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37 Körper vom Gehen warm wird. Wenn cs sehr windig ist, so wird allezeit die Seite, welche dem Winde entgcgenstcht, mehr kalt, als die ent gegengesetzte; und daher ist es im Frühjahr und Herbste fast unvermeidlich, Husten und Schnupfen davon zu tragen. DaS seltsamste aber bei der ganzen Sache besteht darin, daß diejenigen Leute, welche sich sowohl in der Bekleidung, als auch in den Zimmern am wärmsten halten, den Schnupfen und Husten zum Hausfreunde haben. Die allzugroße Sorgfalt, sich nicht zu erkalten, macht, daß es nur desto leichter geschehen kann; und wenn ich heule meinen geehrten Lesern diese Wahrheit recht ans Her; lege, so hoffe ich, daß sic davon dauernden Nutzen haben werden. Ich laugnc gar nicht, daß eine mäßige Be deckung des Körpers zuträglich sei. Noch we niger könnte ich rachen, daß jemand, der warme Kleider und Zimmer stets gewohnt ist, von dieser Gewohnheit auf einmal abstehen sollte. Denn dieses durfte nur nach und nach, und nicht ohne große Behutsamkeit geschehen. So viel ist aber gewiß, daß einer, der sich nicht all;uwarm zu halten gewohnt ist, unter einerlei Umständen bei weitem Nicht so viel Gefahr lauft, sich zu er kälten, als wer in Betten und Pelze eingchüllt ist, und kein kühles Lüftchen vertragen kann. Nicht jeder kalte Hauch der Luft an unsern Kör per ist schädlich, oder verdient den Namen einer Erkaltung, indem frieren und sich erkälten ganz verschiedene Dinge sind. Wenn von dem Einfluß der Kälte eine Krankheit hervorgebracht wird, so erkältet man sich. (Der Beschluß folgt in der nächsten Nummer.) R e i s e s k i z z e n. (Fortsetzung.) Die erste steile Höhe, welche mein Fuhr- werk zu passiren hatte, benutzte ich, um dasselbe zu verlassen und noch einmal in der Gegend mich umzuschauen, bevor die dahinrollcndcn Rä der derselben mich entrückten, wenn auch nur auf acht Tage. „So lebet denn wohl, ihr kalten, weißen Berge, die ihr, Greise schon, das frühe Winter- klcid angelegt habt und die müden Glieder un ter der schützenden Decke schlaftrunken dehnt, wahrend tief unten im weinfröhlichen Elbthal der mildere Westwind über saftgrüne Saaten streicht und auf dem glänzenden Strome, den noch keine eisige Scholle bedeckt, schwellende Segel bläht," rief ich, meinem dunklen Versteck entsteigend, und blieb, auf dem Kicselboden an gelangt, betrachtend stehen. „Lebet wohl," fuhr ich vom Reisetaumcl hingerissen fort, und schwenk te die Mütze, „lebet wohl, ihr riesigen Fichten wälder mit euren Schleichhändlern und Wild dieben, die ihr manchen Frevel in eurem dunk len Schooße bergt, ein starrendes, schweigendes Gcheimniß. Lebet wohl, ihr Gift- und Schmelz- Hütten, über denen der ewige, erstickende Nebel brütet, der seinen verpestenden Hauch weithin über die Gegend verbreitet. Lebet wohl, ihr rauchgeschwärzten Kneipen mit euren Kienspänen, Strohstraputzen und schlechten Schnäpsen. Ein fröhlicher Wanderer ziehe ich von euch gesegne teren Fluren zu, um an Ort und Stelle in lichtvollen, gastlichen Räumen den goldnen Saft der Rebe zu schlürfen, den eine glühendere Sonne auf den Höhen der Berge in der Nähe des Spitz Hauses oder bei Spa ar ausgekocht und zum Beschluß meine aufjudelnde Seele durch Lößnitzer Champagner in die glühendste Be- geisterung zu versetzen. Statt des Schnecken zugs über diese Berge, wird der Dampf der englischen Steinkohle im Fluge mich dahinführcn nach dem dcurschen Paris, wo im rcichgeschmück- ten Tempel Thailens lieblicher Sirenengesang die Sinne bezaubernd fesselt, während hier ein arm seliger Thespiskarren in eine Scheune seinen traurigen, unästhetischen Einzug halt." — Noch einmal ließ ich jetzt meine Blicke ringsum über die Gegend schweifen, um noch den letzten leich ten Abschied von ihr zu nehmen, da war cs mir, als nickte der hohe Fichtenwald, seines Nadclschmuckcs müde, mir wchmülhige Grüße zu, als schauten die Berge mit stillem Vorwurf zu nur herüber, und die am fernen Horizont emporwirbelnden Dampfwolken erschienen mir wie Opferrauch. Da rang auch mein beßrcs Selbst sich aus dem verhüllenden Nebel wieder empor, den ich im befangenen Wahn und im Rausche der Freude um meine Seele gezogen, und cs ward wieder licht und klar in mir. „O des erbärmlichen Thoren!" sprach ich zu mir selbst, und versetzte mir mit eigner Hand einige wohlverdiente Backenstrciche, daß mir die Cigarre aus dem Munde fiel. „Verzeiht mir, ihr Walder, Berge, Hüllen und Kneipen die arge Schmährede, die ich in bünder Reisewuth ausgestoßcn, denn ich wußte nicht was ich sprach. Ich gedachte nicht des Segens, den ihr spendet, ihr schlanken Tannen, sei cs als glatt- gezimmerlcr Stamm oder als nützliche Holzkoh le; nicht der nährenden, wcitbcrühmten Kartof fel, die auf diesen Fluren so gedeihlich wachst, noch des viclgesuchten schwarzen Hafers und des duftenden aromatischen Hcu's; nicht der nie versiegenden Schätze, welche der kahle Steinbo den in seiner Tiefe birgt, die, durch nimmermü den Fleiß zu Tage gefördert, auf dem rauchen- den Feuerheerd gesichtet und geläutert, mit rei chem Segen das Land überschütten. Auch Eu rer vergaß ich in thörichter Selbstverblendung, biedere Gebirgsbewohner, ob Ihr schon nur in der rauchgeschwärzten Kneipe beim düstern Scheine des Kienspans am Kartoffclfusel Euch