wir wissen es nicht; wir können un» nur dem fremd- artigen, aber immerhin wohltuenden Eindruck hingeben, den diese an historischen Erinnerungen so reiche Küste, diese gleich Rom so vielfach verwandelte Stadt und vor allem die vor uns sich abspielende Szene, staffiert von hohem, ehrwürdigen Gemäuer, auf uns macht. * * Weimarer Theater. Unser L.-Korrespondent meldet auS Weimar: Am Hoftheater hatte gestern abend von Wildenbruch» „Die Raben- steinerin" einen durchschlagenden Erfolg. Da« Haus war, wie bei jeder Wildenbruchschen Premiere ausverkauft und bei der Beliebtheit deS Dichters in Weimar beifallsfreudig von Anfang an. Abgesehen davon, daß da« Werk in folge der früher geschilderten BerbSltniste erst nach Weimar gekommen ist, nachdem eS bereits über die meisten deutschen Bühnen gegangen und jeder neuen Dichtung Wildenbruch« gerade in Weimar da» größte Interest« entaegen- gebracht wird, kam diesmal der Umstand hinzu, daß da- gefüllte HauS die Anwesenbeit de» Dichters erwartete, um ihu bei seinem ersten Erscheinen im neuen Hause im Anschluß an die Vorgänge auf der Bühne zu begrüßen. Leider ist diese freundliche Absicht vereitelt worden. Ernst von Wildenbruch hat eS aufgegebcn, wie er sonst es bis in die letzte Zeit getan, den Hauptproben und Premieren seiner Stücke beiznwohnen, da ihm seine zunehmende Schwerhörigkeit große Schwierigkeiten bereitet. Er wird erst am letzten Maitag hier eintreffe», um sein TuSkulum am „Horn" zu beziehen und bei den zahl- reichen künstlerischen Ereignissen in Weimar wird sich bald Gelegenheit finden, manche- jetzt Versäumte nachzuholen. — Um die gut ausgestattete Vorstellung hatten sich besonders verdient gemacht die Damen Schneider (Bersabe), Kaibel-Schifsel (Felicitas) und v. Gzpinaer (Dietburg) sowie die Herren Böhm (der junge Welser) vom Stadttbeater iu Bremen al- Gast, Bauer (der alte Welser), G r u b r iRitter v. Rabensteinh W e i s e r (der Nunnenmacher) undWilhelmi (der Westfale). Stimmlich unzureichend war Frau Erland Ursula) und eine in Maske, Darstellung und Haltung komische Figur stellte G. Mitschkowskt, dem jede Spur für die Würde eines Augsburger Patriziers und namentlich eines Bruders des Wrlsers abgiug. Nicht unerwähnt darf bleiben, daß der auf Engagement spielende Bremer Gast in den Rahmen des Weimarer HostheaterS wohl nicht recht hineinpaßt; doch mögen darüber seine weiteren Leistungen entscheiden. Inszeniert war „Die Rabcnsteinerin" vortrefflich und die Regie Weiser- stand mit seiner schauipielerischen Leibung des Abends auf gleicher voller Höhe. Die Generalintendanz aber hat sich am Ende der ersten Spielzeit im neuen Hause abermals den Dank der Weimarer Kunstwelt erworben. Die Wildenbruchsche Novität wird bis zum Schluß der Spielzeit auf dem Repertoire verbleiben. * Ter streikende Claretie. Wie ein Privattelegramm unsere» L..Kor respondenten auS Paris meldet, hat das Zivilgericht gegen den Direktor JuleS Claretie und gegen den Verwalter der „Comädie Frangaise" da- Urteil ausgesprochen, daß die Ausführungen des Dramas „Foyer" von Mirbrau und Natanson, das sich Claretie zu spielen geweigert hatte, wieder auf- genommen werden müßten. Für jeden Tag Verzögerung ist eine Geldstrase von hundert Franken zu zahlen. * Ratioualbühue kür Thakespeare. In London beschloß gestern, wie ein Prvattelegramm unseres L.-Korrejpoudenten von dort meldet, eine von den Spitzen der Bübnenweit, des Schrifttums und der Politik besuchte Versammlung unter Lord Lyttons Vorsitz den Bau eines Nationaltheaters zu Shakespeares Ehrung. Vermutlich wird indes der Ausschuß, der die Errichtung eines Shakespcare-Denkmgl- auf Portland Place beabsichtigt, wie das Telegramm weiter meldet, diesen Plan fallen lasten. * Eine übcrsirenge Selbstkritik. Wie au» Pari» berichtet wird, hat Claude Monet, der Doyen der großen impressionistischen Maler Frankreichs, dem die Welt eine solche Fülle höchster Meisterwerke verdankt, ein Dutzend seiner eigenen Bilder vernichtet. Er trug sich mit der Absicht, diese Werke, die er in drciiähllger Arbeit vollendet hatte, ans eine große Ausstellung zu ichiclen, die demnächst in Paris eröffnet werben soll. Es waren Lanbschastssludieii, die eine Wasserfläche in verschiedenartigsten Beleuchtungen und Farbenharmonieu I zeigten. Wahrend er sie betrachtete, kam er zu dem Urteil«, daß sie nicht völlig I auf der Höhe seines Könnens ständen, und vernichtete die unschützbaren Werke deren Verkausswert auf 400000 bemessen wird, in wenigen Minuten. Der 68jährige Meister hat damit eine fast unglaubliche Tat heroischer Ueberwindung vollbracht, die zwar für die unbeirrbare Schärfe seine- Urteils auch gegen sich selbst spricht, aber in Len weitesten Kreisen der Kunstfreunde Aussehen und Ent setzen erregt. * Hochschulnachrtchten. Seit einer Reihe von Jahren finden in Jena naturwissenschaftliche und pädagogiich-philosophische Ferienkurse statt. Vielfachen Wünschen zufolge soll diesen Kursen im Sommer 1908 zum erstenmal eine selbständige Abteilung für Nationalökonomie, Sozialwissenschaften und Kolonialpolitik ungegliedert werden. Die meinen der Kurse sind sechsstündig (5.—11. August), jedoch sind auch zwölsstündige (5.—18. August) vorgesehen. Sämtliche Veranstaltungen finden in der Universität und in den Räumen des BolkShauseS der Carl Zeiß-Stiftung statt. DaS ausführliche Programm ist kostenfrei zu beziehen von dem Sekretariat der Jenaer Ferienkurse, Jena, Gartenslraße 4. — Der Privatdozent für semitische Sprachen, insbesondere Astyriologie, Dr. M. Streck in Straßburg, wurde al- a. o. Professor für semitische Sprachen und Literatur nach Würzburg berufen. — Amtlich wird bekannt gemacht: Der o. Professor für Baukunst an der Technischen Hochschule in München, Anglist Thiersch, wurde auf seinen Wunsch in den Ruhestand versetzt. — Der Assistent Dr. C. Davidsohn hat sich für allgemeine Patbologie und patholo gische Anatomie in BreSlau babititiert. — Gustav Schrnoller-Ehrung: Am 24. Juni begeht Professor Gustav Schmoller seinen 70. Geburtstag. * Mustkchronik. Fräulein Josefin» von Artner, die eine Reihe von Jabren zu den geschätztesten Mitgliedern der Oper in Leipzig gehörte, ver abschiedet sich am 30. d. M. vom Publikum in Hamburg, wo sie seit 15 Jahren künstlerisch sich betätigte. — Kammersängerin Marie Götze, die beliebte Altistin der Berliner Hofoper, ist erkrankt und wird wohl in dieser Saison ihre Tätigkeit an der Hofoper nicht mehr aufnehmen können. Sie mußte sich in der OlSbausenichen Klinik einer Operation unterziehen, die übrigen» aufs beste geglückt ist. — Die königl. Sänger Bachmann und von Schwind verlassen mit dieser Spielzeit dir Berliner Hofover. Herr Bachmann wird sich iu der Titelrolle von Verdis „Falstaff" verabschieden. — Tie jugendliche dramatische Sängerin Fina Se rvaiS wurde ans mehrere Jahre an die Berliner Komische Oper engagiert. * Kleine Chraiitk. Zu Lharlottenburg starb nach langem, schwerem Leiden der Bildhauer Jeremia« Christensen. Wiederholt ist der Künstler, der aus Schleswig-Holstein stammte, mit seinen Werken an die Oeffentlichkeit getreten. So als er bei einem allgemeinen Wettbewerb der Stadt Berlin um die Figur einer Spreea unter 109 Bewerbern mit etnem ersten Preise bedacht wurde und dann au- einer engeren Konknrrenz al« Sieger hervor ging. Sein Brunnenwerk schmückt da» Innere de« Berliner Rathauses. Ein weiterer Erfolg seines nur kurzen Leben» war der Sieg bei dem engeren Wettbewerb um da- Kieler Denkmal de« Herzog« Friedrich VIll. von Schleswig- Holstein (1829 bi- 80), de« Vater» der Kaiserin. Jahrelang war er Mit arbeiter von Harro Maqnussrn. — Baron Heinrich v. Rothschild hat iu Soresnes ein Grundstück mit schönem Park erworben, um dort ein Alters heim für dramatische Schriftsteller zu erbauen. ES wird auf seine Kosten völlig eingerichtet und zwanzig Pensionären der Genossenschast dramatischer Schriftsteller eine behagliche Zuflucht sichern. Die Stiftung wurde in der Sitzung der „8oei«tö üo« auteurs üramatiquos" von Pierre Wolff bekannt gemacht. — Die musikalische Weihe der Münchner Ausstellung ist im königlichen Odeon begangen worden. Felix Mottl dirigierte unter Mitwirkung von Dr. v. KrauS, Ludwig Heß, Adrienne v. KrauS-Osborne und Anna Ltrouck- Kappel(Barmeni Beethovens neunte Sinfonie. Die vornehme und sichere Leitung des Orchesters wurde nur im vierten Latz durch die den Raumverhält- nissen nicht angepaßte Wirkung der Chöre beeinträchtigt. Der Beifall umbrausle Mottl am Schluß wohl zehn Minuten lang. (Kritik sieh« 3. Seiles
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)