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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.05.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-05-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080520018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908052001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908052001
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-05
- Tag 1908-05-20
-
Monat
1908-05
-
Jahr
1908
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BezuzS-Prei» chr LaWÜS im» <!orvrtt durch „s«rr Lrt,« uad Svadttau» ml Haus ^tracht i «u«,ab« L <nor umruru«) «terluljShrltch ö M., monatlich I Vl.; tiusaab« v <moraen« und abend«) viertel» ltdrUch 4.SO M., monatlich I.SO M. Drw- dir Wvii DL derirdDL! <2 »al täglich) mnerhalb Trulichland« und der deutichea Solmlie« »terieliLdrlich 5,2b M-, monatlich 1,7L vi. «chschl. »oft- beftellgetd, »r Oesterreich S L SÜ b, Ungar» 8 L viertrljthrlich. ff«ner i» Del. gie», Dinemark, den D-aauliaateo, Italien, Uurönburg, Riederiaod«, Nottoogm, «iust. and, Schweden, Schweiz and Spanien. In ollen übrigen Staaten nur direkt durch di» «Md. d. «l. erhältlich. tldoanemeu»chl»nab»e > Ungnstusvlatz 8, bei unlerea Lräaer», Filiale», Spediteure» und Annahmest^n^owt« Poftümtern und Die einzeln« dtunnaer koste» Ist Gftz. Medaktio» »»d Erpebtti»»- liohamtiZgafie ». ielevbon Nr. 14SSL »r. 14690, «r. 14«». Morgen Ausgabe 8. riDigtrTagtblalt Handelszeitung. Ämtsklatt des Rates imd -es Nolizeiamles der Stadt Leipzig. Nr. 139 Mittwoch 20. Mai 1908. Anzeige». Prel» di»« uno Umgebun» > V., stnanzieü» «leklame» lM.; —n »»«wärt« « «., »rllamen l.L) M > »emUXIandSo«., ft»a»z.«»zeigen75V» ««Name» USO vt. Inserat« ». vehärde» tn amtlichen r«a 40P vetlagegebstbr ü M. Lautend epli. Pol', gebühr, stieichästlanzeigen an bevor,ugtri Stelle toi Prelle erhöht. Rabatt nach Lar, Festerteilte A»ttrLa« kin»en nicht zurück, aezogen werden. Für da« Srschemrn an bestimmten Lagen und Blästen wird lein« Garantt« übernommen Anzeigen-Annahme l Vngultu«»!», «, bet sämtlichen Filiale» u. allen Annoncen- Lppeditionen de» I» und Au«la»de« Haustt.Filiale verltte i Carl Puatker, Hemogl. Paqr. Hoibuch. Handlung, Lüstowstrade lL iLelephon Vl. Nr. 4«U). staupt-Filiale vre«dea: Seeslraße 4, l lTelephon 4<>2l). 102. Jahrgang. Dcrs wichtigste vom Tcrge. * Der Kaiser verläßt heute Wiesbaden und fährt zunächst nach Berlin zurück. sS. Dtschs. R.s * Der Deutsch« Verband kaufmännischer Angestellter sprach sich in Frankfurt a. M für den 8-Uh r-L a d e n s ch l u ß aus. <2. DtfchS. R.> * Di« marokkanisch« Gesandtschaft hat Berlin wieder verlassen und wird an Bord des Dampfers „Oldenburg" die Rückreise nach der Heimat antrete». * Anläßlich der klerikalen Ausschreitungen in Graz kam es im österreichischen Abgeordnetenhause zu lärmenden Zwischenfällen. sS. Ausl.) * Wie dem „Temps" aus Tanger gemeldet wird, traf Mule» Hafis am 16. Mai in Melines ein. * Aus Marokko werden Gewalttaten französischer Truppen gegenüber nichtfran-zößichen Europäern gemeldet. sS. Ausl.s * Wie das Reutersche Bureau aus Nahakki meldet, rückte die Bri gade des Generals Barretts bis zum Bohoidog-Tale vor und stieß dabei aus hartnäckigen Widerstand. Die Verluste be- lrugen 29 Mann. „Deutsche Intvrnen". Das offiziöse russische Blatt, die „Nowoje Wremfa", bat es entdeckt, woher die Schwierigkeiten stammen, mit denen England seht im Norden Indiens zu ringen bat. Es besteht erstens eine panislamitische Agita tion und zweitens eine panasiatische Agitation. Diese beiden Agitationen baben den Zweck, die Aufmerksamkeit Rußlands und Englands von den Fragen deS europäischen Orients abzulenken, wo nach Ansicht deS Petersburger Blattes ihre gemeinsame Arbeit gerade setzt sehr vonnöten ist. Der Sitz der panislamitischen Agitation liegt aber, wie die „Nowoje Wremja" geheimnisvoll andeutet, im Norden, ans deutsch, in Berlin. Die deutsche Diplomatie wird mit nicht geringem Erstaunen erfahren, daß sie es ist, die den Emir von Afghanistan gegen England aushetzt. Man sieht, wir werden — zum mindesten, was die Kunst der Intrige angeht — im Ausland« sehr erheblich überschätzt. Von dem närrischen Einfall abgesehen, daß in Berlin der Ausgangs punkt der genannten großen Bewegungen zu suchen sei, hat die „Nowoje Wremja" recht. Die antitürkische Politik Englands hat natürlich die iünfzig Millionen Mohammedaner, die in Indien leben, arg gegen den Bedränger deS Kalifen verstimmt, und auch das ist richtig, daß seit den Liegen Japans die panasiatische Bewegung immer weitere Kreise zieht. Falsch dagegen ist es, daß wir mit Genugtuung und Schadenfreude auf die Schwierigkeiten blicken, die England zur Stunde an der nördlichen Grenze des Indischen Reiches erwachsen sind. Zunächst können wir da- von überzeugt sein, daß England diese Schwierigkeiten überwinden wirb, und vermutlich wird die britische Regierung diese Gelegenheit wahr nehmen, um wieder einmal einige „Grenzkorrekturen" erfolgen zu lassen. Erfahrungsgemäß geht England aus solchen Prüfungen stets gestärkt und bereichert hervor und wir Deutschen müßten denn doch kurzsichtiger sein, als wir es sind, wenn wir derartige Vorgänge schadenfroh verfolgen oder wohl gar Hervorrufen sollten. Politisch haben wir in jenen Gegen den wirklich nicht das allgeringste Interesse und was die Kulturleistung Englands in Indien anbetrifft, so können wir sie nur aufrichtig bc- wundern. Während die russische Kolonisation stets ein staatliches Unternehmen war, rüstete in England eine Handelsgesellschaft mit privaten Mitteln, auS eigenem Antrieb und auf eigene Gefahr eine Expeditivn aus. An eine Eroberung war ursprünglich nicht gedacht und Seelcys Wort ist zutreffend, daß unter allen Großtaten, die England je vollbracht, sich nichts so unabsichtlich und zufällig vollzogen habe, wie die Eroberung Indiens. Wen« die Engländer bisweilen als die Blutsauger Indiens dargestellt werden, so muß darauf hingewiesen werden, daß die Steuer einnahmen von 1598 bis 1761 jährlich sechzig Millionen Rupien betrugen, während von 1869 bis 1879 bei einer weit größeren Bevölkerungszahl die Gesamtsumme der Steuer jährlich 35)6 Millionen und in den darauf folgenden zwölf Jahren 4114 Millionen ausmachte. Auch für di« mora lische Entwickelung des Landes haben die Engländer viel getan. Sie haben das Handwerk der schauerlichen Mordbrüder, Thag genannt, deren Äeligionsgelübde es war, Menschen zu erwürgen, unterdrückt und auch der Mord der weiblichen Neugeborenen, der von der Bevölkerung nicht als widernatürlich empfunden wurde, ist ausgerottet worden. Nm die kulturellen Leistungen einer Nation richtig beurteilen zu können, muß man immer bedenken, daß die kleinste Aenderung im Orient einem fanatischen Widerstand hervorruft. Wenn die Unzufriedenheit gerade in den gebildeten Schichten Indiens eine starke ist, so spricht dies, so sonderbar es klingt, mehr für alles gegen England. Gerade unter der englischen Herrschaft sind eben die gebildeten Indier erwacht, und es ist nur natürlich, daß sie nun an der Regierung Anteil nehmen wollen, llebrigens sind in 3700 Aemtern, abgesehen von etwa hundert Europäern, die die höchsten Aemter bekleiden, ausschließlich eingeborene Hindosaner angestellt. Da England die seiner Herrschaft anvertrauten Völkerschaften nicht entnationalisieren will, wie Rußland dies tut, so finden die nationalen Bestrebungen der Hindus und Mohammedaner sogar «ine gewisse Unterstützung bei der englischen Regierung, die dafür Sorge trägt, daß die herrlichen Monumente des Landes konserviert werden und daß wertvolle literarische Werke der Vergessenheit durch den Druck entrissen werden. In Indien, wo von jeher der grauenvollste Despotis mus geherrscht hat, besteht jetzt unter dem Titel „Indian National kongreß" eine Art Parlament, in welchem Hindus und Mohammedaner vereint die Administrationsangelegenheiten Indiens beraten und die Maßregeln der angloindischen Verwaltung in kühnster Sprache kriti sieren. Alles in allem können wir uns auch hier zu der Ansicht des Fürsten Bismarck bekennen, der seine Meinung über Englands Wirken in Indien dahin ausgesprochen hat, daß, wann England alle seine Geistesheroen der Vergangenheit verlöre, das, was es für Indien ge tan, seinen Namen für ewig unsterblich machen würde. Dabei kann es ganz außer Betracht bleiben, ob England seine indischen Reformen aus reiner Nächstenliebe oder als wirtschaftlich fruchtbare Kulturarbeit ge- leistet hat. Auch im letzteren Falle bleibt die Arbeit verdienstlich. Nni -en sn-ainevikanischen Han-el. Von Zeit zu Zeit gaukeln uns phantasievollc Seelen den holden Traum eines europäischen Zollvereins vor. Jedes Wort über einen solchen unserer Zeit mindestens noch völlig unangemessenen Plan ist überflüssig. Was die europäischen Staaten aber sehr wohl treffen konnten, das wäre eine Vereinbarung dahin, daß sie sich der Bestrebungen, die ganze westliche Halbkugel dem Handel der Vereinigten Staaten zu unterwerfen, er wehren wollten. Jede europäische Macht kann das aus eigener Macht. Vollkommenheit tun und für eigene Rechnung durchführen. Das Gemein same aber verbürgte den Erfolg und setzte das einzelne Land nicht der Notwendigkeit aus, einen Zollkampf führen zu müssen, von dem die übrigen den Vorteil haben. Das freihändlerijchc England und die kontinentalen Schutzzolländer könnten ganz leicht eine Verpflichtung eingehen, z. B. Kaffee, Kakao, Tabak, Sago, Hölzer, Häute, Wolle, Salpeter, Guano aus allen den Ländern, die Europa zum Vorteil der Vereinigten Staaten die Gleichberechtigung versagen, mit einem bestimmten Zoll oder Zuschlags zoll zu belegen. Die bloße Vereinbarung würde hinreichen, um Europa die Gleichberechtigung in Südamerika zu sichern. Europa darf seine Ausfuhr nach Südamerika nicht schädigen lassen, England und Frankreich so wenig wie Deutschland und Belgien. Deutsch lands Ausfuhr nach ganz Amerika hat sich von 602 Millionen Mark im Jahre 1899 auf 1139 Millionen Mark im Jahre 1906 gehoben; sie hat sich in sieben Jahren also beinahe verdoppelt. Davon gingen 1899 378 Millionen Mark nach den Vereinigten Staaten. 224 Millionen also nach dem übrigen Amerika; 1906 aber 636 Millionen nach den Vereinigten Staaten und 503 Millionen nach dem übrigen Amerika. Unsere Ausfuhr nach dem letzteren war also entwicklungsfähiger als die nach den Vereinigten Staaten. Aehnlich, wenn auch nicht ganz so ausgesprochen, war cS mit der Einfuhr dorther. Deutschland bezog 1906 für 907 Millionen Mark aus d,n Vereinigten Staaten und sür 507 Millionen aus dem Rest des Weltteils. 1906 aber für 1236 Millionen Mark aus der großen Republik des Nordens und für 897 aus den übrigen Staaten und Kolonien. Unsere Einfuhr war also weit größer als unsere Ausfuhr. Seit einiger Zeit hat der PanamerikanismüD auf wirtschaftlichem Gebiete seine Auferstehung gefeiert. Wie damals Staatssekretär Blainc, so ist es jetzt Staatssekretär Root, der ihn betreibt. Er hat im vorigen Jahre die große Reise durch die meisten südamerikanischen Hauptstädte gemacht und wurde in Rio de Janeiro, wo er an dem panamerikanischen Kongreß (dem dritten seiner Art) teilnahm, als der Protektor gefeiert. Brasilien und später Ecuador gewährten ihm einen sog. „Gegcnseitigkcits. vertrag" mit Zollvorzügen. Brasilianischer Kaffee hat nun einen Zoll- Vorzug vor anderem amerikanischen Kaffee (auch sonstigem) in den Ver. einigten Staaten. Das kann den anderen amerikanischen Kafsec-AuS- fuhrstaaten zum Nachteil geraten, aber nicht Europa, auch nicht Argen tinien, Chile, Uruguay, die weitaus die wichtigsten Länder sind. Dafür haben nordamerckanischc Waren bei der Einfuhr nach Brasilien eine Zollvergünstigung, diese jedoch auf Kosten Europas. Dieser Tage hat Präsident Roosevelt den Grundstein zu dem Gebäude für das Bureau der amerikanischen Republiken gelegt. Er hat dabei den Panamerikanismus in der Person des Staatssekretärs Root gefeiert. Es scheint, als ob er versuchen will, den seiner und seines erhofften Nach folgers Taft Politik in großer Menge erwachsenden Schwierigkeiten da durch zu begegnen, daß er die bei allen Teilen seiner Partei sehr populäre» panamerikanischen ZollvorzugSverträgc wieder in Gang bringt. Glücklicherweise bleibt die Neigung der übrigen amerikanischen Re publiken, nch auf diese Weise mit den Bereinigten Staaten zu liieren, sehr gering. Wie schon gesagt, springen für die meisten von ihnen keine Vor- teile dabei heraus. Ihre Ausfuhr nach Europa ist viel größer als nach Amerika, die europäischen Preise der Bedarfsartikel sind viel niedriger, die Schiffahrts- und Bankverbindungen viel besser. Europa sollte suchen, mit diesen Ländern zu McistbegünitigungSverträgen zu kommen. Auf alle Fälle sollten die europäischen Ausfuhrländer Vereinbarungen treffen, um der panamerikanischen Wirtschaftspolitik mit gleichen Waffen zu begegnen, d. h. diejenigen südamerikanischcn Länder im Zolltarif zu differenzieren, die uns zum Vorteil der Vereinigten Staaten benach teiligen. Das wird nicht schwer sein. Zeigen wir nur, daß wir uns zur Wehr sehen! Die Nordamerikaner haben ihren eigenen Markt mit hohen Schutz, zollen umgeben, um die europäische Konkurrenz möglichst fernzuhalten. Sie streben zugleich nach Erweiterung dieses Marktes, wo sie eine Vor zugsstellung genießen. Eine Zeitlang hieß das Schlagwort dieser Tendenz: Expansion. Man brachte Hawaii, die Philippinen und Porto- rico unter die eigene Herrschaft und über Kuba erlangte man wenigstens eine Obervormundschaft, wenn man sich auch, getreu dem gegebenen Ver sprechen, einer Annexion dieser Insel enthielt. Seitdem ist die Lust, das eigene Reich zu vergrößern, etwas gedämpft, hauptsächlich infolge >ec schlechten Erfahrungen, die man mit den Philivpinen gemacht. Auch scheint Präsident Roosevelt weise genug zu sein, um die Bereicherung des vollberechtigten amerikanischen Bürgertums um einen Zusatz kreolischen Blutes und uni die Ausdehnung südamerikanischer politischer Unsitten auf sein eigenes Land wenigstens zurzeit firr nicht ratsam zu halten. Ec hat die Angliederung San DomingoS, die Besetzung Haitis, woran ihn niemand hindern würde, von der Hand gewiesen. Ob nicht andere Pcr- sönlichkeiten an seiner Stelle die Politik wieder aufnchmen werden, ist eine zweite Sache. WaS man nicht durch die politische Annexion erstreben will, das läßt sich sehr wohl durch Verträge über Vorzugszölle erreichen. Solche sind schon vor mehr als zwanzig Jahren durch den damaligen Staatssekretär Blaine zum Schaden Europas zustande gebracht. Sie wurden dann nach einigen Jahren wieder aufgehoben, teils weil die politische Strömung in den Vereinigten Staaten umschlug und die Demokraten an» Ruder brachte, teils weil die übrigen Republiken erkannten, daß sie dabei gehörig über den Löffel barbiert waren. Die amerikanischen Waren gingen zu niedrigeren Zöllen in die Vertragsstaaten ein. waren aber nicht billiger als die europäischen. Nur erhielten die amerikanischen Fabrikanten höhere Preise und die südamerikanischen Republiken weniger Zollcinnahmcn. Es war den Vereinigten Staaten unmöglich, ihren kleinen Schwcstcrrepu- bliken Gutes mit Gutem zu vergelten, denn die kleinen Staaten erzeugten, mit Ausnahme von Zucker, dec aber auf dem südamcrikaniscben Festlande keine Rolle spielt, keine Waren, die mit europäischen konkurrieren, also keine, für die sie zum Nachteil der europäischen im Norden einen Markt erobern könnten. Der Moltke-Hav-eii-1)r»ozeh vor Sein Reichsgericht. Am Freitag findet nunmehr die Revisionsverhandlung in dem vielerörterten Sensationsprozeß vor dem Reichsgericht statt Zur Orientierunq sei ein kurzer Rückblick auf die ganze Mvltkc- Harden-Sache gegeben: Ende 1906 und Anfang 1907 ließ NLaxünilian Harden in leiner „Zukunft" allerlei Andeutungen erscheinen, die ichlietzlich dahin ver standen wurden, daß er der „L i eb e n b e r g e r Tafelrunde" am Kaiserhofe, zu der der ehemalige Botschafter Fürst Eulenburg, der Stadtkommandant Gras Kuno v. Moltke, der Generallcutnain Gras Wilhelm Hohenau, Major Graf Lynar und der frühere Botschaftsrat der Berliner französischen Botschaft Lecomte gerechnet wurden, den Vorwurf der Homosexualität machte. Herr Lecomte hat bald darauf Berlin verlassen, von den Grafen Hohenau und Lynar ist kriegsgerichtlich festgestellt, daß sie sich an Untergebenen vergangen haben. Mai 1907 informierte der Kronprinz den .Kaiser betreffs der Ge- rächte über homoiexuelle Neigungen von Herren aus der Umgebung. Die Folge war, ooß die in Betracht kommenden Hofchargen in Un- gnade fielen. Nachdem Gras Kuno Moltke vergeblich versucht hatte, Harden zu einem Zweikampf zu zwingen, nahm er seinen Abschied und stellte istrasantrag gegen Harden wegen Beleidigung. Staats anwalt, Lberstaatsanioalt und Justizminister lehnten jedoch die Er hebung der öffentlichen Anklage ab. Gras Moltke strengte daher PrivatbeleidigunAsklage an, die be kanntlich zu der Freisprechung Hardens führte. Gegen dieses Urteil legte Graf Kuno v. Moltke Berufung ein. Jetzt erhob die Staatsanwaltschaft des Landgerichts Berlin I die öffentliche Anklage gcge_n Harden. DaS Privatklageverfahren wurde ein- gestellt und der Oberstaatsanwalt Tr. Jsenbiel nahm selbst die Sache in die Hand. In der Verhandlung Ende Dezember 1907 und Anfang Januar 1908 wurde Harden zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. Gegen dieses Urteil hat .Harden Revision eingelegt, die nun Frei tag zur Verhandlung kommen soll. Hardens Verteidiger, Justizrat Bernstein- München, hat in seiner mevisionsbegründung 54 Punkte angeführt, die eine Aufhebung des Berliner Urteils nötig machen sollen. Daraus sind die wichtigsten, daß das Eingreifen der Staats- aiiwaltschaf: nach dem ersten Harden-Prozeß unzulässig gewesen ici. ebenso die „namens" des Fürsten Eulenburg als Zeugen vom Ober staatsanwalt abgegebene Erklärung. Ferner sei Harden zu Unrecht der Schutz des 8 193 (Wahrnehmung berechtigter Interessen! versagt wor den. Die weiteren Gründe stützen sich aus die angebliche Verletzung prozessualer Formvorschriften. . , Deutsches Reich. Leipzig, 20. Ma«. * Das Kaiserpaar in Wiesbaden. Der Kaiser unternahm vor- mittags einen AuSrctl. Um 1t Uhr hielt ver Kaiser eine Parade über die Garnisonen Wiesbaden und Homburg v. d. H. vor dem .Kurbause ab. Bei oem sehr schönen Wetter hielt eine gewaltige Menschenmenge die Straßen besetzt. Vom Schlosse bis zum Kurhauie halten Kriege»- vereine Ausstellung genommen. Der Kaiser in der Uniform des Garve- dukorpS, den Felvmarschallstab in ver -Hand, ritt vom Schlosse zum Paradefeld, begleitet vom Prinzen Friedrich Karl von Hessen, dem Generaladjutanken v. Kessel und Grasen Hülsen-Häseler und den Flügel adjutanten Major v. Senden und v. Friedeburg. Di« Kaiserin mit der Prinzessin Friedrich Karl von Hessen fubr in einen»- zwei- fpännigen, ü In Daumont gefahrenen offenen Wagen mit Spitzen reitern. Das Publikum begrüßte beide Majestäten mit andauernden Kundgebungen. Der Parade wohnten ferner bei der russische Botschafter Graf v. der Osten-Sacken, ver russische Generalmajor L In 8mto Seiner Majestät v. Talischtschew, der russische erste Bol schaftssekretär von der Vliet, der russische Fregaltenkapilän Dolgorukow, der russische Botschaftssekretär Fürst Wolkonsky, der russische Botschafis- fekretär v. Radekcwitsch, der kommandierende General v. Eichhorn, Generalleutnant Scholz, Kommandeur der 21. Division, Generalmajor Pelzer, Kommandeur der 21. Feldartilleriebrigade, Generalmaior v. Besser von der 42. Jnfanleriebrigade. Die Parade kommandierle der Kommandeur des FüsilicrregimentS Nr. 80, Oberst v. Conta. In ver Parade standen das ganze Regiment Nr. 80, die zweite Abteilung des Nassauischen Feldartillerie-Regiments Nr. 27 zu Fuß und die Unter» osfizicrschule Biebrich. Das 80. Regiment führte Oberstleutnant v. Alt rock. Der Kaiser ritt die Fronten der aufgestellten Truppen ab und nahm einen Vorbeimarsch entgegen. Er kehrte an der Spitze der Fahnen kompanie nach dem Schlosse zurück und nahm vor dem Portal noch den Vorbeimarsch der Fahnenkompanie ab. Oberst v. Conta erhielt den Roten Adlerorden dritter Klasse mit Schleife. Später fand im königlichen Schlosse bei den Majestäten anläßlich d«S Geburtstages des Kaisers von Rußland FrnhstückStafel statt. Hierbei saß an der äußeren Seite der hufeisenförmigen Tafel die Kaiferiu zwischen der Prinzessin und dem Prinzen Friedrich Karl von Hessen, gegenüber an der inneren Seile saß der Kaiser zwischen dem rus- ÜschenBolschafter v v.Osten-Sackcn und demReichskanzler Fürsten v.Bülow. An der Tafel nahmen außer den Damen und Herren der Umgebung, den schon bei der Parade genannten Herren der russischen Botschaft, den direkten Vorgesetzten der in Parade gestandenen Truppen und den Kom mandeuren der letzteren noch ferner teil der russische Wirkl. Geheime Staatsrat v. MarlenS vom rufsischen Auswärtigen Amt, der ruffiscbe Wirkl. Staatsrat v. Baumgarten, Generalkonsul in Frankfurt, der russische StaatSrat Baron Küster-Wiesbaden, der rumänische Erzprieilrr v. Protopopoff, Generaladiutant v. Deine», Regierungspräsident v. Meister und Kammerherr Gras Matuschka, Landeshauptmann von Krekel, Kom mandeur v. Fischer-Treuenfeld, Intendant Graf Bylandt-Kassel, Inten dant Kammerberr v. Mutzenbecker, Landgericht-Präsident Mencke, Kam- merherr v. RekowSky, Oberbürgermeister Dr. v. Ibell, Kurdirektor v. Ebmeyer nnd Polizeipräsident v. Schenck. Die Musik führte die Kapelle des 80. Füsilierregiments auS. — Im Verlaufe der Tafel im löuiglichen Schlosse brachte der Kaiser die Gesundheit de» Kaiser- von Rußland ans. Die Musik spielte die russische Hymne. — Der Kaiser wird heute nach Berlin fahren und sich nach kurzem Aufenthalt nach Prökelwitz weiterbegeben, wo er zu jagen gedenlt. — Reichskanzler Fürst Bülow kehrt heute früh nach Berlin zurück.
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